. / .Politik / Für meine Tochter Andrea Stand: 25.06.2011 ↵
Aufmerksam hatte ich seinerzeit die Entstehung dieser Arbeit verfolgt und war und bin immer wieder beeindruckt von der Genauigkeit und Liebe zum Detail, die in dieser Arbeit steckt. Zur Zeit muss ich viel an sie denken.
Die hier vorliegenden Formatierungen entsprechen natürlich nicht dem Original: Dies wäre in der Umsetzung nur bedingt möglich und dürfte bei dem Umfang dieser Arbeit sehr lange dauern. Ich hoffe, dass Andrea mir dies nicht allzusehr verübelt, da ich ihren kleinen Hang zum Perfektionismus so nicht vollständig wiedergebe.
Die Darstellung des baskischen Konfliktes
in der spanischen und baskischen Tagespresse:
Eine vergleichende Analyse
Hausarbeit zur Erlangung des Magistergrades (M.A.)
im Fachbereich Historisch-Philologische Wissenschaften
der Georg-August-Universität Göttingen
vorgelegt von
Andrea Wilczek
Abgabetermin: 08. Juni 2001
Gutachter: Prof. Dr. phil. Günter Holtus
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort 5
2. Zur Situation im Baskenland 7
2.1. Begriffliche Abgrenzungen 7
2.2. Kurzer geschichtlicher Überblick 8
2.3. ETA 11
2.4. Zur politischen Situation im Sommer 2000 13
2.4.1. Interessenkonflikte zwischen Nationalisten und spanischer Zentralregierung 13
2.4.2. Declaración de Lizarra und der Waffenstillstand 15
2.4.3. Parteienlandschaft Euskadis nach den Wahlen 1998 16
3. Kurzes Profil der zu untersuchenden Zeitungen und wirtschaftliche
Interessenlagen 18
3.1. El País 19
3.2. El Mundo 19
3.3. ABC 20
3.4. El Diario Vasco 20
3.5. Deia 21
3.6. gara 22
4. Begründung der Auswahl der Quellen und methodische Überlegungen 22
5. Pressekritik als „strategische“ Analyse kommunikativer Zusammenhänge 24
5.1. Zum Forschungsstand 24
5.2. Öffentliche Pressekritik 25
5.3. Die Ereignisdarstellung als Strategie 27
5.3.1. Aufmacherstrategien 27
5.3.1.1. Parlamentsdebatte 27
5.3.1.2. Demonstration 29
5.3.2. Ereignisdarstellung und Ereignisbezug 32
5.3.2.1. Darstellung der Parlamentsdebatte 32
5.3.2.1.1. Darstellung von Ereigniszusammenhängen 38
5.3.2.2. Darstellung des Demonstrationsereignisses 39
5.4. Konsonanz, Kumulation und Synchronisation 47
5.5. Strategien des Kommentierens 47
5.5.1. Debatte 48
5.5.2. Demonstration 53
5.6. Periodische Strategien der Vor- und Nachberichterstattung 57
5.6.1. Themenbehandlung 57
5.6.2. Kommunikationsführung 61
5.7. Zwischenergebnis 65
5.7.1. Binnen- und Außenpluralität 67
Die Nachrichten, die uns aus dem Baskenland erreichen, vermitteln uns oft den Eindruck eines bürgerkriegsähnlichen Zustands: Attentate auf Politiker, Autobomben und die ETA als die sich zu den Anschlägen bekennende Terrororganisation. Über genauere Hintergründe erfahren wir meist wenig oder aber die Informationen sind sehr oberflächlicher Natur. Daher war der erste Schritt zu dieser Arbeit das Interesse, mehr über die Hintergründe des baskischen Konfliktes in Erfahrung zu bringen. Bei der Beschäftigung mit diesem Thema stößt man recht schnell auf höchst gegensätzliche Meinungen, Darstellungen und emotionsgeladene Diskussionen und es fällt nicht leicht, sich aus den verschiedenen Mosaikstückchen sein „Abbild“ der Wirklichkeit zusammenzusetzen. Die Wahrheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters, folglich kann es auch nicht eine absolute Wahrheit geben, sondern immer nur verschiedene Darstellungen derselben. Wie schon im Titel angedeutet, soll dies auch Thema der vorliegenden Arbeit sein: die Darstellung von Wirklichkeit und wie diese durch Sprache – im vorliegenden Fall in den Massenmedien – zum Ausdruck kommt.
Es erschien interessant zu untersuchen, wie der baskische Konflikt in der Presse „beider Seiten“, also in baskischen und spanischen Tageszeitungen dargestellt wird. Ausgewählt habe ich für die Untersuchung die drei auflagenstärksten und bekanntesten spanischen Zeitungen El País, El Mundo und ABC sowie für das Baskenland drei der wichtigsten meinungsführenden Presseorgane: El Diario Vasco, Deia und gara. Auf alle Zeitungen wird zur genaueren Orientierung in Kapitel 3 noch gesondert eingegangen.
Am Anfang der Arbeit standen folgende Fragen im Vordergrund: Ist die Berichterstattung der einzelnen Zeitungen neutral, sachlich und unparteiisch, informiert sie über beide Seiten und Sichtweisen oder ist sie eher emotional und baut ein „Freund-Feind-Bild“ auf? Und falls dies so sein sollte, zu welchem Zweck und mit welchen publizistischen und sprachlichen Techniken und Mitteln? Bezieht man die Zielgruppe der Presse, also die Leserschaft in die Fragestellung mit ein, so ist zu klären, ob die Medien in diesem Fall eher als Instrument der Information oder der Persuasion zu verstehen sind.
Da eine wichtige Aufgabe der Presse die Einwirkung auf die öffentliche Meinungsbildung darstellt, steht für die Untersuchung selbst im Vordergrund, auf welche Weise diese beeinflusst wird, und nicht zuletzt die Frage: Wie kommt im vorliegenden Fall durch Sprache Ideologie zum Ausdruck?
Die Klärung all dieser Fragen setzt eine gewisse Kenntnis über die baskische Geschichte und den Konflikt selbst voraus. Daher wird zunächst einführend eine kurze, aber dennoch ausreichend anschauliche Zusammenfassung sowohl über die Geschichte des Baskenlandes als auch über die Entstehung der ETA sowie die entscheidenden Konfliktpunkte zwischen der spanischen Zentralregierung und den baskischen Nationalisten gegeben, um zumindest einen Eindruck von der Komplexität des „baskischen Labyrinths“ zu gewinnen. Dabei soll an keiner Stelle für irgendeine Seite Partei ergriffen werden; es werden lediglich im ersten Teil die verschiedenen existierenden Meinungen und Ansichten bezüglich der Problematik vorgestellt. Eine ausführliche Darstellung des Konflikts ist im Rahmen dieser Arbeit gar nicht zu leisten, daher habe ich allgemein die Ereignisse und historischen Begebenheiten ausgewählt, welche als Hintergrundinformationen für die spätere Analyse der Textbeispiele wichtig erschienen. Zum besseren Verständnis des Untersuchungszeitraumes wird in Kapitel 2.4. zusätzlich ein knapper Überblick über die baskische Parteienlandschaft, die letzten autonomen Wahlen und die ausschlaggebenden innenpolitischen Ereignisse gegeben, welche die gespannte Situation im Sommer 2000 erklären.
Der Untersuchungszeitraum der vorliegenden Arbeit beinhaltet die Woche vom 21. bis 28. September 2000. Aus dieser Woche wurden zwei Ereignisse ausgewählt: die letzte Debatte zur politischen Situation im Parlament von Vitoria und eine Demonstration gegen ETA in San Sebastián. In einem ersten Schritt (Kapitel 5) soll anhand der Berichterstattung über diese Ereignisse die kommunikationspolitische Linie der einzelnen Zeitungen ermittelt und auf diese Weise geklärt werden, ob oder inwiefern man von einer Beeinflussung der öffentlichen Meinungsbildung sprechen kann. In einem zweiten Schritt (Kapitel 6) wird dann detaillierter auf die Mikroebene der Texte eingegangen, um anhand von Syntax und Lexik die textinternen ideologischen Implikationen herauszuarbeiten. Ein Schwerpunkt liegt in diesem Kapitel auf der Lexik sowie der Metaphorik.
Beide Schritte sind natürlich nicht unmittelbar voneinander zu trennen, sondern sind inhärent aufeinander bezogen. Hinzugezogen wird außerdem die Parlamentsdebatte zur politischen Situation selbst in Form einer Videoaufzeichnung , wobei die Untersuchungen Aufschluss darüber geben sollen, ob oder inwiefern die Medien die Argumente der verschiedenen Politiker unterstützen.
Die Arbeit kann in ihrer Analyse nicht den Anspruch erheben, repräsentativ zu sein. Sie soll vielmehr anhand eines beschränkten Untersuchungszeitraumes mithilfe linguistischer Untersuchungen generelle Tendenzen in der Berichterstattung der verschiedenen spanischen und baskischen Zeitungen aufzeigen.
Auch wenn der Titel dies nicht unbedingt nahe legt: Es werden in allen Zeitungen ausschließlich Artikel in spanischer Sprache untersucht. Beiträge auf baskisch stellen in allen „baskischen“ Zeitungen, selbst in gara, welche der linksradikalen Partei nahesteht, die Minderheit dar. Es soll damit lediglich die regionale Verbreitung zum Ausdruck kommen. Wenn von „spanischen“ Zeitungen die Rede ist, so sind damit die drei überregionalen Tageszeitungen El País, El Mundo und ABC mit Sitz in Madrid gemeint. Auch diese Wortwahl dient lediglich der Abgrenzung zu den baskischen regionalen Zeitungen und beinhaltet keinerlei politische Wertung.
2. Zur Situation im Baskenland
2.1. Begriffliche Abgrenzungen
Das heutige Baskenland ist nicht als eine politisch-administrative Einheit zu verstehen, sondern vielmehr als eine ethnische und kulturelle Gemeinschaft, die ihre Identität vor allem über die gemeinsame Sprache definiert. Das Baskisch oder euskera, welches eine große dialektale Gliederung aufweist, ist die einzige überlebende vorindoeuropäische Sprache, die älteste Sprache Westeuropas und damit ein europäisches Kulturgut.
Der deutsche Begriff „Baskenland“ umfasst sowohl die vier Territorien, die zum spanischen Staat gehören (Vizcaya, Guipúzcoa, Álava und Navarra), als auch die drei französischen Territorien Labourd, Soule und Nieder-Navarra. Dies entspricht zusammen dem baskischen Begriff Euskal Herria. Demgegenüber bezeichnet der neuere Begriff País Vasco bzw. auf baskisch Euskadi die autonome spanische Region, die aus den Provinzen Vizcaya, Guipúzcoa und Álava besteht. Navarra war lange Zeit ein Königreich und bildet heute eine eigene autonome Region innerhalb des spanischen Staates. Die vorliegende Arbeit bezieht ausschließlich die autonome Region País Vasco in die Untersuchungen ein.
2.2. Kurzer geschichtlicher Überblick
Nach Ende der Herrschaft der Römer, die hauptsächlich an landwirtschaftlicher Nutzung interessiert waren und mit den Basken in einer Art friedlichen Koexistenz (Lang, 1988, 19) lebten, waren die Basken mehrere Jahrhunderte lang praktisch unabhängig. Den nach den Römern vordringenden Westgoten, Franken und schließlich den Arabern im Jahre 711 wurde seitens der Basken in ständigen kriegerischen Auseinandersetzungen erfolgreich Widerstand geleistet. Das navarrische Ebrotal war das einzige Gebiet, in dem sich die maurische Herrschaft dauerhaft durchsetzen konnte.
Der mittelalterliche Feudalismus setzte sich im Baskenland erst relativ spät und teilweise unvollständig durch. In einigen Gebieten konnte sich die archaische Stammesgesellschaft, die auf dem Hirtenwesen gründete, bis ins 11. Jahrhundert halten.
Guipúzcoa, Álava und Vizcaya, die lange unter dem Einfluss des Königreiches Navarra standen, wurden gegen Ende des 12. Jahrhunderts endgültig aus diesem Einflussbereich herausgetrennt und in Kastilien eingegliedert. Navarra blieb jedoch zunächst Königreich innerhalb der spanischen Monarchie und konnte seine Sonderrechte wahren. 1194 - 1249 erfolgte die Integration der Territorien Nieder-Navarras; bis 1379 allerdings wurden sämtliche französische Besitzungen der Könige von Navarra verloren.
Im Jahre 1512 besetzte Ferdinand der Katholische das Königreich Navarra und schloss es Kastilien an. Damit endete die Unabhängigkeit Navarras. Nach dieser Eroberung waren alle baskischen Territorien getrennt in einen spanischen und einen französischen Einflussbereich, was zu einer größeren Entfremdung beider Gebiete beitrug.
Das Verhältnis zwischen den baskischen Territorien und Kastilien regelten die sogenannten Fueros (von lat.: forum), ein seit dem Mittelalter bestehendes Gewohnheitsrecht bzw. regionale Sonderrechte, die den baskischen Regionen innerhalb der Verpflichtungen gegenüber dem Staat Freiheit und Autonomie garantierten. Die Fueros waren jahrhundertelang die Basis des gesellschaftlichen Zusammenlebens, Grundlage der rechtlichen und politischen Ordnung und Schutz vor zu großer Einflussnahme von außen. Die institutionellen Träger der Fueros waren v.a. die in regelmäßigen Abständen stattfindenden Volksversammlungen, die sog. Juntas Generales.
Das Foralsystem beinhaltete vor allem regionale Selbstverwaltungsorgane, die - allerdings nur formal - der königlichen Bestätigung bedurften. Die Fueros erlaubten die völlige wirtschaftliche Freiheit und Steuerfreiheit, wodurch das Baskenland zu einer Art Freihandelszone wurde. Darüber hinaus waren die Basken vom spanischen und französischen Militärdienst befreit und hatten umfangreiche private Rechte. Zusätzlich verfügten die baskischen Provinzen über ein Veto-Recht, was königliche Anordnungen betraf (Lang, 1988, 21). Der Schwur der spanischen Könige auf die baskischen Fueros und im Gegenzug die Anerkennung des Königs seitens der Basken wurden unter der heiligen Eiche von Guernica über die Jahrhunderte stets erneuert (Schröder, 1997, 626).
Mit Einschränkungen bestanden diese Rechte im südlichen Baskenland bis Ende des 2. Karlistenkrieges 1876.
Das 19. Jahrhundert war geprägt durch den Kampf zwischen Absolutismus und Liberalismus, der seinen Ausdruck in den Karlistenkriegen fand. Liberalismus bedeutete für Hegoalde, das südliche Baskenland, die völlige Eingliederung in den spanischen Staat und damit konsequenterweise den Verlust der Fueros, weshalb die Basken auf Seiten der reaktionären Karlisten kämpften. Der 2. Karlistenkrieg endete jedoch 1876 mit einer eindeutigen Niederlage der Karlisten, und die Fueros in Álava, Vizcaya und Guipúzcoa wurden abgeschafft. Damit war das Zeitalter des Foralwesens endgültig beendet. Die spanische Regierung bewilligte den baskischen Provinzen jedoch eine weitgehende wirtschaftliche Autonomie, die erst 1937 durch Franco abgeschafft wurde.
Von 1876 bis Anfang der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts bildete sich vor dem Hintergrund der Industrialisierung die moderne baskische Gesellschaft heraus. Besonders Vizcaya mit der Hauptstadt Bilbao spezialisierte sich auf die Schwerindustrie; biskainisches Kapital floss in den spanischen Kapitalmarkt und v.a. die baskischen Banken spielten eine entscheidende Rolle in der spanischen Finanzwirtschaft. Die Industrialisierung Guipúzcoas verlief langsamer und die Gebiete Navarra und Álava blieben größtenteils landschaftlich geprägt. In den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts stieg die Bevölkerung der Küstengebiete durch Einwanderung aus baskischen und entfernteren spanischen Gebieten stark an.
Die ideologische Grundlage für den heutigen baskischen Nationalismus schuf Sabino Arana Goiri (1865 – 1903). Seine Ideologie sah das Übel in der Industrialisierung und damit dem Verlust der traditionellen Lebensformen, der spanisch-freundlichen Großbourgeoisie (Lang, 1988, 27), der Abschaffung der Fueros sowie der massenhaften Einwanderung aus nicht-baskischen Gebieten, welche die „Reinheit“ der baskischen Rasse bedrohe. Er schlug eine Föderation der sieben baskischen Territorien vor mit der Möglichkeit, sich vom spanischen und französischen Staat unabhängig zu machen.
Im Jahre 1895 wurde die Baskische Nationalistische Partei EAJ-PNV gegründet (die im Laufe der Jahre allerdings von den rassistischen Elementen der Ideologie Aranas Abstand nahm) und der baskische Nationalismus begann sich zu verbreiten.
Die zweite Republik, die am 14. April 1931 ausgerufen wurde und die Diktatur Primo de Riveras ablöste, bot die Möglichkeit eines Autonomiestatuts für das Baskenland. Es dauerte allerdings bis Oktober 1936, nachdem der Bürgerkrieg schon ausgebrochen war, bis das ausgearbeitete Statut angenommen wurde.
Álava und Navarra standen im Bürgerkrieg auf Seiten der aufständischen Rechten, während Guipúzcoa und Vizcaya für die Republik kämpften. Der Sieg der Rechten und damit die franquistische Diktatur bedeutete besonders für das Baskenland nicht nur eine Zeit der politischen, sondern auch der sozialen und kulturellen Repressionen. Die brutale und systematische Politik der Unterdrückung war zum einen ein Racheakt gegen die „Verräterprovinzen“ Vizcaya und Guipúzcoa, welche die Republik unterstützt hatten, und diente zum anderen dem Ziel, konsequent den zentralistischen Einheitsstaat durchzusetzen. Im Baskenland kam es zu massenhaften „Säuberungen“ in öffentlichen Institutionen und Verwaltungen; die Zeugnisse der baskischen Kultur wurden zerstört oder verboten und die baskische Sprache bei offiziellen Akten sowie in der Öffentlichkeit mit Strafen belegt. Außerdem mussten die hochindustrialisierten baskischen Küstengebiete hohe finanzielle Abgaben für die Entwicklung anderer spanischer Regionen leisten (Bernecker, 1997, 169).
Wie im restlichen Spanien bildete auch das baskische Großbürgertum eine wesentliche Stütze der franquistischen Diktatur.
Nach dem Bürgerkrieg und besonders in den 60er Jahren kam es im Baskenland zu einem großen Bevölkerungswachstum durch Zuwanderung aus ärmeren spanischen Regionen.
