. / .Geschichte / Neuzeit / Beispiel für eine Klausur zur Französischen Revolution Stand: 09.06.2007 ↵
Hier ein Beispiel für eine Klausur, die ein wenig die standardisierten Pfade der Revolutionsromantiker verlässt. Allein das Textverständnis ist für die meisten Schüler mittlerweile ein unglaubliches Hindernis. Aber es gibt noch einige - und das lässt hoffen.
Klassenstufe: 11
Zeitraum : 2007
Thema : Interdependenz von Innen- und Außenpolitik
Aufgaben:
1. Geben Sie den Text gedanklich strukturiert wieder!
2. Erläutern Sie die Interessenlage der Gegner und Befürworter eines Krieges!
3. Nehmen Sie Stellung zu Nürnbergers Position!
TEXT
Revolutionärer Radikalismus und Sorge vor der Bedrohung, die spannungsreiche Paradoxie im Wesen des Revolutionärs, traten in der sich zuspitzenden Entwicklung immer mehr hervor und kamen dann im Kriege zu großer Wirksamkeit. Die geschichtliche Stunde des Radikalismus hatte geschlagen, als der Krieg eine Situation erzeugte, welche die radikale Theorie zu rechtfertigen schien. Gegenüber den Radikalen traten die anderen Vereinigungen, die Gemäßigten und die Rechten, ganz zurück
(…)
Darüber hinaus waren es nun nicht einmal die erfahrensten, umsichtig wägenden Männer, welche die Führung in die Hand nahmen, sondern auf Grund des Gesetzes, das die Wiederwahl von Mitgliedern der verfassunggebenden Nationalversammlung nach abstrakten Reflexionen verbot, traten Anfang Oktober ganz neue, unbekannte, unerfahrene Männer in den Vordergrund: die Schriftsteller, Advokaten, Lehrer und Literaten eroberten den Staat. (…)
Aus ihren Reihen stammten, mit Brissot an der Spitze, die »Heroen der Revolution« für die liberale Geschichtslegende. Diese Träger der Revolution waren fast alles junge Leute (der älteste war vierzig, der jüngste siebenundzwanzig) ohne Erfahrung, homines novi, Männer, die nicht in den Geschäften groß geworden waren; von genialen Einzelnen abgesehen, waren das die Radikalen, die Aktivisten, die nur in Alternativen dachten, sie machten Kriegspolitik, sie ließen es nicht nur auf einen Krieg ankommen, sondern provozierten ihn ohne Kalkulation des Risikos, ohne Kenntnis des Gegners.
(…)
Das übersteigerte Pathos in Brissots Reden zeigte das beleidigte und im Grunde zugleich unsichere Selbstgefühl des revolutionären Freiheitskämpfers und Missionars, der aber doch auch zugleich in der Kontinuität der französischen Politik stand. Früher zitterten die deutschen Fürsten vor uns, die Beleidigungen durch diese Fürsten müssen aufhören, man muß sie zur Entscheidung zwingen. »Ist der Krieg ein Wagnis? Nein!« beantwortete er selbst seine Frage.
(…)
In der Umgebung des Königs dachte man daran, »diese Überspannten« für einen Krieg zu benutzen in der Erwartung, daß die europäischen Mächte dem französischen König zu Hilfe kommen würden. Es war der gefährliche Gedanke des »kleinen Krieges« aus innerpolitischen Gründen, der dem Kriegsminister vorschwebte; es war die Hoffnung, mit der Armee als fester Stütze die Krone zu stärken, typisch für diese »reaktionäre« Politik: Militärdiktatur in der Krisis des Staates.
Richard Nürnberger, Französische Revolution und Napoleon, in: Propyläen Welt Geschichte, Bd. VIII/1, Frankfurt/M 1976, S. 86 f.