Das Baskenland gehörte besonders in den letzten 15 Jahren des Franquismus zu den konfliktreichsten Zonen des Staates, nicht nur durch Arbeiter- und Streikbewegungen, sondern auch durch den Ende der 50er Jahre entstandenen aktiven Widerstand der ETA (vgl. hierzu auch Kapitel 2.3.), so dass sogar die letzten Jahre des Regimes von starker Repression (Massenverhaftungen, Folterungen und Prozesse) geprägt waren.
Nach Francos Tod 1975 setzte die Phase des Übergangs, der sog. transición ein. Die Diktatur wurde allmählich und auf friedlichem Wege umgewandelt in eine parlamentarische Demokratie nach westeuropäischem Vorbild. Am 6. 12. 1978 wurde die heutige spanische Verfassung vom Parlament angenommen. Die Dezentralisierung erfolgte durch die Einrichtung autonomer Regionen, für die Autonomiestatute verabschiedet wurden. Das neue Statut für Euskadi wurde im Oktober 1979, das für die autonome Region Navarra 1982 angenommen.
2.3. ETA
Die ETA (Euskadi Ta Askatasuna = Baskenland und Freiheit) entstand 1959 aus einer kleinen Gruppe Intellektueller, die sich von der PNV-Jugend abgespalten hatte und wurde zum Träger eines aktiven und gewaltsamen Widerstands gegen das Franco-Regime. In den ersten Jahren beschränkte sich dieser Widerstand jedoch auf Wandmalereien, Propaganda und das demonstrative Zeigen der Ikurriña, der im Franquismus verbotenen baskischen Fahne. Im Laufe der Jahre nahm sich die Gruppe Methoden der kubanischen Revolution sowie Lehren des algerischen und vietnamesischen Freiheitskampfes zum Vorbild. Auf dieser Basis wurde eine Guerillataktik ausgearbeitet; das Ziel war ein souveräner baskischer Staat bestehend aus allen sieben Provinzen mit einer sozialistischen Gesellschaftsordnung.
Ab 1967 kam es zu den ersten Bombenanschlägen und im Jahre 1968 wurde zum ersten Mal ein Mitglied der Guardia Civil erschossen. Von da an eskalierte die Gewalt - es kam zu Verfolgungen mit der Polizei, Massenverhaftungen und Prozessen; über die Baskenprovinzen wurde mehrere Male der Ausnahmezustand verhängt. In den damaligen Jahren symbolisierte die ETA noch für einen großen Teil der baskischen Bevölkerung den Widerstand gegen Franco.
Der Burgos - Prozess im Jahre 1970, in dem 15 Etarras vor dem Militärgericht standen, war vom Regime als Schauprozess geplant, doch es gelang den Angeklagten, in ihm das Regime selbst anzugreifen. Dies brachte der ETA nicht nur in Spanien, sondern auch im Ausland große Sympathien ein. Im Dezember 1973 wurde in einem der aufsehenerregendsten Attentate der Ministerpräsident und angehende Franco-Nachfolger Luis Carrero Blanco von der ETA ermordet. Besonders in den letzten Jahren der Franco – Diktatur eskalierte die Gewalt und auch nach 1975 kam es zu zahlreichen Attentaten, Entführungen und Bombenanschlägen seitens der ETA, allerdings auch wiederholt zu Toten durch Schüsse und Eingriffe der spanischen Polizei, so dass viele Basken der Meinung waren, auch nach Franco habe sich für sie nicht viel geändert.
Da das Autonomiestatut keine Selbstbestimmung des baskischen Volkes enthielt, nur im Rahmen der spanischen Verfassung Gültigkeit hatte, außerdem die Stationierung staatlicher Sicherheitskräfte im Baskenland erlaubte und die Ziele der Organisation daher nicht erreicht wurden, setzte ETA auch in den folgenden Jahren die Terrorkampagne fort. Allein zwischen 1978 und 1980 wurden 253 Personen ermordet und die spanischen Gefängnisse füllten sich wieder mit ETA-Häftlingen.
Besonders in den letzten Jahren - und vor allem nach Ende des Waffenstillstands im Jahre 1999 - sind die Attentate immer wahlloser geworden. Richteten sich diese zunächst gezielt gegen Repräsentanten der Staatsgewalt (Nationalpolizei, Guardia Civil, Militär), so befinden sich heute unter den Opfern auch Politiker, Mitglieder der autonomen baskischen Polizei Ertzaintza, Journalisten und in Ausnahmefällen sogar Privatpersonen. Die öffentliche Meinung in Spanien und mehrheitlich auch im Baskenland besteht heute in einer deutlichen Ablehnung der ETA und ihren terroristischen Methoden, was die zahlreichen Demonstrationen in ganz Spanien, die vielen Friedensgruppen und die Solidaritätskundgebungen mit den Familien der Opfer beweisen.
2.4. Zur politischen Situation im Sommer 2000
2.4.1. Interessenkonflikte zwischen Nationalisten und spanischer Zentralregierung
Die baskischen Nationalisten waren aufgrund verschiedener Artikel gegen den Verfassungsentwurf von 1978 gewesen. Besonders unannehmbar erschien Artikel 2, in dem die unauflösbare nationale Einheit betont wird: La Constitución se fundamenta en la indisoluble unidad de la Nación española, patria común e indivisible de todos los españoles, ... Die Autonomiefrage wurde zudem regionalistisch, nicht föderalistisch gelöst (Bernecker, 1997, 248). Die Verfassung wurde von der Mehrheit der Spanier angenommen, im Baskenland jedoch insgesamt abgelehnt (Kasper, 1997, 186).
Lang erklärt das Andauern des Radikalisierungsprozesses im Baskenland auch nach dem Tode Francos vor allem mit der Verweigerung des Selbstbestimmungsrechtes und der Durchsetzung einer Verfassung für das baskische Volk, welche diese gerade abgelehnt hatte (1988, 395).
Das Recht auf Selbstbestimmung wird den Basken auch heute noch weder vom spanischen noch vom französischen Staat zugestanden (Kasper, 1997, 218), was von ETA und EH, dem politischen Arm der Organisation, als die eigentliche Ursache des Problems bezeichnet wird (vgl. auch Arnaldo Otegi in der Parlamentsdebatte).
Das ausgearbeitete Autonomiestatut wurde in einigen Punkten von der Regierung zwar abgeändert, aber dennoch von allen baskischen Parteien - bis auf ETA und die sie unterstützende radikale linksnationalistische Partei Herri Batasuna - positiv aufgenommen und im Oktober 1979 angenommen. Im Einklang mit der spanischen Verfassung erlaubt es eine weitgehende Selbstregierung sowie eine weitgehende Finanzautonomie, das Hoheitsrecht über Justiz- und Erziehungswesen, eine autonome Polizei sowie weitreichende Kompetenzen im kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich (Bernecker, 1997, 249/50). Trotz der über 20 Jahre, die mittlerweile nach der Annahme des sog. Statuts von Guernica vergangen sind, bleiben allerdings verschiedene Punkte des Abkommens unerfüllt (Arregi, 2000, 78).
Die radikale Linke erkennt bis heute weder die Verfassung noch das Autonomiestatut an und tritt weiterhin für einen Zusammenschluss aller sieben historischen Provinzen unabhängig von Spanien und Frankreich ein. Als politische Einheit hat das Baskenland in dieser Form allerdings nie existiert (Brinck, 1995, 30). Die PNV ihrerseits als christliche und demokratische Partei der Mitte befürwortet einen Staat der autonomen Regionen unter Stärkung der politischen Autonomie und der Selbstregierung und –bestimmung des baskischen Volkes (ebenda, 86). Es bestehen also auch deutliche Differenzen der gemäßigten und radikalen Nationalisten untereinander.
Ein weiterer Punkt, der unablässig zu Demonstrationen der radikalen Linken sowie deren Familienangehörigen führt, ist die Lage der politischen Gefangenen, die gezielt auf spanische Gefängnisse im gesamten Staat und auf die Inseln verteilt sind, um diese von ihren Wohnorten zu entfernen und den Kontakt untereinander zu erschweren. Zwar ist diese Politik verfassungswidrig (Kasper, 1997, 204), wird aber aufgrund der außergewöhnlichen Umstände sowohl von den meisten Politikern, Massenmedien sowie der (spanischen) öffentlichen Meinung akzeptiert. Hinzu kommt, dass es in spanischen Gefängnissen und bei Verhören auf Polizeirevieren wiederholt zu Misshandlungen und Folterungen der Häftlinge gekommen ist.
Die Politik der konservativen Regierung unter Regierungspräsident José María Aznar ist hauptsächlich durch repressive Maßnahmen gegen ETA und ihr ganzes Umfeld geprägt. Man sei nicht bereit, sich den Terroristen zu beugen, denn Friede und demokratische Grundrechte seien nicht verhandelbar und Gewalt zur Erreichung politischer Ziele ein illegitimes Mittel. Es wird der „Ausnahmezustand“ betont, in dem sich das Baskenland durch den Terrorismus, den Straßenkampf (bask.: kale borroka) der radikalen Jugendlichen, die „Revolutionssteuer“ und vor allem durch die Bedrohung von Politikern und Journalisten seitens der ETA befinde. Viele der Politiker und auch andere Personen des öffentlichen Lebens sind auf persönliche Leibwächter angewiesen. Die spanische Zentralregierung sieht eine Lösung der Baskenfrage ausschließlich innerhalb des Rahmens der bestehenden Verfassung und des Autonomiestatuts. Die Bekämpfung des Terrorismus’ erfolgt vor allem vía policial, also durch die staatlichen Sicherheitskräfte und das Strafsystem.
2.4.2. Declaración de Lizarra und der Waffenstillstand
Am 12. September 1998 wurde das sogenannte Abkommen von Lizarra-Garazi bzw. Estella von den Parteien PNV (Partido Nacionalista Vasco), EA (Euskal Alkartasuna), IU-EB (Izquierda Unida – Ezker Batua), der EH (Euskal Herritarrok, früher Herri Batasuna) sowie verschiedenen nationalistischen Gruppen unterschrieben. Das Abkommen nimmt sich den nordirischen Friedensprozess zum Vorbild mit dem Ziel, den baskischen Konflikt zu lösen. Seinem Wortlaut nach handelt es sich um einen historischen und vor allem politischen Konflikt, in den sowohl der spanische als auch der französische Staat involviert seien und der einer politischen Lösung bedürfe.
Der Pakt spricht sich explizit für den Dialog und für Verhandlungen über die Zukunft des Baskenlandes aus. Die Bürger von Euskal Herria sollten hier (im Sinne eines Referendums) das letzte Wort über ihre Zukunft behalten. Es wird ausdrücklich die Notwendigkeit der Abwesenheit jeglicher Gewalthandlungen für den Zeitraum des Verhandlungsprozesses betont.
Vor allem die PP und PSOE übten immer wieder scharfe Kritik an dem Abkommen durch die Einbindung von EH und sahen darin eine klare Distanzierung vom Pakt von Ajuria Enea, der im Januar 1988 von allen Parteien des baskischen Parlaments außer HB unterschrieben worden war, um das Parteienbündnis HB, welches ETA unterstützt, zu isolieren. Vor allem wurden der PNV und EA vorgeworfen, zwar einerseits die Gewalt zu verurteilen, andererseits aber – auch im Hinblick auf die anstehenden Wahlen - einen Pakt mit denen einzugehen, die sie unterstützen und rechtfertigen (El Mundo, 17.01.99).
Vier Tage später, am 16.09.98, erklärte ETA einen unbefristeten Waffenstillstand. In einem Kommuniqué an das baskische Volk erklärte die Organisation, man befände sich durch die Veränderung der politischen Lage in einem historischen Moment und in der Hoffnung, das zu erreichen, was nach Franco in der Phase der transición nicht erreicht wurde: die Souveränität des Baskenlandes.
Die Verhandlungen mit der Zentralregierung scheiterten jedoch. ETA kündigte am 28.11.99 das Ende des Waffenstillstands an und warf v.a. den nationalistischen Parteien PNV und EA mangelnde Kooperation sowie eine allzu gemäßigte Haltung und die Nichterfüllung eines Geheimpaktes vom Sommer 1998 vor. Die Organisation betonte, es habe sich nie um einen „Friedensprozess“ gehandelt, wie von diesen Parteien propagandiert worden sei, sondern stets um einen Prozess zur Errichtung der Nationalen Einheit, der nun allerdings zum Stillstand gekommen sei. Die Regierung wiederum warf ETA und dem gesamten radikalen linken Spektrum mangelnde Dialogbereitschaft vor (El Mundo, 27.11.99). Wiederholt wurde behauptet, es habe sich nie um einen ehrlichen Waffenstillstand gehandelt, sondern um eine „Falle“, eine tregua trampa, welche die Terrororganisation genutzt habe, um sich zu reorganisieren.
2.4.3. Parteienlandschaft Euskadis nach den Wahlen 1998
Im baskischen Parteienspektrum sind zum einen die zentralistischen Parteien, die in ganz Spanien vertreten sind, und zum anderen die nationalistischen Parteien zu unterscheiden (Kasper, 1997, 192). Das rechte Spektrum bilden dabei die zentralistische Volkspartei PP (Partido Popular) und die alavesische Regionalpartei UA (Unidad Alavesa).
Links der Mitte befinden sich die radikale, der ETA nahestehende Listenverbindung EH (Euskal Herritarrok = „Wir Baskenbürger“) und die im Baskenland vertretenen gesamtspanischen Parteien IU (Izquierda Unida = „Vereinte Linke“) und PSE-EE (Partido Socialista de Euskadi/ Euzkadiko Ezkerra = „Sozialistische Partei Euskadis“).
Im Zentrum (Mitte-Rechts) befinden sich heute die PNV (Partido Nacionalista Vasco = Baskische Nationalistische Partei) und die sich in den 80er Jahren von ihr abgespaltene EA (Eusko Alkartasuna = „Baskische Solidarität“, Mitte-Links).
Insgesamt kann man von einer deutlichen Mitte-Links-Orientierung der baskischen Wählerschaft sprechen (Kasper, 1997, 192), obwohl gerade in den letzten Jahren besonders die PP an Wählerstimmen gewinnt.
HB bzw. EH lässt sich zwar regelmäßig zu Wahlen aufstellen, lässt die gewonnenen Parlamentssitze dann jedoch leerstehen, da eine Annahme für sie indirekt eine Bestätigung der autonomen baskischen und damit auch spanischen Institutionen darstellen würde. Dies änderte sich nach den Parlamentswahlen vom 25.10.1998, die folgendes Ergebnis brachten:
Die PNV wurde damit zum klaren Sieger mit 21 Sitzen und die PP wird zum ersten Mal mit 16 Sitzen zur zweitstärksten Partei. Gegenüber den vorherigen Wahlen vom Jahr 1994 hatten EH von 11 auf 14 Sitze und die PSE-EE von 12 auf 14 Sitze zugenommen, während die EA zwei Sitze verloren hatte (El Mundo, 26.10.98). Es stellte sich die Frage nach der Regierungsbildung. EH bot PNV und EA erstmals parlamentarische Unterstützung an, um das „Projekt Estella“ weiterzuverfolgen und auszuweiten; PP war nur bereit, eine Koalition einzugehen, wenn die PNV sich öffentlich vom Estella-Pakt distanziert hätte (El Mundo, 27.10.98). Am 29.12.1998 wurde Juan José Ibarretxe zum Lehendakari (baskischer Regierungspräsident) gewählt. Bis Mai 1999 regierten PNV und EA in der Minderheit und schlossen am 19.05.1999 einen Legislaturpakt mit der Parlamentsfraktion EH, durch den sie sich die parlamentarische Mehrheit sicherten (El Mundo, 19.05.99; Fischer Weltalmanach 2000, 739/40). Damit gab es zum ersten Mal eine rein nationalistische Regierungskoalition . Hauptziel des Regierungsbündnisses sei der dauerhafte Friede, der auf politisch-demokratischem Weg zu erreichen sei, erklärte Ibarretxe (El Mundo, 19.05.1999). Fast alle übrigen Parteien übten wiederholt scharfe Kritik an der Aufnahme der „Terroristen“ in das Bündnis; man sprach von einer „nationalistischen Front“ und einer Radikalisierung der gemäßigten nationalistischen Parteien (El Mundo, 20.05.99).
Nach Aufkündigung des Waffenstillstands von ETA und den darauf folgenden Attentaten wurde der Estella-Pakt auch von nationalistischer Seite als gescheitert erklärt. Nach der letzten öffentlichen Debatte trat EH im Sommer 2000 endgültig wieder aus dem Parlament aus. Daraufhin befanden sich PNV und EA wieder in einer Minderheitsregierung, worauf die Opposition vorgezogene Neuwahlen forderte.
3. Kurzes Profil der zu untersuchenden Zeitungen und wirtschaftliche
Interessenlagen
Im Zuge der zunehmenden Medienkonzentration, die heute ganz allgemein in den westlichen Ländern zu beobachten ist, erscheint es sinnvoll, einen kurzen Blick auf die verschiedenen Zeitungen auch in ihrem ökonomischen Zusammenhang zu werfen. Der nicht zu vernachlässigende kommerzielle Aspekt wird auch von Helfrich (1998, 3) betont:
Wenn die Funktion der Medien u.a. also auch in der Verbreitung von Kultur besteht, so darf nicht vergessen werden, dass es sich um eine kommerzielle Unternehmung mit erheblichem ökonomischen Potential handelt. Der mediensprachliche Text muss sich vor den Gesetzen des Marktes, der Einschaltquoten und Auflagen behaupten; demzufolge orientiert sich die sprachliche und bildliche „Produktverpackung“ stark an der Zielgruppe und deren Erwartungen. Insofern ist „Mediensprache“ in Relation zu den Funktionen zu betrachten, denen das „Produkt“ gerecht werden soll.
Es darf nicht vergessen werden, dass hinter den Zeitungen bzw. den großen Medienkonzernen konkrete wirtschaftliche Interessen stehen und die zunehmende Verschmelzung einzelner Medienunternehmen zudem mit einer nicht unerheblichen Machtkonzentration - nicht zuletzt auch über die politische Meinungsbildung des Volkes -verbunden ist. So stellt auch Reig (1998, 69) fest:
Todo indica que nos hallamos en el seno de una pugna por la concentración informativa, por adquirir importantes parcelas de poder que encierran un doble objetivo: el negocio comercial y la influencia sobre las mentes de los ciudadanos con el objetivo de crearles una realidad concreta a través de numerosos mensajes informativos (...).
Es erschien sinnvoll, sowohl auf baskischer als auch auf spanischer Seite jeweils die Zeitungen mit der größten Leserschaft auszuwählen. El País, El Mundo und ABC sind die drei größten und auflagenstärksten allgemein informierenden Zeitungen Spaniens (Castellani, 1998, 568) und somit in der Tagespresse die wichtigsten meinungsführenden Presseorgane. Auf baskischer Seite wird zum einen die moderate Tageszeitung El Diario Vasco untersucht, die zusammen mit El Correo Español – El Pueblo Vasco die auflagenstärkste Zeitung im Baskenland darstellt (El Diario Vasco besitzt mit 309.000 Lesern die größte Leserschaft in Guipúzcoa, El Correo mit 475.000 Lesern in Alava und Vizcaya). Zum anderen sollen Deia, das der Partei PNV nahestehende Presseorgan, und gara, die der linksradikalen Listenverbindung EH nahestehende Zeitung, in die Untersuchung einbezogen werden.
3.1. El País
Die Zeitung El País wurde im Mai 1976, nur wenige Monate nach Francos Tod, gegründet und gilt als die Zeitung der transición schlechthin. Sie gehört zu den 20 größten Tageszeitungen der Welt und ist mit einer Auflagenstärke von 557.197 im Jahre 1999 heute „die wichtigste allgemein informierende Tageszeitung in Spanien, ein Blatt mit fast unbestrittener Autorität, ... und gleichzeitig Modell für ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen“ (Castellani, 1998, 574). El País ist eine Tageszeitung mit überregionaler bzw. gesamtspanischer Verbreitung, die – im Gegensatz zu den Zeitungen mit regionalem Charakter - im gesamten Land gelesen wird.
Die Zeitung gehört zum liberalen Medienkonzern PRISA, dessen politische Richtung von konservativen Kreisen mit der sozialistischen Linken (PSOE) identifiziert wird (Spangenberg, 612). Vorsitzender von PRISA ist der den Sozialisten nahestehende Jesús Polanco (Scotti-Rosin, 1998, 55). Die Gruppe PRISA besitzt außer El País die Wirtschaftszeitung Cinco Días, Anteile der Sportzeitung As sowie die Sociedad Española de Radiodifusión (SER) mit mehr als vier Millionen Hörern. Des Weiteren ist PRISA Aktionärin britischer, portugiesischer und mexikanischer Zeitungen und ist zu 25% am spanischen Pay-TV-Sender Canal + beteiligt (Castellani, 1998, 574).
3.2. El Mundo
El Mundo wurde im Oktober 1989 gegründet und gilt als konservative Zeitung, die sich politisch und wirtschaftlich eher rechts positioniert. Die Zeitung befindet sich in einer klaren Konkurrenzsituation und im Medienwettbewerb zu El País. Zu den Marktstrategien bei der Einführung gehörten vor allem Feldzüge gegen Korruption in Politik, Finanz oder Justiz und das Konzept des „Enthüllungsjournalismus“. Die Zeitung positionierte sich stets in Gegnerschaft zu den bis 1996 regierenden Sozialisten und profitierte auf diese Weise lange Zeit von dem „Status als kritische Stimme gegenüber der amtierenden Regierung“ (Castellani, 1998, 576-78). El Mundo gehört zur Mediengruppe Unidad Editorial, 45% der Aktien besitzt jedoch die italienische Gruppe Rizzolo-Corriere della Sera. Für Spanien besitzt sie die Exklusivrechte für die Kooperation mit der Mailänder Tageszeitung, darüber hinaus mit dem französischen Libération und dem britischen Guardian (ebenda, S. 579). Wie El País und ABC bietet sie Regionalausgaben für das Baskenland und steht mit einer Auflagenstärke von 378.761 im Jahre 1999 an dritter Stelle der Rangfolge der spanischen Tageszeitungen.
3.3 ABC
ABC ist die einzige dieser drei größten überregionalen Tageszeitungen, die bereits vor der Demokratie und sogar noch vor dem Franquismus 1905 gegründet wurde, und gilt als das „Flaggschiff der konservativen Presse des Landes“ (Scotti-Rosin, 1998, 52).
Zunächst galt ABC als eindeutig monarchistische Zeitung mit antirepublikanischer Linie sowie einer klaren Position gegen die Linke und bezog seine Leserschaft aus der konservativen Mittel- und Oberschicht des Landes (Bernecker, 1990, 11). Während des Bürgerkrieges gab es eine franquistische und eine republikanische Ausgabe; nach 1939 wurde wieder eine monarchistische Linie verfolgt. Die Zeitung hatte während der transición einen hohen Auflagenrückgang zu verzeichnen und gewann erst in den 80er Jahren wieder an Bedeutung (ebenda, 11). ABC gehört zur Mediengruppe Prensa Española, S.A. und ist heute nach El País die Zeitung mit der zweitgrößten Auflagenstärke (382.414 im Jahre 1999).
3.4. El Diario Vasco
Die erste Ausgabe von El Diario Vasco erschien bereits im November 1934 in San Sebastián (Coca/Martínez, 1992, 60). Die Tageszeitung ist fast ausschließlich auf die Provinz Guipúzcoa beschränkt und gehört heute zum spanischen Medienkonzern Grupo Correo, der mit einem Marktanteil von fast 20% eine der größten Mediengruppen Spaniens ist (Reig, 1998, 78). Zu demselben Konzern gehört die Zeitung El Correo mit ihrem Hauptabsatzmarkt in Vizcaya und Álava. Die Mediengruppe hat ihren Schwerpunkt im Norden des Landes, hier besonders im Baskenland, verkaufte aber 1994 einen bedeutenden Teil der Aktien an die Madrider Mediengruppe „Recoletas/Prensa Ibérica“, woraufhin der Konzern heute den Namen „Grupo Correo/Prensa Ibérica“ führt (Scotti-Rosin, 1998, 55). Das Unternehmen beteiligte sich in den letzten Jahren mehr und mehr am audiovisuellen Sektor und gehört z.Z. zu den Hauptaktionären von Tele 5 (Reig, 1998, 78). In allen vier Medienkonzernen PRISA, Unidad Editorial, Prensa Española und Grupo Correo spielen - neben ausländischer Beteiligung - die spanischen Banken in Form von Investitionen und Aktienbesitz eine entscheidende Rolle.
3.5. Deia
Die baskische Zeitung Deia gehört zu Editorial Iparraguirre, S.A.. Der Tag der ersten Ausgabe war der 8. Juni 1977; damit ist Deia die älteste der drei nationalistischen Tageszeitungen des Baskenlandes. Nach der Diktatur Francos ging man davon aus, es gebe für nationalistische Presse eine deutliche Marktlücke, weshalb vor der Markteinführung keinerlei Studien stattgefunden hatten und das Projekt in sehr kurzer Zeit realisiert wurde. Von Anfang an wurde Beiträgen in baskischer Sprache in den verschiedenen Sektionen Platz eingeräumt. In allen liegt ein deutlicher Schwerpunkt auf der Lokalberichterstattung. Grundidee der Zeitung ist die eines moderaten Nationalismus; die Zeitung identifiziert sich mit der politischen Linie der Partei PNV (Coca/Martínez, 1992, 51-57). Obwohl die PNV seit den ersten autonomen Wahlen immer als Sieger hervorgegangen ist, besitzt Deia paradoxerweise nicht eine entsprechende Leserzahl und rangiert mit 73.000 Lesern im Jahr 1999 erst auf dem vierten Platz nach El Correo, El Diario Vasco und gara (www.eustat.es/spanish/estad/tablas/tb10000400/tbl468.html, 21.03.01). Zu dieser Situation bemerkt Morán (1988, 113):
„El panorama que se dibuja en los periódicos vascos es singular. [...] La mayoría política es minoritaria informativamente, y viceversa. No creo que haya algún lugar actualmente donde se dé esta contradicción de manera tan flagrante. (...) Para el PNV le resultaba una sangrante contradicción el que la inmensa mayoría de sus votantes siguieran fieles en Vizcaya y Álava a El Correo Español y en Guipúzcoa a El Diario Vasco.”
3.6. gara
Die erste Ausgabe von gara (dt.: „Wir sind“) erschien am 30. Januar 1999, 5 1/2 Monate nachdem die baskische Zeitung egin, seit 1977 Medium der baskischen Linken und insbesondere von HB, geschlossen wurde. Gara ist gewissermaßen der Nachfolger und versteht sich als nationale Zeitung im Dienste Euskal Herrias und als Sprachrohr derjenigen, welche die Errichtung der nationalen Einheit befürworten. Damit vertritt die Zeitung ein eindeutig politisches Ziel und erhebt gar nicht erst den Anspruch, unparteiisch zu sein (www.baietz.org/es/media/eh/gara/carac_generales.htm, 10.01.01). Obwohl das Baskische als die nationale Sprache betrachtet wird und viele Artikel auf baskisch erscheinen, besteht der Hauptteil der Zeitung aus spanischen Beiträgen. Dies sei zwar ein Widerspruch, so die Chefredakteurin Aizpurua, aber gleichzeitig eine notwendige Anpassung an die soziale Realität des Baskenlandes, in der sich der Gebrauch der baskischen Sprache erst langsam wieder „normalisiere“. Die Zeitung habe die Lücke von egin geschlossen und sei damit wieder ein deutlicher Gegenpol zu dem spanischen „Medienmonopol“. Gara gehört zur Aktiengesellschaft E.K.H.E. ( Euskal Komunikabi-deen Hedapenerako Elkartea/Sociedad para la Difusión de Medios Vascos) und ist mit 109.000 Lesern im Jahre 1999 nach El Correo und El Diario Vasco die meistgelesene Zeitung.
4. Begründung der Auswahl der Quellen und methodische Überlegungen
Ein Problem bei der Auswahl der Untersuchungsmaterialien stellte die wahre „Flut“ an Artikeln zur Situation im Baskenland in allen Zeitungen dar, zumal gerade der September 2000 sich als ein sehr „ereignisreicher“ Monat erweisen sollte: mehrere Morde und Attentatsversuche seitens der ETA, mehrere Demonstrationen sowohl der Terrorismusgegner als auch seitens EH und Gestoras pro Amnistía (die in einem Fall sogar aufeinanderstießen, sich verbale Attacken lieferten und von der Ertzaintza getrennt werden mussten), die Debatte zur politischen Situation im Parlament von Vitoria, der Parteitag der PNV, Misstrauensvoten seitens PP und PSOE im Parlament, ein offizieller Akt zur Ehrung der Terrorismusopfer sowie Festnahmen von ETA-Anhängern.
Es erschien daher sinnvoll, sich auf zwei Ereignisse zu beschränken und darüber hinaus, im Hinblick auf die Ausarbeitung der kommunikationspolitischen Linie der Zeitungen, diese so auszuwählen, dass von Meinungsgegensätzen in den Medien zumindest ausgegangen werden konnte. Ein Attentat beispielsweise, welches in allen Zeitungen (außer gara) gleichermaßen verurteilt wird, hätte wenig Aufschluss über die Informationspolitik gegeben.
Daher wurde eine Demonstration der Plattform ¡Basta Ya! ausgewählt, die lange vorher schon in den Medien angekündigt wurde und durch die Abwesenheit der Partei PNV für Polemik sorgte. Da die Demonstration gegen ETA unter dem Motto Por la vida y la libertad, defendamos lo que nos une: Estatuto y Constitución stattfand, sah die PNV hierin eine Ideologisierung der Veranstaltung, die sie nicht teilten und an der sie daher nicht teilnahmen. Die Opposition warf der Partei daraufhin vor, nicht einmal die Legitimationsgrundlage ihrer eigenen Machtposition zu unterstützen und die Einheit der demokratischen Parteien zu konterkarieren.
Zum anderen wird die Berichterstattung über die Parlamentsdebatte untersucht, welche alle unterschiedlichen Standpunkte der Parteien enthält und im Anhang als Videoaufzeichnung dokumentiert ist. Beide Ereignisse weisen eine Kommunikationsdichte auf, welche für die Analyse der strategischen Zusammenhänge vonnöten ist. Im Untersuchungszeitraum gibt es jeden Tag mehrere Berichte, Kommentare und andere Beiträge zu beiden Themen.
Ein weiteres Problem im Hauptteil war methodischer Art. Es galt, Systematik in eine Reihe von Faktoren zu bringen: in sechs verschiedene Zeitungen mit den verschiedensten Textsorten (Bericht, Kommentar, Kritik, Reportage...) sowie unterschiedliche sich anbietende methodische Möglichkeiten der Textanalyse. Eine einfache Gegenüberstellung von beispielsweise vier Berichten in allen Tageszeitungen hätte sämtliche zum Thema gehörenden weiteren Beiträge und Kommentare außer Acht gelassen. Vier verschiedene Textsorten im Vergleich wiederum wären auch nicht annähernd repräsentativ gewesen, da man so nur jeweils einen isolierten Kommentar, einen Bericht etc. in jeder Zeitung untersucht hätte. Beides hätte keinen überzeugenden Aufschluss über die kommunikationspolitische Linie der Zeitungen gegeben. Bei Einbeziehung aller Textsorten zu den zwei Themen in ihrem gesamten Umfang (also innerhalb der ganzen Untersuchungswoche) ist auf der anderen Seite wiederum eine Detailanalyse unmöglich. Eine solche Mikroanalyse des Korpus erscheint aber ohne jegliche Einordnung in einen pragmatischen Kontext nicht sinnvoll.
Das folgende Kapitel ist daher zweigeteilt: Anhand der zwei ausgewählten Themen werden in einem ersten Schritt die Beiträge unter Berücksichtigung der verschiedenen Textsorten sowie der Vor- und Nachberichterstattung in einen inhaltlichen und – wie zu zeigen sein wird – strategischen Zusammenhang eingeordnet, um in einem zweiten Schritt die beiden Ereignisse in allen Zeitungen auf der Mikroebene detailliert zu analysieren. Für diese Detailanalyse werden dann nur noch die Artikel der zwei Tage der eigentlichen Ereignisberichterstattung sowie einige ausgewählte Beiträge der Vorberichterstattung einbezogen.
5. Pressekritik als „strategische“ Analyse kommunikativer Zusammenhänge
5.1. Zum Forschungsstand
Will man eine kontrastive Studie der politischen Berichterstattung in verschiedenen Zeitungen vornehmen, die sich nicht auf eine rein mikrostrukturelle Betrachtungsweise der einzelnen Textsorten beschränkt, sondern die Kommunikationspolitik in einen weiteren Zusammenhang stellt, so findet man, was linguistische Materialien betrifft, noch einen erhebliches Forschungsdefizit vor.
Es existieren zahlreiche Abhandlungen über Sprache und Massenmedien bzw. Massenkommunikation (vgl. auch Lebsanft, Burger, Martínez Arnaldos, Abad Nebot) sowie allgemeine Einführungen in die Mediensprache und linguistische Analysen der Textsorten (Lüger, Straßner, Lebsanft). Es wird untersucht, inwiefern die Zeitungen mit ihren Libros de estilo zur Sprachpflege beitragen (Gillich) und es gibt Untersuchungen zur Dialogtheorie (Bucher, Burger). Vertreter der Critical Linguistics (Good) suchen in ihrer Pressekritik in den Texten ideologische Muster, die textintern anhand lexikalischer Besonderheiten und syntaktischer Formen aufgezeigt werden, dies allerdings in isolierten Beiträgen, die in keinen größeren Zusammenhang eingeordnet werden.
Nach Bucher ist die heutige linguistische Medienforschung gekennzeichnet durch eine „Pragmatisierung“ oder „pragmatische Wende“ (1999a, 213). Damit soll ausgedrückt werden, dass die traditionellen Untersuchungsbereiche der Sprachwissenschaft, Grammatik und Lexik, in den letzten 30 Jahren immer mehr integrativ verwendet und Medienbeiträge als „komplexe Handlungszusammenhänge“ betrachtet werden „und nicht als Gefäße für die Übertragung von Informationen oder Inhalten...“ (1999a, 213). Die sprachlichen Ausdrucksformen werden demnach nicht mehr kontextfrei im Sinne einer bloßen Bestandsaufnahme zusammengestellt und analysiert, sondern es steht eine „systematische Analyse medienspezifischer Zusammenhänge zwischen Formen und Funktionen sprachlicher Ausdrücke“ (213) im Vordergrund. Hinzu kommen eine strukturelle Betrachtungsweise der Medienbeiträge und als entscheidender Faktor das Verhältnis zwischen Text und Kontext (1999a, 213/14).
5.2. Öffentliche Pressekritik
Durch ihre Einbettung in die öffentliche Kommunikation übernimmt die Presse eine wesentliche Rolle bei der Verbreitung von Wissen und Informationen sowie Sichtweisen und Meinungen zu einzelnen Themen (Bucher 1999b, 305).
Eine wichtige Aufgabe und einen allgemeinen Zweck der Presse - neben der Aufgabe des Informierens - stellt damit auch die Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung dar (1991, 6). Das bedeutet wiederum, dass journalistische Maßnahmen die Dynamik eines Geschehens entscheidend mitbestimmen können: „Das Wissen um diese Zusammenhänge, nämlich das Wissen, dass man mit der Presseberichterstattung nicht nur über Politik informieren, sondern, insbesondere in gesellschaftlichen Konfliktsituationen, auch Politik machen kann, ist fast so alt wie die Presse selbst“ (Bucher, 1992, 46).
Diese Nutzung der Presseberichterstattung zu informationspolitischen Zwecken hat auf Seiten der Rezipienten ihr Gegenstück in der Pressekritik. Diese zeigt auf, wo und vor allem auf welche Weise Informationspolitik betrieben wird und ideologische Implikationen vorhanden sind. Dadurch besitzt sie die Möglichkeit, ihre Wirkung zu hemmen. Eine solche Kritik kann man daher auch als strategisch bezeichnen, da sie die Verfahren analysiert, mit denen Zeitungen versuchen, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen (1991, 6/7).
In seiner Abhandlung zu Presse und Informationspolitik stellt Bucher einige Punkte zusammen, die Anforderungen an eine sprachwissenschaftlich fundierte Pressekritik darstellen. So soll beispielsweise nicht eine „synchrone Bestandsaufnahme“ von sprachlichen und pressespezifischen Merkmalen einzelner Beiträge im Vordergrund stehen, sondern ihre Funktion in öffentlichen Kommunikationszusammenhängen.
Die informationspolitischen Absichten und journalistischen Verfahren, die der Einflussnahme dienen, sollen durch eine beitragsübergreifende Sichtweise rekonstruiert werden, die - was eine Betrachtung isolierter Beiträge nicht zu leisten vermag - ein Handlungsmuster erkennen lässt. Als methodisches Prinzip bietet sich für eine solche Pressekritik die vergleichende Analyse anhand verschiedener Zeitungen an (1991, 8/9).
Die unterschiedlichen Formen der bestehenden Pressekritik werden von Bucher hinsichtlich ihrer Funktionalität und Zweckmäßigkeit für eine solche Aufgabe beurteilt, wobei er sich für die kritische Kommunikationsanalyse entscheidet, welche die wichtigsten Aspekte der verschiedenen Formen vereinigt und deren Aufgabe er folgendermaßen zusammenfasst:
Pressekritik ist die Rekonstruktion informationspolitischer Zusammenhänge mit sprachwissenschaftlichen Mitteln. Der sprachwissenschaftliche Charakter einer solchen Analyse zeigt sich in der Systematik der Aspekte, unter denen die Informationspolitik einer Zeitung beschrieben wird (1991, 35).
Dabei werden nicht die Handlungen der einzelnen Journalisten betrachtet, sondern das Ergebnis des gesamten „Kollektivs“. Wichtig ist auch, dass mit Informationspolitik nicht unbedingt ein von diesem Kollektiv geplantes Ergebnis sein muss: „Mit Informationspolitik sind die Muster gemeint, die in der Berichterstattung einer Zeitung im Hinblick auf eine Zielorientierung erkennbar sind“ (1991, 37).
Als Grundlage für die Analyse der Pressebeiträge in diesem Kapitel dient das Raster Buchers, welches in den einzelnen Schritten vorher kurz erläutert wird sowie die zugrundeliegende Fragestellung: „Welche informationspolitischen Verfahren nutzen die einzelnen Zeitungen, um mit der Ereignisberichterstattung die öffentliche Meinungsbildung zu den virulenten Themen zu beeinflussen?“ (1991, 48).
5.3. Die Ereignisdarstellung als Strategie
Bei den „Strategien der Ereignisdarstellung“ (Bucher, 1991, 51) geht es um die Art und Weise, in der die journalistischen W-Fragen beantwortet werden, die konstitutiv für jeden Bericht sind: „Wer hat wann und wo was getan, evtl. wem angetan, weshalb und was folgt daraus“ (Straßner 2000, 75). Die zentrale Bedeutung dieser Fragen resultiert aus ihrem Klassifizierungscharakter, denn die Beantwortung leistet zugleich einen Beitrag zu der Erklärung des Ereignisses. Das bedeutet, dass die Fragen je nach dem zugrundeliegenden Verständnisses des Ereignisses verschieden beantwortet werden, wobei die Synchronisation der Antworten eine informationspolitische Maßnahme darstellt, die weitere Darstellungsstrategien vorbereitet (Bucher, 1991, 51/52). In den sechs untersuchten Zeitungen finden sich zum Teil höchst unterschiedliche Sichtweisen und Darstellungen der Debatte im Parlament von Vitoria, was in den folgenden Kapiteln deutlich werden wird:
(1) Die Parlamentsdebatte als Zeugnis der Unglaubwürdigkeit und Regierungsunfähigkeit des Präsidenten Juan José Ibarretxe und seiner Koalition sowie die Notwendigkeit vorgezogener Neuwahlen (EL PAIS, EL MUNDO, EL ABC)
(2) Die Debatte als Zeugnis der verhärteten Fronten zwischen den Parteien und die Möglichkeit vorgezogener Neuwahlen zur Auflösung
der „Blockade“ (DIARIO VASCO)
(3) Die Debatte als Bild eines überzeugenden Regierungspräsidenten und die spanischen Parteien als Schuldigen der Konfrontation (DEIA)
(4) Die Parlamentsdebatte als Zeugnis der Ohnmächtigkeit und Nachgiebigkeit Ibarretxes gegenüber den spanischen Parteien (GARA)
5.3.1. Aufmacherstrategien
5.3.1.1. Parlamentsdebatte
Die verschiedenen Verständnisse des Ereignisses, die von besonderer Relevanz für die Berichterstattung in den Zeitungen und daher auch bedeutsam für die öffentliche Meinungsbildung sind, werden bereits in den jeweiligen Aufmacherschlagzeilen vom 23.09. eingeführt:
El País:
El “lehendakari” extiende a todos los partidos la responsabilidad de la crisis
Ibarretxe admite como inevitable el adelanto de elecciones en el País Vasco
Los socialistas presentan una moción de censura y el PP anuncia que lo hará el lunes
El Mundo:
Ibarretxe no convence a nadie y PSOE y PP presentan mociones de censura
El “lehendakari” fracasa en su oferta de abrir “una nueva etapa”, pese a su discurso moderado y de defensa del Estatuto – La oposición le contesta que si fuera sincero estaría en la manifestación de hoy – EH deja una “mano tendida” para volver a pactar con PNV y EA
ABC:
Socialistas y populares responden con la censura a Ibarretxe
El PNV, abocado a disolver la Cámara – La oposición prepara un gobierno “fuerte, plural y que lidere”
El Diario Vasco:
Ibarretxe se resiste a convocar elecciones y PP y PSE anuncian sendas mociones de censura
El lehendakari propuso un pacto sobre el Estatuto y el proceso de Paz – La oposición condicionó el apoyo a ese plan a un adelanto electoral
Deia:
Un sólido Ibarretxe emplaza a PSE y PP al debate que ayer rehuyeron
Ambos obviaron la política general y se basaron en el desgaste y las mociones de censura
gara:
Ibarretxe presenta una propuesta y pospone su decisión a un nuevo pleno
El lehendakari condiciona la convocatoria de elecciones a la respuesta de PP y PSOE
Ohne jetzt schon näher inhaltlich auf die verschiedenen Ausdrücke eingehen zu wollen, wird hier schon deutlich, dass offensichtlich große Unterschiede in der Beurteilung der Verhaltensweise des baskischen Regierungspräsidenten (überzeugend oder unglaubwürdig, aktiv oder passiv) bestehen. Durch eine solche „Klassifizierung” (Bucher 1991, 53) wird die folgende Berichterstattung determiniert. Die jeweilige Sichtweise des Ereignisses, die mehr oder weniger deutlich bereits an den Aufmachern zu erkennen ist, zieht sich durch alle weiteren Beiträge der jeweiligen Ausgabe. Diese beitragsübergreifenden Zusammenhänge werden recht deutlich an einer Gegenüberstellung der weiteren Schlagzeilen in den Ausgabe von El Mundo und Deia vom 23.09.2000:
EL Mundo:
(a) La desesperada maniobra de un “lehendakari” increíble (Leitartikel, S. 3)
(b) PP y PSOE no creen en el discurso de Ibarretxe y le presentan sendas mociones de censura (Bericht, S. 8)
(c) La soledad del “lehendakari” (Kommentar, S. 8)
(d) Múgica exige la dimisión del lehendakari (Bericht, S. 9)
(e) El Gobierno ve “incapaz” a Ibarretxe de afrontar el problema terrorista (Bericht, S. 10)
Deia:
(a) Dialogo de sordos (Leitartikel, S. 16)
(b) Ibarretxe emplaza a PP y PSE a que contesten en el Parlamento al debate que ayer rehuyeron
(Bericht, S. 22)
(c) Ibarretxe pide un compromiso con el respeto al marco jurídico y la voluntad de los vascos (Bericht, S. 23)
(d) La implantación de una “renta universal”, propuesta del gobierno a medio plazo (Bericht, S. 23)
(e) Credibilidad (Kommentar, S. 30)
Die Schlagzeilenzusammenstellung liest sich in beiden Fällen kohärent und inhaltlich ohne Widersprüche. Während die Darstellung in El Mundo eines „auf verlorenem Posten“ stehenden Präsidenten die Misstrauensvoten und die Forderung nach Neuwahlen verständlich erscheinen lässt, wirken selbige völlig unnötig angesichts eines überzeugenden und „aktiven“ Regierungspräsidenten in Deia. Wie beide Sichtweisen weiterverfolgt werden, wird unter anderem in den kommenden Kapiteln zu klären sein.
5.3.1.2. Demonstration
Ähnlich stark wie bei der Debatte weichen auch die Darstellungen und Meinungen über die einen Tag später stattfindende Demonstration gegen ETA und für die spanische Verfassung sowie das Autonomiestatut voneinander ab. Auch in diesem Fall werden die Indizien hierfür schrittweise aufgezeigt werden:
(a) Die Demonstration als Bekenntnis der großen Mehrheit des Volkes gegen ETA und für die spanische Verfassung sowie das baskische
Autonomiestatut als Garanten der Freiheit (EL PAÍS, EL MUNDO, ABC)
(b) Die Demonstration als Bekenntnis der großen Mehrheit des Volkes gegen ETA und für Frieden und Freiheit (DIARIO VASCO)
(c) Die Demonstration als Provokation gegen die PNV und den baskischen Nationalismus und als Ausdruck einer fremden Ideologie (DEIA)
(d) Die Demonstration als Ausdruck der Unterdrückung durch den spanischen Staat und gegen das „nationale Projekt“ Euskal Herrias (GARA)
Ein Vergleich der Aufmacherschlagzeilen wirft mehrere Fragen auf, nicht zuletzt die nach der Größe und Teilnehmerzahl der Demonstration:
El País:
Un clamor contra ETA recorre San Sebastián a la voz de ¡basta ya!
Más de 100.000 persones se manifiestan por la Constitución y el Estatuto
El Mundo:
La mayor manifestación de la historia de San Sebastián planta cara a ETA
La marcha de decenas de miles de personas iba encabezada por familiares de las víctimas
ABC:
La multitudinaria manifestación de San Sebastián impulsa un nuevo ciclo político y social en el País Vasco
El Diario Vasco:
Multitudinaria manifestación por la vida y la libertad en San Sebastián
La marcha se convirtió en un homenaje a las víctimas de ETA/ ¡Basta Ya!: Ha sido un triunfo sin armas contra las armas/ PP y PSOE lamentaron la ausencia de los nacionalistas
Deia:
„Basta Ya“ y EH llevan a la calle sus diferentes fines políticos
Mientras, el diálogo y la pluralidad fueron los ejes del homenaje a Juan Mª Jáuregui
gara:
23.000 personas se manifiestan por el Estatuto y la Constitución
Una amplia representación del Gobierno de Aznar y del PSOE acudió a la marcha
Auch hier werden die verschiedenen Auslegungen ausschlaggebend sein für die weitere Berichterstattung. So berichtet El País von mehr als 100.000 Personen, die für die Verfassung und das Autonomiestatut demonstriert hätten; El Mundo spricht von der größten Demonstration in der Geschichte San Sebastiáns, die sich gegen ETA gestellt habe, und ABC kündigt gar den Beginn einer neuen politischen und sozialen Epoche an. Die Aufmacherschlagzeile in gara dagegen liest sich wie eine ernüchternde Herabwürdigung desselben Tatbestands: Lediglich 23.000 Personen hätten an der Demonstration teilgenommen. Betont wird stattdessen im Untertitel die große Anzahl der erschienenen (Regierungs-) Politiker: una amlia representación del Gobierno de Aznar y del PSOE. Deia distanziert sich bereits im Aufmacher von beiden an diesem Tag stattgefundenen Demonstrationen.
Der Aufmacher besitzt eine Schlüsselstellung insofern, als er, wie bereits erwähnt, zum einen die inhaltliche Vorgabe für die weitere Ereignisberichterstattung bildet und zum anderen diese in die gesamte Pressekommunikation einordnet. So können durch Schlagzeilen inhaltliche Zusammenhänge nicht nur innerhalb einer Ausgabe, sondern auch als Fortsetzungszusammenhänge in der Vor- und Nachberichterstattung konstituiert werden. Man spricht auch von der strategischen Nutzung sogenannter Sequenzzusammen-hänge (Bucher, 1991, 53/54). Besonders deutlich zeigt sich dies in der Gegenüberstellung einiger ausgewählter Schlagzeilen von ABC und gara:
ABC:
(a) Un nuevo tiempo (Leitartikel, 24.09.)
(b) Los ciudadanos se echaron a la calle para reclamar un cambio de rumbo político en el País Vasco (Reportage, 24.09.)
(c) San Sebastián fue un clamor en defensa de la libertad, la Constitución y el Estatuto (Bericht, 24.09.)
(d) PP y PSOE afirman que el pueblo vasco se ha puesto frente a un gobierno del PNV “agotado” e “ineficaz” – Subrayan que la manifestación de San Sebastián ha marcado un antes y un después en el País Vasco (Bericht, 25.09.)
gara:
(a) Por la confrontación libre de proyectos (Leitartikel, 24.09.)
(b) De campaña (Kommentar, 24.09.)
(c) Desfile constitucionalista en Donostia (Bericht, 24.09.)
(d) La Guardia Urbana no realizó ningún cómputo de la marcha de Basta Ya (Bericht, 25.09.)
Die Wende oder neue Epoche, die in ABC Thema des Leitartikels ist, wird auch in der Schlagzeile der Reportage aufgegriffen, indirekt durch die Metapher des Eröffnungsberichtes (San Sebastián fue un clamor...), die das große Ausmaß der Teilnehmerzahl ausdrückt, bestätigt und am nächsten Tag durch Zitate der Politikermeinungen unterstützt. Die Schlagzeile des Leitartikels in gara drückt ein angeblich bestehendes Ungleichgewicht des Kräfteverhältnisses aus, was durch die Behauptung im Kommentar (b), es gäbe eine Kampagne (wobei offen gelassen wird, welcher Art) unterstützt wird. Die im Aufmacher vom Vortag eingeführte Behauptung, es hätten nur 23.000 Personen an der Demonstration teilgenommen, wird am folgenden Tag insofern unterstützt, als deutlich wird, dass die Polizei keinerlei Angaben über die tatsächliche Anzahl der Demonstranten hatte und so zumindest nicht das Gegenteil beweisen kann. In beiden Zeitungen finden sich folglich bestätigende Fortsetzungs-geschichten der eingeführten Darstellungsweisen und darüber hinaus eine thematische Einordnung in die allgemeinen Diskussionen: „Neuwahlen im Baskenland“ (ABC) und „Die Unterdrückung durch den spanischen Staat“ (gara).
5.3.2. Ereignisdarstellung und Ereignisbezug
In diesem Kapitel soll untersucht werden, auf welche Weise in den verschiedenen Berichten die wesentlichen Fragen beantwortet werden, auf die die journalistische Berichterstattung Antwort geben soll. Mit dieser Beantwortung findet indirekt auch eine Erklärung des berichteten Ereignisses statt, da „Was-Fragen“ immer auch in einem engen Zusammenhang mit den „Wie-Fragen“ stehen (Burger, 1991, 51/52). In den Vergleich der Darstellungen werden sowohl die Berichte als auch die Reportagen vom 23.09. über die Debatte und vom 24.09.2000 über die Demonstration vom Vortag einbezogen. Die Kommentare werden in Kapitel 5.5. gesondert betrachtet.
5.3.2.1. Darstellung der Parlamentsdebatte
Die Debatte zur politischen Situation im Parlament von Vitoria fand am 22. September 2000 statt. Am Vormittag hielt Regierungspräsident Juan José Ibarretxe (PNV) eine Eröffnungsrede, in der er Vorschläge für eine Zusammenarbeit zwischen Regierung und Opposition für den Rest der Legislaturperiode formulierte, nachdem EH offiziell schon angekündigt hatte, das Parlament zu verlassen. Am Nachmittag folgten die Reden der jeweiligen Parteisprecher und zum Abschluss eine Stellungnahme Ibarretxes zu den Äußerungen der Politiker. Die Reden und Argumente selbst sind im Anhang aufgeführt, daher soll es im Folgenden darum gehen, was für ein Bild der Debatte in den unterschiedlichen Darstellungen konstituiert wird. Dafür sind die folgenden drei Fragen ausschlaggebend:
(1) Wie wird die Haltung des Regierungspräsidenten dargestellt?
(2) Wie werden die Meinungen der „Gegenseite“ dargestellt?
(3) Zu welchem Ergebnis führte die Debatte?
Zu 1: In allen der drei spanischen Zeitungen findet sich übereinstimmend und vor allem beitragsübergreifend das Bild eines unglaubwürdigen und von aller Unterstützung verlassenen Ibarretxe. ABC betont wiederholt insbesondere die verzweifelte und aussichtslose Lage des Präsidenten, der nicht selten auch persönlich für das „Scheitern“ seiner Koalition verantwortlich gemacht wird.
EH confirma su salida del parlamento vasco y deja en caída libre al gobierno vasco (Imagenes, S. 6, Z. 1) En el debate, los partidos constitucionalistas (PP, PSE y UA) rechazaron de pleno el requerimiento de Ibarretxe de apoyo parlamentario...” (Bericht, S. 17, Z. 16-19) ... “Ibarretxe pone el enésimo foro en su intento de evitar el adelanto de comicios” (Schlagzeile, S. 18) ... “Ibarretxe, en su inmensa y ya terrible soledad, se vió abocado a tener que agradecer a Javier Madrazo “la fortaleza de su discurso” por ser el único portavoz que se avino al diálogo” [...] (S. 20, Z. 22-26) “ ... lo que sí quedó claro es que Ibarretxe „está de pie“, pero ya al borde del abismo (Reportage, S. 20, Z. 65-67) “... se han hecho cosas mal por parte de todos – dijo en relación a la ruptura de la tregua [...]” sin llegar a hablar de errores ni de fracasos personales (“Ibarretxe propone...”, S. 18, Z. 46-53) .
El Mundo und El País unterstreichen ihrerseits hauptsächlich die Unglaubwürdigkeit Ibarretxes und seine erfolglosen Versuche, die Opposition von seinem Willen zum Umschwung und Neuanfang zu überzeugen. Wichtig ist hier auch die Wiederholung dieser Darstellung nicht nur innerhalb der Berichte, sondern berichtübergreifend:
Ibarretxe no convence a nadie [...] El “lehendakari” fracasa en su oferta de abrir “una nueva etapa” (El Mundo, S. 1, Titelschlagzeilen). ...Ibarretxe había defendido, por la mañana, el Estatuto como pacto válido entre el País Vasco y el Estado. Así, PP y PSOE le sugirieron que si quería convencerles de su sinceridad sobre el deseo de cambio, rectificara y acudiera hoy a la manifestación...(S. 8, Z. 28-35). También Redondo Terreros subió a la tribuna para dejar claro que no quería darle la más mínima oportunidad al lehendakari (Bericht, S. 8, Z. 94-97).
...Lo primero que hizo la voz del Gobierno fue restar credibilidad a las propuestas de Ibarretxe...(Bericht, S. 10, Z. 19-21).
PP y PSOE niegan cualquier crédito a Ibarretxe (El País, Schlagzeile, S. 17). Los intentos de Ibarretxe por resaltar los buenos datos económicos y de crecimiento del País Vasco fueron inútiles (Bericht, S. 18, Z. 30-33). La sesión plenaria fue una simple constatación para el presidente vasco de que el giro hacia posiciones más estatuarias de su discurso [...] ya no convencen a nadie (Bericht, S. 17, Z. 132-140).
Interessant im Vergleich zu dieser Darstellung ist die Interpretation der Ereignisse in Deia. Hier wird Ibarretxe als das aktive und handelnde Subjekt begriffen, das die Initiative ergreift und die Oppositionsparteien in die Defensive verweist. Das eigentliche Ergebnis scheint die von ihm einberufene Vollversammlung zu sein, nicht aber die angekündigten Misstrauensvoten, die lediglich als Ausdruck der Missachtung der spanischen Parteien verstanden werden, welche nicht bereit gewesen seien, sich auch nur ansatzweise auf einen produktiven Dialog einzulassen:
El lehendakari, Juan José Ibarretxe, emplazó ayer al PP y al PSE-EE a un pleno monográfico para que presenten cuáles son sus alternativas sobre pacificación y normalización en Euskadi (Bericht, S. 22, Z. 1-6). … “Ni el PP ni el PSE-EE entraron en el debate real de Política General y el lehendakari se encontró inmerso en un “diálogo de sordos” como diría Madrazo. Sólo IU aportó contenidos al debate,... El resto se centró en un lehendakari, y los grupos parlamentarios que le apoyan, PNV y EA (Z. 70-79). [...] Juan José Ibarretxe insistió ayer en la necesidad de habilitar nuevos caminos en la búsqueda de la paz, en base al diálogo. Su invitación quedó formulada, aunque ignorada por la oposición (Z. 100-105, Bericht, S. 22).
Dieses Bild des völligen Desinteresses der Opposition wird unterstrichen durch die Fotografie des Parteivorsitzenden Iturgaiz (PP) inmitten des Artikels, welche diesen während eines Telefonats zeigt und kritisch untertitelt ist mit Iturgaiz habla por teléfono móvil durante la intervención del Lehendakari. Fast das gleiche Foto bildet auch die Mitte des Artikels in ABC; hier allerdings ohne die unterschwellige Kritik: Carlos Iturgaiz, durante la intervención del lehendakari en el Parlamento vasco. Konform mit der bereits zitierten Darstellung Ibarretxes in ABC liest sich dieser Untertitel fast wie eine logische Konsequenz aus dessen Rede.
Die Berichterstattung in gara zeichnet sich insgesamt durch eine auffallende Sachlichkeit aus und distanziert sich von beiden bereits erwähnten Darstellungen. So wird das Bild Ibarretxes hier vielmehr dadurch bestimmt, dass seine Vorschläge durch die Misstrauensvoten der Opposition keine Chance bekamen und ihm nichts anderes übrigbleiben wird, als Neuwahlen anzuberaumen:
Juan José Ibarretxe constató ayer el carácter minoritario de su gobierno y la nula esperanza en revertir la situación en un futuro más o menos cercano, toda vez que PP y PSE anunciaron la presentación de sendas mociones de censura. [...] Su iniciativa fue rechazada y esta circunstancia conllevará, según confesó el propio Ibarretxe, el adelanto de las elecciones (Bericht, S. 14, Lead).
Ähnlich zurückhaltend zeigt sich auch El Diario Vasco (DV). Wie in gara beschränken die sich auf Ibarretxe beziehenden Passagen auf wörtliche Zitate oder aber eine paraphrasierende Wiedergabe seiner Worte.
Zu 2: Insgesamt gesehen ist DV mit vollen sieben Seiten die am ausführlichsten über die Debatte berichtende Zeitung. Die verschiedenen Meinungen werden nicht in einem Artikel gegenüber-, sondern als gesonderte Zusammenfassungen der einzelnen Reden nebeneinandergestellt. So beginnt die Berichterstattung auf Seite zwei mit der Eröffnungsrede des Regierungspräsidenten, die Seiten fünf bis sieben sind den inhaltlichen Kurzzusammenfassungen der verschiedenen Politikerreden gewidmet, um auf der letzten Seite nochmals einige Zitate und Frage-Antwort-Sequenzen zusammenzustellen. Eine „Meinung der Gegenseite“ scheint es in diesem Sinne also nicht zu geben.
Eine ähnliche Zusammenfassung der Reden vom Nachmittag praktizieren auch gara und Deia, wobei gara diesen nur einige kurze Absätze widmet und darüber hinaus bereits in der Schlagzeile die Argumente als im Grunde nicht lesenswert charakterisiert, da sie keinen neuen Informationsgehalt brächten („Nuevo debate, viejos argumentos“, S. 15).
In Deia ist die Darstellung wesentlich ausführlicher, allerdings werden Meinungen, die von der favorisierten (in diesem Fall die der PNV) abweichen, auch optisch sofort durch Gegenargumente „entkräftet“: So findet sich neben den Zusammenfassungen der Reden der Parteivorsitzenden von PP, PSE-EE, UA und IU jeweils ein kurzer Absatz betitelt mit La respuesta de Ibarretxe, in welchem dessen Stellungnahme zu den einzelnen Vorwürfen angeführt wird. Bucher spricht in einem solchen Zusammenhang auch von sog. Gegenstrategien, durch die sich Zeitungen von konkurrierenden Darstellungen abgrenzen (1991, 57). Diese Entkräftung von Gegenargumenten findet sich ebenfalls in den Eröffnungsberichten von Deia und El País:
... PP y PSE-EE, que ayer se acercaron a la Cámara para recordarle a Ibarretxe “que preside un gobierno débil que ha propiciado una sociedad insegura”, le acusó Redondo. “Lo intentamos y fracasamos, pero no tenemos la sensación de habernos equivocado”, replicó Joseba Egibar en su última intervención referida a Lizarra (Deia, S. 22, Z. 82-93).
“Ibarretxe ha colocado a Euskadi en la primera velocidad europea”, dijo Egibar. Una afirmación que el portavoz del PP Carlos Iturgaiz respondió con contundencia: “Resulta patético su optimismo sobre la economía frente al silencio débil respecto a la caída del indicador de la libertad” (El País, S.18, Z. 41-50).
Eine weitere Möglichkeit, die Deia nutzt, sich in ihrer Darstellung von Gegenpositionen zu distanzieren, ist die explizite „Aufdeckung“ und damit beabsichtigte Transparenz angeblicher Strategien der Oppositionsparteien:
Los miembros de EH desfilaron camino de la salida, mostrando casi de forma gráfica el papel de minoría en el que se queda el Gobierno vasco. Este dato aritmético fue el arma dialéctica que utilizaron tanto socialistas como “populares” para subrayar “la debilidad de Ibarretxe”
(S. 22, Z. 59-69).
El acuerdo [A.W.: de Lizarra] suscrito en setiembre del 98 fue el otro gran tema que tanto “populares” como socialistas usaron para intentar poner evidencia la deriva del Gobierno vasco
(S. 22, Z. 93-99).
Eine zusätzliche Möglichkeit, die vor allem von den spanischen Zeitungen genutzt wird, ist die Ironisierung einer konkurrierenden Sichtweise (a) und die Beschränkung beim Zitieren der Argumente der baskischen Politiker auf kritische bzw. ironische Bemerkungen und persönliche Angriffe (b und c), die bewusst isoliert präsentiert werden:
(a) Siempre aporta brillantez, para ambos [A.W.: Redondo e Iturgaiz], lanzar un profundo e indignado lamento por la que consideran campaña de acoso al nacionalismo en la que otorgaron especial protagonismo a los medios de comunicación (ABC, Reportage, S. 20, Z. 38-44).
(b) En el turno de réplica, Ibarretxe puso en duda la capacidad del dirigente del PP para haber sido político en caso de que no hubiera nacido en el tiempo del teléfono móvil que le tiene en permanente comunicación con Madrid. En tono irónico, le preguntó como se atreve a habler de autonomía política (El Mundo, Bericht, S. 8, Z. 84-93).
(c) Egibar ironizó sobre la alternativa que populares y socialistas propondrán como sustituto de Ibarretxe. “Redondo Iturgaiz – Iturgaiz Redondo”, señaló, [...]. Acto seguido les acusó de querer paralizar el país con su estrategia de acoso (El País, Bericht, S.17, Z. 112-121).
Gemeinsam ist den Zeitungen gara, El Mundo und ABC, dass die jeweils favorisierten Meinungen einen wesentlich größeren Stellenwert eingeräumt bekommen, was die Zeilenmenge innerhalb des Eröffnungsartikels anbetrifft. Ein Extrembeispiel hierfür ist gara. In dem eigentlichen Ereignisbericht (S. 14/15) werden die spanischen Parteien PP und PSE-EE nur im Zusammenhang mit den von ihnen angekündigten Misstrauensvoten genannt, deren Argumentation (abgesehen von den kurzen Zusammenfassungen) wird aber regelrecht „ausgeblendet“. Dafür wird das Thema Debatte mit einem extra Artikel über die Äußerungen Arnaldo Otegis, Sprecher von EH, abgeschlossen. Ein weiteres Extrembeispiel ist ABC. Der Eröffnungsbericht erwähnt die präsentierten Misstrauensvoten (Z. 1-5) und die Reden der Sprecher von PP, PSE und UA (Z. 16-42), um im restlichen Artikel näher auf deren Argumentation einzugehen: auf die Argumentation von Carlos Iturgaiz (PP, Z. 43-82), auf die Rede von Nicolás Redondo (PSE, Z. 83-121) und auf die Rede Mosqueras (UA, Z. 122-133). Die Reden der Sprecher von PNV, EA und IU werden in diesem Artikel gar nicht erwähnt.
Zu 3: Das Ergebnis der Debatte stellen in El País, El Mundo und ABC eindeutig die präsentierten Misstrauensvoten und damit die Notwendigkeit vorgezogener Neuwahlen dar. Als einzige Frage bleibt der definitive Zeitpunkt. Zwar gibt es Unterschiede in der Einschätzung der Bereitwilligkeit der baskischen Regierung, diese anzusetzen, doch im Grunde wird die Maßnahme für selbstverständlich erachtet („En medio de esta ofensiva, a Ibarretxe no le quedan demasiadas opciones. Aunque las mociones sean simbólicas [...] el propio lehendakari admitió que el adelanto electoral resulta inevitable“ – El País, Bericht, S. 17). In Deia wird das ganze Thema „Neuwahlen“ nur beiläufig erwähnt und dient ausschließlich der Untermauerung des Vorwurfs der Konfrontation:
PP y PSE-EE pisaron ayer el acelerador de cara a solicitar una convocatoria urgente de elecciones, y desde el PNV, Joseba Egibar, se les contestó que su “intención” no es otra que “impedir que este gobierno funcione” (Bericht, S. 22, Z. 34-41).
Ergebnis ist die von Ibarretxe einberufene Vollversammlung zur Präsentation von Alternativen zu seinen Vorschlägen. Dieselbe Ankündigung wird in El Mundo dargestellt wie die beleidigte Reaktion aus einer Defensivsituation („Por la tarde, ofendido porque ningún partido, excepto IU, había contestado a su proyecto...“, Bericht, S. 8). Beide Ankündigungen finden in gara zwar auch Erwähnung und an anstehenden Neuwahlen wird nicht gezweifelt („Ibarretxe adelantará los comicios tras constatar la falta de apoyo a su nueva iniciativa para la paz“, Schlagzeile, S. 14), doch wird dies nicht als ein Ergebnis im eigentlichen Sinne begriffen. Die Schlussfolgerung ist vielmehr, dass es kein konstruktives Ergebnis gegeben habe:
Al margen de la nueva iniciativa del lehendakari, el Pleno de Política General no trajo consigo grandes novedades y todas las formaciones se limitaron a reproducir argumentaciones ya conocidas de antemano, [...] (Bericht, S. 14, Z. 100-106).
Los portavoces de los grupos parlamentarios reprodujeron en el Pleno de Política General de ayer sus habituales argumentos cuando sobre la mesa figuran cuestiones relacionadas con el conflicto político que vive Euskal Herria. La Cámara vivió un debate que no parecía nuevo (S. 15, Lead).
Die einzige Zeitung, die keine eindeutig klare Linie aufweist, ist El Diario Vasco. Schon der Aufmacher steht im Widerspruch zur Schlagzeile auf der folgenden Seite: „Ibarretxe se resiste a convocar elecciones y PP y PSE anuncian sendas mociones de censura” (S. 1) –„Ibarretxe adelantaría las elecciones si no logra a corto plazo una mayoría estable” (S. 2). Im Aufmacher werden die wichtigsten Aussagen ohne Wertung nebeneinandergestellt; erst in der Kritik Un problema de tiempos wird dann - quasi als Ergebnis - die Einschätzung geäußert, die Blockade zwischen den Parteien sei über kurz oder lang nur durch Wahlen aufzulösen: „Un bloqueo, que más pronto que tarde, va a requerir el anticipo de las elecciones autonómicas como admitía ayer mismo Ibarretxe” (El Diario Vasco, S. 3, Z. 7-10).
5.3.2.1.1. Darstellung von Ereigniszusammenhängen
Bei der Beurteilung von Ereigniszusammenhängen sind für den vorliegenden Fall drei grundsätzliche Variationen zu unterscheiden, die eng mit der Klärung der Schuldfrage zusammenhängen. Variante 1 wird von den spanischen Zeitungen angeboten: Wie durch verschiedenste Ereignisse der Vergangenheit bereits bewiesen wurde, habe die baskische Regierung, die nun noch nicht einmal mehr über parlamentarische Mehrheit verfügt, in den entscheidenden Maßnahmen versagt und sei daher regierungsunfähig und unglaubwürdig geworden. Die logische und demokratische Konsequenz hieraus seien Misstrauensvoten, um ein Zeichen zu setzen und die möglichst kurzfristige Anberaumung vorgezogener Neuwahlen in die Wege zu leiten.
El giro llegó tarde. Los partidos de la oposición le dejaron caer que de haber rectificado hace ocho meses, cuando ETA volvió a los asesinatos [...], quizás su discurso hubiera podido cambiar los parámetros políticos de confrontación. Pero ayer, los partidos le transmitieron con las dos mociones de censura que en este momento sólo existe una posibilidad: la convocatoria de elecciones anticipadas (El País, Bericht, S. 17, Z. 141-154).
Die Variante 2 präsentiert Deia. Was in den spanischen Zeitungen als Folge dargestellt wird, gilt hier als die eigentliche Ursache des Problems: Die Oppositionsparteien versuchten mit allen Mitteln, die nach wie vor leistungsfähige Regierung zu degradieren und zu diskreditieren, um sie am Ende abzulösen. Durch die präsentierten Misstrauensvoten sorgten sie für eine Entzweiung und Blockbildung zwischen nationalistischen und spanischen Parteien; eine Situation, die am Ende zu – eigentlich überflüssigen – Neuwahlen führen müsse.
Ambas formaciones [A.W.: PP y PSE] confirmaron con el anuncio de este recurso [A.W.: las mociones de censura] el divorcio absoluto en el Parlamento vasco entre nacionalistas y no nacionalistas, siendo éstos los promotores de “la necesidad de unas elecciones para superar este gobierno desacreditado”, en una de las descalificaciones hechas por Iturgaiz (Bericht, S. 22, Z. 19-28).
Die Variante 3 aus El Diario Vasco zeichnet sich dadurch aus, dass die relevanten Zusammenhänge ganz einfach nicht beantwortet, sondern offen gelassen werden: Ein Kausalzusammenhang wird gar nicht erst hergestellt, und die Berichterstattung favorisiert eine stark quellenorientierte und eher distanzierte Darstellungsweise. Da in gara die spanischen Parteien aus dem eigentlichen Ereignisbericht größtenteils ausgeklammert werden, wird auch keine Schuldfrage thematisiert. Möglich ist, dass diese im vorliegenden Fall entweder nicht von Interesse ist oder aber – was wahrscheinlich erscheint – von vornherein geklärt ist.
5.3.2.2. Darstellung des Demonstrationsereignisses
Einen Tag später, am Samstag, den 23. September 2000, fand in San Sebastián die von der Bürgerinitiative ¡Basta Ya! schon lange vorher angekündigte Demonstration gegen ETA unter dem Motto Por la vida y la libertad – Defendamos lo que nos une, Estatuto y Constitución statt. Die baskische Regierung hatte angekündigt, aufgrund dieser „Ideologisierung“ nicht an der Veranstaltung teilzunehmen. Für den vorliegenden Fall sind vor allem folgende Fragen relevant:
(1) Warum findet die Demonstration statt und was stellt sie dar?
(2) Wie viele nehmen teil?
(3) Wie werden die Teilnehmer dargestellt?
(4) Wie verläuft die Demonstration?
(5) Warum sind PNV und EA nicht anwesend?
(6) Was hat die Demonstration bewirkt?
Zu 1: Alle spanischen Zeitungen und auch El Diario Vasco stellen einhellig die Demonstration als einen vollen Erfolg dar und betonen wiederholt die überwältigende Resonanz in der Bevölkerung:
San Sebastián vivió ayer la mayor manifestación antiterrorista de su historia (Aufmacher, S. 1, Z.1/2) ... una manifestación histórica contra la violencia de ETA (El País, Bericht S. 18, Z. Lead).
La mayor manifestación de la historia de San Sebastián (El Mundo, Schlagzeile, S. 1).
...la manifestación más numerosa que se recuerda en la ciudad (ABC, Bericht S. 19, Z. 1-3).
... una multitudinaria manifestación que recorrió la ciudad (DV , Aufmacher, S. 1, Z.3/4).
Als Erklärung, um was für eine Demonstration es sich gehandelt habe, ziehen alle vier Zeitungen im wesentlichen das Motto der Veranstaltung heran: Gegen ETA, für die spanische Verfassung und das Autonomiestatut von Guernica, wobei unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. El Diario Vasco unterstreicht den Aspekt „für das Leben und die Freiheit“ sowie den Akt der Ehrung und Unterstützung der Familien der Opfer des Terrorismus. Der Begriff der Freiheit ist ein ganz wesentlicher in El Mundo und El País, wobei entscheidend ist, dass in der Darstellung zwischen der Verteidigung der Freiheit der Bürger und der Verteidigung der spanischen Verfassung ein unmittelbar kausaler Zusammenhang besteht, welcher das Motto der Veranstaltung erläutert:
La defensa de la Constitución es, para las vítimas del terror, la única garantía de protección que tienen frente al miedo y a la incertidumbre sobre la vida física y su supervivencia moral y política (El Mundo, Reportage, S. 14, Z. 75-80).
Die Zeitung ABC geht noch einen Schritt weiter. Hier wird nicht nur das Motto der Demonstration aufgegriffen, sondern diese selbst, in ihrer Verteidigung des „Rechtsstaates“ gegen den „Faschismus“ schon fast wie ein Mittel bzw. wie ein Weg aus dem Terrorismus beschrieben: „Intelectuales, artistas y políticos de todos los signos [...] quisieron acompañar a las víctimas del terrorismo, de la extorsión, de la „kale borroka“ y del miedo“ (Bericht, S. 19, Lead). Doch nicht nur gegen ETA sei demonstriert worden, sondern die Teilnehmer hätten gleichzeitig eine neue politische Epoche einleiten wollen. Diese Behauptung ist Thema einer eigenen Reportage und wird verallgemeinernd schon in der Schlagzeile ausgedrückt: Los ciudadanos se echaron a la calle para reclamar un cambio de rumbo político en el País Vasco (S. 20). Stellvertretend werden dann im Folgenden verschiedene Meinungsäußerungen führender Persönlichkeiten zitiert.
Dass es sich um eine Demonstration gegen ETA handelt, wird in gara fast vollständig ausgeklammert. Die Betonung liegt in den Beiträgen stets auf dem Wofür der Veranstaltung, nämlich auf der Unterstützung der Verfassung und des Autonomiestatuts seitens der Teilnehmer - eine Haltung, die eindeutig negativ bewertet wird („A jalear al Estatuto y la Constitución acudieron gentes de todo tipo“, Reportage, S. 5). Ganz deutlich kommt dies auch in der Karrikatur der Veranstaltung unter dem „Motto“ Por la Constitución inamovible y el Estatuto interminable (S. 19) zum Ausdruck. Ein Wogegen wird anschließend ebenfalls thematisiert. Hier wird deutlich, was angeblich der wahre Grund der Demonstration gewesen sei, nämlich die Verunglimpfung der Repräsentanten der baskischen Regierung und die Forderung nach deren Abdankung:
Y es que tras los lemas más clásicos – „Libertad“ y “ETA asesina“ – llegaron las increpaciones más reveladoras del sentido de fondo de la marcha. „Arzalluz apunta, ETA dispara“, fue el primero. A mitad del recorrido dominaban ya los “Ibarretxe dimisión, viva la Constitución” (Reportage, S. 5, Z. 17-26).
Ironischerweise stimmen damit die Darstellungen gerade in ABC und gara zumindest in gewisser Weise überein, unterscheiden sich aber in der Wertung des Tatbestandes (s.o.). Deia distanziert sich schon im Aufmacher und auch in der Ereignisberichterstattung sowohl von der Demonstration in San Sebastián als auch von der gleichzeitig stattfindenden Demonstration in Zarautz von EH. Die Zeitung berichtet von zwei Veranstaltungen mit völlig gegensätzlichen Vorzeichen und rückt damit in beiden Fällen den politischen Charakter der Ereignisse in den Vordergrund. Indem in beiden Schlagzeilen die jeweiligen Veranstalter als die eigentlichen Verantwortlichen und Initiatoren genannt werden, nimmt das den verschiedenen Teilnehmern indirekt ein Stück ihres in den spanischen Tageszeitungen so oft unterstrichenen couragierten persönlichen Einsatzes.
Zu 2: Sehr interessant und durchaus signifikant sind die Angaben über die Teilnehmerzahl in den verschiedenen Zeitungen, die stark voneinander abweichen. An einigen Stellen wird noch nicht einmal deutlich, aus welcher Informationsquelle die Daten stammen. Gerade der Ereignisbezug stellt aber ein wichtiges Detailwissen für den Leser dar: „Für das Verständnis einer Ereignisdarstellung ist es nicht unerheblich, wie die Information beschafft wurde, von welchen Quellen sie stammt und wie gesichert sie ist. Transparenz der Quellen, der Nachrichtenlage, der Darstellungsperspektive und der Tradierungsgeschichte von Informationen gehören deshalb zu den elementaren Qualitätsanforderungen an eine Zeitung“ (Bucher, 1991, 55). Im vorliegenden Fall steigen die Teilnehmerzahlen von den baskischen zu den spanischen Zeitungen stetig an. Nach eigenen Auszählungen, deren System im Bericht erläutert wird, gibt gara die Zahl der Demonstranten mit 23.000 an ( „...el recuento efectuado por GARA en dos puntos diferentes del recorrido, con el sistema habitual de número de filas por minuto multiplicado por el tiempo total empleado en la marcha, ofreció un resultado de 23.000 manifestantes”, S. 3, Z. 61-69). Es gilt jedoch zumindest zu bedenken, dass es sich bei dieser Informationsquelle nicht um eine unabhängige handelt. Im Aufmacher und im Bericht wird die Zahl wiederholt herangezogen, um die Schätzungen der Polizei zu widerlegen. Überhaupt scheint dieser Umstand, dass nämlich die Resonanz doch nicht so groß gewesen sei wie allgemein behauptet, für den verfassenden Journalisten eine der relevantesten Informationen zu sein. Sie taucht nicht nur in der Aufmacherschlagzeile, sondern auch im Aufmacher selbst, dem Lead des Berichtes und wiederholt auch im Bericht auf; hier bildet sie sogar den einleitenden Satz.
Laut Deia haben nach Angaben der Veranstalter und der örtlichen Polizei 70.000 Personen demonstriert. El Diario Vasco gibt an, die Veranstalter hätten die Zahl 70.000, die Polizei wiederum die Zahl 100.000 genannt. El Mundo und ABC geben die Teilnehmerzahl mit rund 100.000 Personen an, ohne jedoch eine klare Bezugsquelle zu nennen. Im Untertitel des Aufmachers in El País heißt es sogar, es seien mehr als 100.000 gewesen, wobei in den Berichten selbst nach Angaben der Polizei (hier wird eine konkrete Bezugsperson genannt) später wieder von „unas 100.000“ die Rede ist. Gründe für diese Unterschiede können darin liegen, dass von offizieller Seite (wie am folgenden Tag von gara bestätigt wird) in der Tat keine Zählung durchgeführt wurde und Veranstalter sowie Polizei auf Schätzungen angewiesen waren. Da auf diese Tatsache aber gerade in den spanischen Zeitungen nicht hingewiesen oder weiter eingegangen wird, liegt die Vermutung nahe, dass ihnen in diesem Fall an einer quellenkritischen Berichterstattung nicht allzu viel lag.
Zu 3: Die Zeitung El Diario Vasco, in der wieder auf sieben Seiten das Ereignis am ausführlichsten behandelt wird, widmet den Teilnehmern eine eigene Reportage („Porque había que venir“, S. 6/7). Diese zeichnet das Bild entschlossener, couragierter, hoffnungsvoller und optimistischer Bürger, die gegen die Angst und für die Freiheit auf die Straße gehen:
„Cansados por la violencia, esperanzados por la paz, e incluso hartos era como se mostraban algunos de los asistentes (Untertitel, S. 6). [...] todos hacían coincidir en sus afirmaciones una serie de palabras comunes: paz, libertad, tolerancia o contra el fascismo son algunos ejemplos de ello” (Reportage, S. 6, Z. 14-19).
El Mundo und vor allem El País legen die Betonung auf die gegenseitige Unterstützung und vor allem auf den Mut der Teilnehmer, trotz der gegebenen Umstände zu demonstrieren, ihre Meinung kundzutun und für ihre Rechte einzutreten. Die Reportagen sind in beiden Zeitungen sehr emotional und weisen starke inhaltliche Ähnlichkeiten auf. Die jeweiligen Darstellungen werden durch verschiedene Teilnehmerzitate, vor allem aus den Reihen der kulturellen Prominenz, unterstützt und unterstrichen. El Mundo bringt außerdem einen extra Artikel nur über die prominenten Teilnehmer und ABC zitiert in einer zusätzlichen Reportage deren Stellungnahmen.
...una muchedumbre que [...] salió ayer a la calle aguantándose el miedo para rebelarse contra la opresión y el terror... (Z. 5-10). Era una manifestación valiente y, sobre todo, agradecida (Z. 20-22). [...] Pero lo más importante de lo sucedido ayer fue la inyección colectiva de entereza, de respaldo moral, de reconocimiento al valor de todos los que se enfrentan cada día a cara descubierta y con sólo su voz y sus convicciones, a los que les amenazan y les asesinan (Z. 43-54, El Mundo, Reportage, S. 14).
La gente de San Sebastián [...] bajó ayer a la calle a hacer algo tan sencillo en el resto del mundo y tan difícil aquí como pasear a cuerpo y decir lo que piensa (Lead). [...] ...mucha gente desperezando su miedo (Lead). [...] gente corriente, feliz de estar en la calle, diciendo sus verdades a cara descubierta (Z. 9-11, El País, Reportage, S. 19). Sin duda, el protagonismo principal de la marcha fue de los ciudadanos [...] que tomaron las calles en una muestra de civismo y valentía (ABC, Bericht, S. 19, Z. 37-43).
Der sehr sachliche, im übrigen einzige Bericht in Deia beinhaltet eine einfache Aufzählung der wichtigsten und prominentesten Teilnehmer, ohne deren Handlung jedoch in irgendeiner Weise explizit zu bewerten. Von den bereits angeführten Darstellungen der Demonstranten weicht gara am stärksten ab. Hier ist nicht mehr von couragierten und mutigen Bürgern die Rede, sondern die Berichterstattung suggeriert vielmehr ein feindseliges Verhalten von „Kollaborateuren“ der spanischen Regierung, welche Seite an Seite mit den Repräsentanten derselben „marschiert“ seien und auf diese Weise deren Politik rechtfertigen. Die zugehörige Reportage Es que somos españoles zeichnet darüber hinaus ein sehr ironisches und verächtliches Bild der Teilnehmer, die vollkommen ins Lächerliche gezogen werden.
Y al final era cosa más que curiosa ver a un coro de ancianas sin reparo para completar el estribillo con un desaforado “Arzalluz cabrón” (Z. 26-30) [...] ... un ritmo tan cansino que terminó por sumir en la apatía a los participantes. Había excepciones, eso sí, como la de un grupo que trataba de animar el cotarro al grito de “Un bote, dos botes, terrorista el que no bote”. Pocos botaban (Reportage, S. 5, Z. 68-75).
Zu 4: Im Großen und Ganzen sind sich alle Zeitungen darin einig, dass die Demonstration friedlich und ohne nennenswerte Zwischenfälle verlaufen sei. Einige werden beiläufig erwähnt, allerdings ist nicht in allen Darstellungen von denselben Ereignissen die Rede. Was jeweils als Zwischenfall tituliert wird, scheint Auslegungssache je nach zugrundeliegendem Verständnis des Demonstrationsereignisses zu sein. Gara führt einen Zwischenfall an, um die Friedfertigkeit der Demonstranten in Frage zu stellen. Die Zeitung berichtet von zwei Anhängern der Real Sociedad , deren Weg die Demonstration gekreuzt habe und welche den Teilnehmern „Demagogie“ vorwarfen, worauf die Menge äußerst aggressiv reagiert habe: „Babosos“ y „gordos“ fueron las respuestas más suaves para despedirlos (Reportage, S. 5, Z. 114-116).
ABC nennt als einen Zwischenfall die Rufe einiger Demonstranten gegen die Regierung Ibarretxes, als sie am Sitz der PNV vorbeikamen; weiterhin wird ein Jugendlicher erwähnt, der sich den Demonstranten gegenüber durch eine „beleidigende Geste“ provozierend gezeigt habe.
Bezüglich des allgemeinen Klimas ergeben sich wieder im Vergleich mit gara die größten Unstimmigkeiten. Deia bezeichnet den Verlauf der Protestkundgebung schlicht als „normal“ (S. 24, Z. 95/96), ABC berichtet von einer ruhigen Atmosphäre („un clima de tranquilidad“, S. 21, Z. 21/22) und El País von einer deutlich spürbaren Emotionalität bis hin zu einer festlichen Stimmung („ un silencio emocionado“, S. 1, Aufmacher; „una emoción no contenida“, S. 18, Z. 50/51; „muchos manifestantes mostraron un tono festivo y lúdico junto al reivindicativo“, S. 18, Z. 137-139).
Den freien und friedlichen Charakter der Demonstration betont El Mundo in einer Reportage, die hervorhebt, die baskische autonome Polizei habe sich nicht einmal das Gesicht abdecken müssen, so wie bei anderen Einsätzen:
„Con esta gente que está hoy aquí, ¿a qué nos vamos a tapar?” me decía un miembro de la policía autónoma que explicaba así lo que era evidente para todos: hoy no había miedo y por eso tampoco había otras armas que las mínimas y reglamentarias para cualquier cuerpo policial (S. 14, Z. 116-128).
Demgegenüber entwirft gara ein regelrechtes Überwachungsszenario, als sei die öffentliche Sicherheit ernsthaft in Gefahr gewesen und spricht von außerordentlichen Vorsichtsmaßnahmen sowie einer ganzen Gruppe von Polizisten mit Gesichtsmasken:
El desarrollo de la marcha estuvo acompañado de fortísimas medidas de seguridad. A modo de ejemplo, en varios tejados, entre ellos el del Ayuntamiento, se pudo ver a especialistas policiales con miras telescópicas. En la zona del Boulevard llamaba la atención el despliege de agentes antidisturbios. Un grupo de ertzainas encapuchados abrió la marcha, ... (Bericht, S. 3, Z. 104-116).
Gemäß den Darstellungen in ABC, El País und El Mundo seien außerdem die verbalen Protestkundgebungen seitens der Teilnehmer zahlreich und ununterbrochen gewesen (“Durante su recorrido, los gritos y cánticos fueron innumerables”, El Mundo, S. 10, Z. 80-82; „gritos [...] de forma ininterrumpida [...] durante todo el recurrido”, El País, S. 18, Z. 74-82; „Casi en ningún momento el recorrido se realizó en silencio“, ABC, S. 19, Z. 72-73). Laut gara gab es über den Verlauf der Demonstration nicht viel zu berichten; die Reportage erweckt den Eindruck einer Protestkundgebung, welche man durch die Stille, die Schwerfälligkeit und „Apathie“ der Teilnehmer eigentlich gar nicht als solche bezeichnen kann („El zumbido del helicóptero se convirtió durante muchos minutos en el único sonido que rompía las calles“ (S. 5, Z. 56-59), „...un ritmo tan cansino que terminó por sumir en la apatía a los participantes“, S. 5, Z. 68-70).
Zu 5: Eine wirkliche Erklärung für die Abwesenheit der baskischen Regierung liefert keine der Zeitungen. Dies deutet auf eine ausführliche Vorberichterstattung hin, die bereits ein gemeinsames Wissen zwischen den Zeitungen und der Leserschaft aufgebaut hat und in Kapitel 5.6. näher behandelt wird. Berichtet wird stattdessen über die Reaktionen auf diese Entscheidung. In den spanischen Zeitungen wird die Abwesenheit der baskischen Nationalisten meist nur in Nebensätzen erwähnt und dann werden Meinungen prominenter Teilnehmer angeführt, welche ihre Verständnislosigkeit ob dieses Umstandes äußern. Auch DV zitiert verschiedene kritische Äußerungen der Teilnehmer und stellt in einem zusätzlichen Beitrag Politikermeinungen über die Haltung der baskischen Regierung nebeneinander. Außerdem wird der Protest der Teilnehmer gegen die Regierung erwähnt, der auf verschiedenen Schildern zum Ausdruck kam. Uneinigkeit herrscht in den Zeitungen aber bezüglich der Quantität dieser Äußerungen. Während DV ausdrücklich anführt, diese seien die wenigsten gewesen (S. 2, Z. 10), spricht El Mundo von „zahlreichen“ Bürgern, welche die Abdankung Ibarretxes gefordert hätten, und in gara heißt es sogar, ein Hauptziel der verbalen Attacken sei die PNV gewesen, „cuya ausencia fue duramente criticada, y también el lehendakari [...] cuya dimisión fue exigida
insistentemente“ (Bericht, S. 3, Z. 88-91). Diese Kritik seitens der Demonstranten findet in Deia keinerlei Erwähnung. Dafür zitiert die Zeitung verschiedene kritische Äußerungen der Oppositionspolitiker, um anschließend ein Zitat anzuführen, welches der Entscheidung der Partei die Relevanz nimmt. Nur in El País und El Diario Vasco werden zwei Mitglieder der PNV erwähnt, die als Privatpersonen an der Demonstration teilgenommen hatten.
Zu 6: Bei der letzten Frage geht es genaugenommen nicht darum, was für Konsequenzen die Demonstration hatte, sondern ob sie überhaupt welche hatte. Die einzigen Zeitungen, die sich zu diesem Thema äußern und mögliche Auswirkungen andeuten, sind El País, El Mundo und ABC. So sei es der Bürgerinitiative gelungen, die Einwohner aus ihrer „Trägheit“ zu reißen, so El País (vgl. Bericht S. 18, Z. 12/13), und El Mundo deutet an, die Veranstaltung habe dazu beigetragen, die Angst in der Bevölkerung zu mindern. Die allgemeine Stimmung habe Grund gegeben zu der Hoffnung, bald wieder in „Freiheit“ leben zu können (Reportage, S. 14, Z. 135-164). ABC nimmt Bezug auf die im Aufmacher bereits angesprochene politische Wende, welche die Demonstration eingeleitet habe. Dabei werden die übereinstimmenden Zitate einiger Persönlichkeiten hintereinander zusammengestellt, so dass man den Eindruck gewinnt, sie sprächen für die Mehrheit des baskischen Volkes (siehe auch Ibarrola, Savater und Montero auf S. 20). Da aber weder genaue noch verlässliche Angaben über die tatsächliche Zahl der Demonstrationsteilnehmer vorliegen und darüber hinaus rund 200 Busse mit Bürgern aus dem Rest Spaniens gekommen waren , um an der Demonstration teilzunehmen, ist zumindest in Frage zu stellen, ob es sich bei diesem Wunsch nach einem Regierungswechsel tatsächlich um die Meinung der Mehrheit des baskischen Volkes gehandelt hat.
5.4. Konsonanz, Kumulation und Synchronisation
Drei zentrale Begriffe aus der Medienforschung werden von Bucher aufgegriffen und ihre Verwendungsweise innerhalb kommunikationsstrategischer Zusammenhänge geklärt. Diese drei Begriffe sind Konsonanz, Kumulation und Synchronisation. So ist Konsonanz in der Berichterstattung einer Zeitung die Voraussetzung einer „kalkulierten“ Beeinflussung der Meinungsbildung, für welche Kumulation und Synchronisation die geeigneten Mittel darstellen. Fehlende Konsonanz dagegen verhindert eine gezielte Einflussnahme; somit kann man bei den Begriffen von einer Zweck-Mittel-Relation sprechen (1991, 40).
Synchronisation beinhaltet in diesem Zusammenhang die „Kombination komplementärer Verfahrensweisen“ (ebenda, 40). Das kann zeitungsintern die Abstimmung von berichtenden mit kommentierenden Beiträgen oder auch die Abstimmung von Ereignis- und Hintergrundberichterstattung sein. In periodischer Form gibt es auch eine Synchronisation in der Themenbehandlung oder bei Ereignissen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken.
Kumulation stellt ein strategisches Verfahren dar, bei dem journalistische Maßnahmen zur Erreichung informationspolitischer Zwecke zusammengestellt werden. Hierzu gehören beispielsweise die „wiederholte Wiedergabe übereinstimmender Stellungnahmen, die Reihung gleichgerichteter Kommentare oder die kontinuierliche Verwendung bestimmter Ausdrücke“ (ebenda, 40). Die drei Begriffe werden von besonderer Relevanz für die folgenden Untersuchungen sein.
5.5. Strategien des Kommentierens
Kommentierende Beiträge in der Presse haben die Funktion, neben das Faktenwissen auch Orientierungswissen zu stellen (Bucher, 1991, 64). Ausgangspunkt dabei ist meist die Problematisierung eines Sachverhalts, einer Handlung oder Position und zielt in der Regel darauf ab, beim Rezipienten bestimmte Einstellungen zu stützen oder aber zu verändern (Lüger, 1995, 126).
Einen gesonderten Fall des Kommentars stellt der anonyme Leitartikel dar, da er nicht die individuelle Meinung eines Mitarbeiters wiedergibt, sondern die kollektive Position einer Zeitung.: „Der Leitartikel ist damit der prototypische Ausdruck der Gesamtintention eines solchen Unternehmens“ (Lebsanft, 1997, 366). Er leitet den Leser im wahrsten Sinne des Wortes, letzlich auch durch die Linie der Zeitung: „Im Leitartikel wird Politik gemacht“ (Alles über die Zeitung, 13, in: Bucher, 1991, 65). Diese Möglichkeiten der Meinungsbildung des Kommentars hängen eng mit seiner sequentiellen Stellung innerhalb einer Zeitungsausgabe zusammen, da sie im Grunde eine Fortsetzung der Aufmacher und Eröffnungsberichte sind. Durch das Einordnen, Bewerten und Interpretieren kann auf das Berichtete zurückgegriffen und so beispielsweise eine bereits eingeführte Sichtweise legitimiert oder aber auch die Weiterbehandlung bestimmter Themen vorbereitet werden (ebenda, S. 65).
5.5.1. Debatte
Bucher unterscheidet vier grundsätzliche Formen des Kommentierens: Einordnungs- und Erklärungskommentierungen, Auswertungs- und reflexive Kommentierungen, die auch innerhalb eines Beitrags kombiniert werden können und als Mittel der Informationspolitik unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten bieten (1991, 65). So seien beispielsweise reflexive Kommentierungen ein geeignetes Mittel der Verständnisförderung.
In El Diario Vasco knüpfen sowohl der Leitartikel Las cartas boca arriba als auch die Kritik Un problema de tiempos an die distanzierte und quellenorientierte Berichterstattung an, indem von jeglicher Art verbaler Angriffe abgesehen und nicht von vornherein eine eindeutige und einheitlich interpretierendeative Linie vorgegeben wird. Merklich zurückhaltend ist besonders die Kritik Un problema de tiempos, welche gleich auf Seite 3 neben den Eröffnungsbericht platziert wurde und recht unparteiisch die verhärteten Fronten deutlich macht: …el debate sirvió para ilustrar, con crudeza, el cruce de agravios y de reproches que han atenazado la política vasca en los últimos tiempos (Z. 12-16). […] Un escenario de tensión ambiental […] que constata la profundidad política y social de la crisis vasca y la ausencia de unos mínimos compartidos sobre un proyecto de país…(Z. 102-107). Erst im Leitartikel wird die eigentliche Stellungnahme zu den Ereignissen deutlich. Nachdem dieser anfangs noch als Alternative zu den Neuwahlen eine Fortsetzung der Minderheitsregierung in Betracht zu ziehen scheint, wird doch schnell deutlich, dass es sich hierbei um keine reale Alternative handeln kann und wer der eigentliche Urheber der „Blockadesituation“ ist:
Desde que ETA reanudó su estrategia terrorista y el Gobierno Vasco se vio obligado a prescindir del apoyo parlamentario de EH, la errática actitud del lehendakari y la contumacia de los partidos integrantes de su gabinete para no asumir el fiasco y las delicadas consecuencias de su apuesta política, han acabado por diluir las escasas alternativas en las que Ibarretxe había despositado su esperanza de superar la actual situación (S. 32, Z. 54-61).
Am Ende des Leitartikels steht die Erkenntnis, dass Neuwahlen die einzig logische Möglichkeit sein werden, um die „Blockade“ zwischen den Parteien aufzulösen. Die Zurückhaltung in der Kritik und in den Formulierungen kann aber letztendlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die eigentliche Argumentation an dieser Stelle mit der der „spanischen“ Zeitungen identisch ist. Grundsätzlich ist für El Diario Vasco anzumerken, dass nicht alle Kommentare eine einheitliche Linie verfolgen. So gibt es hauptsächlich spanisch-nationalistische, aber auch baskisch - nationalistische Meinungsartikel (vgl. auch Lo que es necesario, lo que es posible von Pello González Argomaniz (EA), 25.09., S. 22).
Die Kommentare in El País, El Mundo und ABC sind gekennzeichnet durch eine völlige Synchronisation mit der Ereignisberichterstattung und unterscheiden sich allenfalls in der Schärfe ihrer Kritik. Da es in einigen Zeitungen neben dem Leitartikel auch noch weitere Kommentare und/oder Kritiken gibt, kann man hier nicht nur von einer Synchronisation mit der Berichterstattung, sondern auch von Kumulation meinungsorientierter Textsorten sprechen. Bei diesen handelt es sich in der überwiegenden Mehrheit um sehr subjektive Erklärungs- und Auswertungskommentierungen. Deutlich wird diese Kombination in El País im Leitartikel Variaciones de Ibarretxe, der angebliche Widersprüche und Irrtümer Ibarretxes aufzeigt sowie Gründe für seine Unglaubwürdigkeit anführt. Das Aufschieben der Wahlen sei in diesem Zusammenhang lediglich eine Taktik, um Zeit zu gewinnen. Wie auch in den Kommentaren von El Mundo und ABC ist die anschließende Schuldzuweisung eindeutig und einseitig:
Ayer, el lehendakari culpó a todo el mundo del fracaso de una apuesta que fue exclusiva de los nacionalistas. Fueron éstos, y no la oposición, quienes relacionaron la solución al problema de la violencia con reivendicaciones propias (El País, Leitartikel, S. 14, Z. 30-34).
Pero sus esfuerzos resultaron inútiles e incluso patéticos. Porque Ibarretxe pareció ser el único en no darse cuenta – o no querer dársela – de que la equivocada estrategia del PNV ha sido lo que ha acabado con él y con un gobierno que ya nació manchado de origen al venir avalado por los votos de quienes jalean a los asesinos (El Mundo, Leitartikel, S. 3, Z. 14-23).
Ibarretxe hizo un discurso a la defensiva, impregnado por la cobardía del fracasado y liberando a su gobierno y a su partido de toda responsabilidad por la crisis institucional y política del País Vasco (ABC, Leitartikel, S. 11, Z. 5-9).
Besonders die Leitartikel in El Mundo und ABC sowie die zwei den Leitartikel flankierenden Kritiken in El Mundo zeichnen sich durch besondere Emotionalität aus. Allzu spät erfolge der sehr zweideutige Umschwung des Präsidenten, allzu unglaubwürdig erschienen seine Worte nach den innenpolitischen „Fehltritten“ der letzten Wochen. Allgegenwärtig ist auf die eine oder andere Weise der Vorwurf, den Lizarra-Pakt abgeschlossen und damit die Einheit der demokratischen Parteien durchbrochen zu haben. In der Minderheit, ohne überzeugendes Programm und ohne ausreichende parlamentarische Unterstützung habe seine „Verzögerungstaktik“ nicht lange Bestand. In der Kritik Con la muerte en los talones (El Mundo, S. 9) wird sogar suggeriert, Ibarretxe persönlich trage Mitschuld an den letzten Attentaten und im Leitartikel in ABC wird der baskische Nationalismus ganz allgemein angegriffen („Este es el problema esencial del País Vasco, la soberbia de los nacionalistas de creer que el presente y el futuro de las instituciones y de la sociedad vascas les pertenece por derecho divino y deben acomodarse a sus intereses“, S. 11, Z. 80-85).
Alle Kommentare der spanischen Zeitungen klingen nach einer deutlichen Wahlhilfe für die Oppositionsparteien. Nimmt man die Inhalte bzw. die Argumentation als Kriterium, so sind diese gekennzeichnet durch eine sehr enge Synchronisation mit den Vorträgen der Parteisprecher der PP und PSOE während der Debatte. Dort hatten sie ihre Forderungen nach Neuwahlen deutlich formuliert (vgl. auch Nicolás Redondo: „Cuando se apuesta tanto y tan fuertemente por una estrategia determinada que fracasa tan importantemente, lo que nos propone ese fracaso es recurrir a la ciudadanía, recurrir a la sociedad”; und Carlos Iturgaiz: „Su situación [A.W.: de Ibarretxe] es insostenible en el sentido más literal del término porque ni cuenta con apoyo parlamentario para gobernar ni tiene credibilidad. Por eso, le pedimos que se someta a la lógica democrática, que acepte las reglas del juego”). Man könnte hier auch von einer „externen Konsonanz“ sprechen (Bucher, 1991, 78).
Mit dem Leitartikel, einer Kolumne, einem Kommentar und zwei weiteren Kritiken ist Deia die das Ereignis am ausführlichsten kommentierende Zeitung. Auch hier herrscht neben der Kumulation völlige Synchronisation mit den Berichten und Reportagen sowie externe Konsonanz mit den Vorträgen der PNV. Der Leitartikel Diálogo de sordos erwähnt eingangs die von Ibarretxe einberufene Vollversammlung zur Präsentation alternativer Vorschläge und greift im Folgenden sowohl die Darstellung eines überzeugenden Präsidenten als auch den Vorwurf der Missachtung an eine Opposition auf, die lediglich vorgefertigte Reden vorgetragen habe:
Ibarretxe se mostró, sobre todo en su turno de réplica, como un lehendakari seguro de sí mismo y con fe en su proyecto político. Su exigencia a PP y PSOE de argumentos que rebatieran los suyos y propuestas políticas propias, dejó al descubierto a una oposición con muy poca cintura y huérfana de ideas al margen del guión previo.[…] Ayer, los argumentos les duraron el mismo tiempo que las baterías de los teléfonos móviles (S. 16, Z. 23-35).
Diese Darstellung findet sich auch in der Kolumne La última y decidida carta, wird in der Kritik Credibilidad aufgegriffen und argumentativ weitergeführt. Die mangelnde konstruktive Kritik der Oppositionsparteien sei Ausdruck ihres Vorhabens, den Regierungswechsel einzuleiten, der dem Volk als die einzig wahre politische Alternative „verkauft“ werde:
El „no me merece credibilidad“ y el „váyase, señor Ibarretxe” serán vendidos como la más alta forma de hacer política, el no va más en la práctica parlamentaria para solucionar los problemas de los ciudadanos.[…] Es mejor hacer creer que todo es un desastre, para romper. Y luego, ya veremos (S. 30, “Credibilidad”, Z. 31-42).
Diese Sichtweise wird in verschiedenen Kommentaren schon in den letzten zwei Tagen vor der Debatte vorbereitet (vgl. z.B.am 21.09.: La fórmula del „¡vayase!“). Durch die Synchronisation und die Kumulation der Kommentare kann man hier auch von einer publizistischen „Meinungskampagne“ sprechen (vgl. Bucher, 1991, 66).
Die Beiträge gehen jedoch über eine schlichte Kommentierung der Debatte hinaus. Vielmehr wird diese eingeordnet in den größeren thematischen Zusammenhang: „Die spanische Regierung gegen den baskischen Nationalismus“. Dies zeigt sich spätestens bei der Einordnungs- und Erklärungskommentierung Trampas Saduceas, bezeichnenderweise vom Parteivorsitzenden der PNV Xabier Arzalluz selbst. Angefangen bei der Machtübernahme des Partido Popular im Jahre 1996, welche die Regierung der Sozialisten ablöste und die er vergleicht mit dem aktuellen Szenario im Baskenland, liefert er in einem Überblick über die wichtigsten innenpolitischen Ereignisse Indizien für das, was er „Hetze“ gegen den baskischen Nationalismus bzw. „Fallenstellen“ nennt. Auf Seite 1 der Zeitung war explizit auf den Kommentar hingewiesen worden. Auf den Punkt gebracht wird die Kritik an der Regierung in der Bildergeschichte „Concurso del Euromillón“, in der der Kandidat alle Fragen mühelos beantworten kann, bis auf die letzte: „¿Cuántos muertos hacen falta para que el PP reconozca a los vascos el derecho legítimo a decidir por si mismos?“ (S. 17). Deia und gara sind in diesem Zusammenhang auch die einzigen Zeitungen, welche in Kommentaren spöttisch auf den Versprecher von Nicolás Redondo in der Debatte eingehen, die Kommunikationmedien als „medios de conspiración“ zu bezeichnen (vgl. z.B. gara, 24.09., S. 19, „De campaña“, Z. 8-15).
Eine Abgrenzung nicht nur von der Politik der spanischen Regierung bzw. der Parteien, sondern der spanischen Kultur im Allgemeinen, wird in dem Beitrag La incoherencia reveladora vorgenommen. Diese unterstützt abschließend noch einmal ganz deutlich eine Mentalität im Sinne von „Wir und die anderen“, die nicht einer gewissen Überheblichkeit entbehrt:
Luego seguí el pleno, oí al prudente lehendakari y a sus primitivos oponentes centralistas y llegué a la conclusión de que Euskadi es otra cosa. Tiene otra cultura. Euskadi nunca se reunirá en la Plaza de Oriente para oír al caudillo (S. 30, Z. 34-41).
War die Berichterstattung in gara noch zurückhaltend, so wird die Stellungnahme im Leitartikel ganz deutlich: „Ibarretxe no satisfizo la voracidad unionista“ (S. 16, Schlagzeile). Vernichtende Kritik an den spanischen Parteien in dieser Zeitung verwundert kaum, allerdings wird auch Ibarretxe deutlich kritisiert: Seine Rede sei ein Rückschritt zu den Zeiten des Paktes von Ajuria Enea gewesen, eine versuchte Annäherung an die Sozialisten zeige seine gemäßigte Haltung – doch nichts von alledem habe die Opposition befriedigen können. Alles in allem sei dies kein verheißungsvolles Szenario; eine Besserung könne allenfalls eintreten, wenn Ibarretxe wieder zu kompromisslos nationalistischen Prinzipien zurückkehre. Die doppelte Kritik taucht ebenfalls in dem Beitrag El judoka Ibarretxe abre la campaña electoral auf. Die Feststellung, es ginge der Opposition nicht um konstruktive Politik, sondern lediglich um die Machtübernahme, ist mit der Meinung in Deia identisch (… dos partidos que no tienen otro objetivo que el estribillo de esa canción que dice „quitate tú pa ponerme yo“, S. 16, Z. 32-34). Doch kurz darauf wird auch Ibarretxe angegriffen und beschuldigt, sich bereits auf der „Gegenseite“ zu befinden:
Estableció una clara diferenciación entre el „ellos“, en el que situó a ETA y EH, y un “nosotros” en el incluyó al resto de partidos de la Cámara. A tal extremo llevó su apartheid particular que en el turno de réplica ni siquiera contestó a Arnaldo Otegi (S. 16, Z. 41-47).
In diesem Sinne knüpfen die Kommentare insofern an den Bericht an, als man sich mit dem Geschehen in keiner Weise identifiziert – konform gehend mit dem Verlassen des Plenums seitens der Partei EH.
5.5.2. Demonstration
Die Beiträge, welche das Demonstrationsereignis kommentieren, sind in diesem Fall nur im Zusammenhang mit der Vorberichterstattung klar einzuordnen. Alle Indizien sprechen für ein medieninszeniertes Ereignis. Die massive Meinungskampagne zur Unterstützung der Demonstration von Seiten der spanischen Zeitungen wird an einigen Zahlen deutlich: Allein in den letzten drei Tagen vor der Demonstration bringt El País 9, El Mundo 10 und ABC allein in den zwei letzten Ausgaben 7 Beiträge zu diesem Thema. Die meisten davon sind gleichgerichtete Kommentare, Kritiken und Politikermeinungen. Hinzu kommen Leserbriefe, die hier aber nicht berücksichtigt werden. Der Inhalt der Kommentare und Kritiken der Vorberichterstattung lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
(a) Ausdrücklicher Aufruf zur Teilnahme und zur Solidarität mit den Opfern
(b) Demonstration als Zeichen des Volkes gegen die Gewalt und die Unterdrückung, zur Verteidigung der Demokratie und des Rechtsstaates
(c) Mitschuld der baskischen Regierung an der politischen Krise durch den Pakt mit EH, keine klare demokratische Linie gegen die Gewalt, teilweise Beleidigungen und persönliche Angriffe
(d) Ruf nach einer demokratischen Wende, da die baskische Regierung nicht einmal die eigene Legitimationsgrundlage unterstütze
Die Kommentare vom 24.09. sind in diesem Zusammenhang zu lesen und legitimieren die eingeführte Sichtweise der Vorberichterstattung. Bei dem Leitartikel im El País handelt es sich hauptsächlich um eine Rechtfertigung des Mottos der Veranstaltung, also einer argumentativen Rechtfertigung der Verknüpfung von Frieden und Freiheit mit der spanischen Verfassung. Dieses Verständnis der Veranstaltung setzt El Mundo im Leitartikel bereits voraus. Die Zeitung führt die „Erhebung des baskischen Volkes“ als Zeichen der Hoffnung für die Zukunft an und kritisiert gleichzeitig das Verhalten der baskischen Regierung, welche den „Ruf des Volkes“ nicht hören wolle.
In dem Leitartikel von ABC taucht bezeichnenderweise nicht ein einziges Mal das Wort ETA auf. Nur die ersten beiden Sätze beziehen sich direkt auf die Demonstration vom Vortag. Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass der symbolische Akt für die Verfassung ein Zeichen dafür gewesen sei, dass im Baskenland eine neue politische Epoche angebrochen sei. Die Ereignisse der letzten Tage seien Ausdruck für den Verlust der Kontrolle der baskischen Regierung, die an einer „Desorientierung“ leide, wenn sie in einer Demonstration, welche die Legalität ihrer Existenz verteidige, einen Angriff auf den Nationalismus sehe. Ein Neuanfang sei aber mit den aktuellen Repräsentanten der Regierung unmöglich, da der Urheber des baskischen Problems deren Nationalismus selbst sei:
... ciudadanos que no se ven reflejados [...] en la impunidad de los violentos, en la debilidad ante el terror ni en la rentabilidad del miedo ajeno, rasgos esenciales de la sociedad vasca de los que única y exclusivamente es responsable el nacionalismo, sea el político, sea el terrorista (ABC, Leitartikel, 24.09., S. 13, Z. 83-90).
Es wird ziemlich deutlich, dass die Berichterstattung bzw. die Kommentierung der Demonstration nicht isoliert zu betrachten ist, sondern wie die Kommentare über die Debatte eingereiht werden in die allgemeine Thematik: „Notwendige Neuwahlen im Baskenland“, welche die Forderung der Oppositionsparteien unterstützt. Die Abwesenheit der Partei PNV von der Demonstration dient dabei als weiteres „Indiz“, welches die moralische Diskreditierung der baskischen Regierung „rechtfertigt“. Das Wesentliche der Kommentare der spanischen Zeitungen ist dabei nicht nur die Synchronisation, sondern v.a. auch die Kumulation dieser gleichgerichteten Beiträge.
Der einzige Artikel dieser Woche in den spanischen Zeitungen, der eine abweichende Meinung beinhaltet und die Abwesenheit der baskischen Regierung nicht nur erläutert, sondern ihr auch Verständnis entgegenbringt, ist der eines freien Mitarbeiters von El Mundo vom 23. September, der anführt, man könne durchaus Demokrat sein, ohne die spanische Verfassung zu verteidigen:
Los convocantes de la manifestación prevista para hoy en San Sebastián afirman que les ha movido el deseo de unir “a todos los demócratas”. De lo que deduzco que tienen claro que los miembros del PNV y EA no son demócratas. Porque han puesto como lema de la manifestación la defensa de la Constitución y del Estatuto y ellos saben bien que el PNV acata la Constitución, pero no la defiende (Z. 1-15). [...] Se apela a la Constitución y al Estatuto como si fueran el rasero mínimo de la convivencia. Y no lo son (Z. 24-27, El Mundo, 23. 09., S. 2).
El Diario Vasco knüpft auch mit dem Leitartikel an den Schwerpunkt an, welcher schon in der Berichterstattung gesetzt wurde: En defensa de la vida y la libertad (S. 30). Betont wird hier der Einsatz des Volkes für Frieden und Freiheit sowie die Verantwortung der „demokratischen Gesellschaft“. Dieser Ruf des Volkes nach Freiheit sollte so klar und deutlich sein, dass „legitime Diskrepanzen“ darüber in den Hintergrund treten. Eine explizite Behandlung des Themas „Abwesenheit der baskischen Regierung“ unterbleibt somit und wird im letzten Satz lediglich angedeutet. Die Vorberichterstattung ist in El Diario Vasco mit 5 Kommentaren und 8 weiteren Beiträgen (Interviews und Berichte) am ausführlichsten. Sie ist zusammen mit El País eine der Zeitungen, in denen im wahrsten Sinne des Wortes „Werbung“ für die Demonstration gemacht wird in Form einer Werbeseite der Bürgerinitiative ¡Basta Ya!, bestehend aus den Namen der Teilnehmer, neuen Mitgliedern, Spendenkonto und dem Aufruf selbst. Hier kommt deutlich eine pro-spanische Haltung bezüglich der Demonstration zum Ausdruck, allerdings wird auf eine Kritisierung der baskischen Regierung weitgehend verzichtet (oder aber diese sehr moderat gehalten) und von persönlichen Angriffen ganz abgesehen.
Die Kommentare in Deia beschränken sich auf den Tag der Ereignisberichterstattung. Der Leitartikel zu der Demonstration übernimmt in seiner Struktur den Inhalt des Aufmachers und führt ihn argumentativ aus: „Basta Ya“ y EH llevan a la calle sus diferentes fines políticos – Mientras, el diálogo y la pluralidad fueron los ejes del homenaje a Juan Mª Jáuregui. Die Distanzierung von beiden Veranstaltungen, die bereits in dem Bericht deutlich wurde, wird an dieser Stelle weiter vertieft. Die eine Demonstration trete ein für die spanische Verfassung, die andere für die Unabhängigkeit vom spanischen Staat. Beides seien legitime Standpunkte und Meinungen, erreichten aber ihre Grenze, sobald diese Verständnisse von Demokratie jemandem aufgezwungen werden. Das dritte Ereignis des Vortags, die Feier zu Ehren von Juan María Jáuregui , sei dagegen eher ein Beispiel für Toleranz und ein friedliches Miteinander gewesen und die Abwesenheit sowohl von PP als auch von EH habe gezeigt, wer wirklich „Separatismus“ betreibe.
Die Kritik El ejemplo de Legorreta nimmt die gleiche Dreiteilung der Ereignisse vor, indem sie in groben Zügen die wesentlichen Strömungen im Baskenland aufzeigt. Sie kritisiert jede Art eines aufgezwungenen „Einheitsdenkens“, sowohl von radikal baskischer als auch von nationalistisch spanischer Seite. Als hoffnungsgebendes Beispiel gilt auch hier die Feier in Legorreta. Der Artikel Gibraltar para España setzt sich mit dem Motto der Demonstration in San Sebastián vom Vortag auseinander und kritisiert, dass der Leitspruch in diesem Wortlaut zu keinerlei „Einheit“ habe beitragen können: Die Verfassung habe den Basken die Möglichkeit genommen, sich unabhängig zu machen – weshalb sie abgelehnt worden sei – und das Autonomiestatut sei damals von der spanischen „Rechten“, welche es nun vehement verteidigt, abgelehnt worden. In diesem Spiel der Ideologien gehe es genaugenommen gar nicht mehr um einen Protestakt gegen ETA.
Ein häufig angeführtes Argument zur Erklärung des Fernbleibens der baskischen Regierung von der Demonstration ist das des „nationalistischen Mottos“:
La prueba del 9 es muy sencilla: convocamos una manifestación con el lema “Autodeterminación y Paz”. No hace falta contarle al lector quiénes no hubieran acudido. Porque están en contra de la Paz. No. Porque no aceptan la autodeterminación (Deia, 23.09., S. 17, Z. 65-71).
Die Vorberichterstattung zu der Demonstration in gara besteht aus fünf Beiträgen; vier davon sind Kommentare. Zwei dieser kommentierenden Artikel sind aus der Reihe einer täglichen Kolumne (paperezko lupa = la lupa del papel), in der die Journalistin Beiträge, die am Vortag in spanischen Zeitungen erschienen waren, auf sehr ironische bis sarkastische Weise kommentiert, im vorliegenden Fall also die spanischen Kommentare über die Demonstration. Zwei weitere Beiträge sind gleichgerichtete Kommentare, welche über den Unterschied reflektieren, Gewaltgegner zu sein und die Verfassung zu verteidigen. Beide Konzepte hätten zunächst einmal nichts miteinander zu tun, weshalb es unzulässig sei, diejenigen zu kriminalisieren, welche gegen die Verfassung seien. Ganz im Gegenteil, eine demokratische Verfassung selbst sollte in sich die Möglichkeit bieten, sie auch zu kritisieren, um sie verbessern zu können. Der Leitartikel am Tag der Ereignisberichterstattung selbst bringt diese Kritik auf den Punkt, indem behauptet wird, es habe sich eindeutig um eine Demonstration gegen das „nationalistische Projekt“ gehandelt. Es bleibe festzuhalten, dass es trotz der großen Unterstützung kein historisches Ereignis gewesen sei; es habe – und zwar zur Verteidigung nationalistischer Interessen - schon wesentlich größere Demonstrationen im Baskenland gegeben. Die Meinung, es habe sich nicht um eine Proteskundgebung gegen ETA, sondern eine Verteidigung der Verfassung gehandelt, ist an dieser Stelle mit der Argumentation in Deia identisch. Die Verfassung wurde also verteidigt, obwohl sie bereits in allen Institutionen fest etabliert sei, und das, obwohl sie vom baskischen Volk abgelehnt, ihm somit „aufoktroyiert“ worden sei, und die Möglichkeit zur freien Entscheidung über die Zukunft verhindere. In der bereits erwähnten täglichen Kolumne wird „bestätigt“, es habe sich um eine Demonstration zur Unterstützung der Regierung Aznars gehandelt.
Auch hier besteht durch die Synchronisation der Artikel eine klare Einordnung in das thematische Gebiet: „Die Unterdrückung durch den spanischen Staat“.
5.6. Periodische Strategien der Vor- und Nachberichterstattung
Die Periodizität gilt als eines der charakteristischen Merkmale der Presse und auch als einer ihrer wichtigsten Einflussfaktoren. Ein Untersuchungskonzept kann darin liegen, die journalistischen Maßnahmen aufzuzeigen, welche die „periodische Dynamik“ der Berichterstattung bestimmen (Bucher, 1991, 70). Diese periodischen Zusammenhänge sind deswegen relevant, weil sie genutzt werden können, um ein gemeinsames Wissen zwischen Redaktion und Leserschaft aufzubauen. Linguistisch betrachtet handelt es sich um Text-Textzusammenhänge zwischen Beiträgen in nacheinanderfolgenden Ausgaben (ebenda, 71). Man kann dabei zwei grundsätzliche periodische Konsonanz-Strategien unterscheiden, und zwar zum einen Strategien der Themenbehandlung (Synchronisationsstrategien) und zum anderen Strategien der Kommunikationsführung (Synchronisations- oder Kumulationsstrategien). Da sie sich zwischen der „Langzeitstrategie“ einer Zeitung, die beispielsweise in den Redaktionsstatuten festgelegt ist, und den „Kurzstrategien“, die im Aufbau einer einzelnen Zeitungsausgabe zu finden sind, ansiedeln, kann man sie auch als „mittelfristige Strategien“ bezeichnen (ebenda, 70).
5.6.1. Themenbehandlung
Eine Zeitung kann zu der Dynamik öffentlicher Meinungsbildung informationspolitisch beitragen, indem etwa gewisse Themen gesponsert werden, die bestimmte (politische) Entscheidungen zwingend erscheinen lassen: „Dies kann geschehen durch themenbezogene Maßnahmen wie: Themen einführen, modifizieren, verbreiten, hochspielen, (künstlich) am Leben erhalten, wiederaufgreifen, ein Thema verdrängen oder mit einem anderen verbinden“ (Bucher, 1991,75). In diesem Kapitel habe ich unterschieden nach der Einordnung der Themen in Rubriken, der Vorbereitung einer Sichtweise, dem Hochspielen sowie Verdrängen von Themen und Themenverknüpfungen.
Rubriken
Zunächst muss man festhalten, dass die Berichterstattung über das Baskenland nicht nur in den baskischen, sondern auch in den spanischen Zeitungen bereits einen festen Platz eingenommen hat. Teilweise wird die politische Linie der Zeitung schon an den Namen der Rubriken deutlich, in welche die Beiträge eingeordnet werden. Gara führt eine regionale Rubrik unter dem Namen Euskal Herria und/oder Herriak ( = Los pueblos), der stets die ersten Seiten gewidmet sind. Eingeschlossen in die Berichterstattung werden alle sieben historischen Provinzen. Danach folgen Veranstaltungshinweise, die Kommentare, der Wirtschaftsteil etc. Eine eigene Rubrik über den Rest Spaniens existiert überhaupt nicht, sondern die Berichte werden in den internationalen Teil eingegliedert.
Deia unterteilt in der ersten Rubrik „Territorios“ auch nach Provinzen, allerdings beschränkt sie sich auf die drei der autonomen Region País Vasco (in der Zeitung auf baskisch Araba, Gipuzkoa und Bizkaia). Die politische Berichterstattung wird eingeordnet in einen eigenen Teil „Politik“. In El Diario Vasco heißt die Rubrik ohne Unterteilungen einfach auf spanisch País Vasco. Dieser sowie einigen speziell regionalen Seiten (San Sebastián, Lasarte-Oria, Hernani, Comarca, Gizartea) wird alles zugeordnet, was das Baskenland in irgendeiner Weise betrifft. Zusätzlich gibt es einen eigenen Teil España. El País hat in der Rubrik España zwei „Unterrubriken“: La situación en el País Vasco und La ofensiva terrorista. El Mundo verwendet innerhalb der Rubrik España sporadisch wiederkehrende Titelüberschriften wie beispielsweise La crisis en el País Vasco. In ABC werden die Berichte schlicht eingeordnet in die Rubrik Nacional.
Der baskische Konflikt existiert bereits seit Jahrzehnten; die Beiträge über die Debatte und die Demonstration sind damit stets in dem Zusammenhang mit der Berichterstattung zu sehen, die sich in den einzelnen Zeitungen über die Jahre hinweg bereits fest etabliert hat.
Vorbereitung einer Sichtweise
Die Version der Parlamentsdebatte in Deia, welche die Oppositionsparteien als Schuldige der Konfrontation sieht, wird in den Tagen vor der Debatte bereits „vorbereitet“. So lautet die Schlagzeile des Berichtes vom 21.09.: PP, PSE y UA coincidirán en el pleno de mañana con un diagnóstico similar y evitarán atacarse (S. 26), und die vom 22.09.: El hostigamiento a Ibarretxe centrará el pleno de Política General que se celebra hoy (S. 34). Auf diese Weise wird das spätere Bild der Debatte schon im Vorfeld entworfen und der Leser auf eine „Front“ der Opposition mit gemeinsamen Zielen und einem „feindseligen Verhalten“ vorbereitet. Die Ereignisberichterstattung selbst ist dann nur noch eine Konsequenz dieser eingeführten Sichtweise und wirkt für den Leser wie eine „Bestätigung“. Ähnlich verfährt gara in der Vorbereitung des Lesers auf einen den spanischen Parteien nachgebenden Präsidenten. An beiden Tagen vor der Debatte sind die sehr wahrscheinlich stattfindenden Neuwahlen das zentrale Thema: El lehendakari baraja seriamente convocar elecciones anticipadas para antes de fin de año (Bericht, 21.09., S. 14), Un adelanto imparable (Leitartikel, 21.09., S. 25), La perspectiva de un adelanto electoral marca el pleno de política general (Bericht, 22.09., S. 19).
Ohne dass ein Anlass zu einer Berichterstattung vorläge, bringt ABC am 22.09. im Vorfeld der Parlamentsdebatte einen Bericht, welcher die Version eines von allen verlassenen Präsidenten Ibarretxe vorbereitet (La izquierda abertzale deja en caída libre al Ejecutivo de Ibarretxe, S. 27). Der Artikel bezieht sich auf einen Bericht vom Vortag in gara, in dem Ibarretxe wegen seiner gemäßigten Haltung kritisiert worden war und die Neuwahlen angesichts der politischen Lage für sehr wahrscheinlich erachtet wurden. Indem ABC die verschiedenen Kritikpunkte des verfassenden Journalisten anführt, bereitet dies die später in der Ereignisberichterstattung vorherrschende Sichtweise vor, Ibarrtexe habe keinerlei Rückhalt mehr und werde „noch nicht einmal“ von seinen ehemaligen Koalitionspartnern unterstützt. Diese „Verlassenheit“ sowie der Mangel an Alternativen zu Neuwahlen, eine Darstellung, welche später ja auch in den Berichten über die Debatte verfolgt wird, bereiten auch El País und El Mundo vor. So heißt es in El Mundo am 22.09., die PNV mache sich schon Gedanken um die Nachfolge Ibarretxes (El PNV busca ya a su próximo candidato a „lehendakari“, S. 6), und El País zeichnet ähnlich wie ABC das Bild eines einsamen Ibarretxe (Ibarretxe llega al pleno de política general acosado por la oposición y sin apoyos, 22.09., S. 25). An der Vorberichterstattung zeigt sich ebenfalls, dass die präsentierten Misstrauensvoten von PP und PSOE keinesfalls eine spontane Maßnahme darstellten, sondern schon lange vorher geplant waren. Bereits am 21.09. weisen El País und El Mundo auf diese „Möglichkeit“ hin (El PP apoyará una moción de censura de los socialistas contra Ibarretxe, El País, 21.09., S. 1).
Zu der Vorbereitung der Sichtweise des Demonstrationsereignisses gehört auch die ausführliche Berichterstattung über die Erklärungen der Initiative ¡Basta Ya!, welche deren Ziele erläutert und in gara überhaupt nicht erwähnt wird: ¡Basta Ya! responde al Ejecutivo vasco que se manifiesta para que „disminuya el miedo“ (El País, 22.09., S. 26). Am folgenden Tag vermittelt der Bericht über die zunehmenden Teilnehmerzahlen schon das Bild einer Massendemonstration: La convocatoria para la manifestación de hoy en San Sebastián recibe millares de adhesiones (El País, 23.09., S. 24). Die Vorberichterstattung in El Mundo legt dabei den Schwerpunkt auf das Ziel der Organisatoren („¡Basta Ya!“, contra „el clima del Terror“, 22.09., S. 6).
Ähnlich wie bei den spanischen Zeitungen unterstützt El Diario Vasco die Demonstration in der Vorberichterstattung ausführlich durch Berichte und vor allem durch Interviews. In Bezug auf die Debatte hingegen zeichnet sich die Zeitung dadurch aus, dass überhaupt keine bestimmte Sichtweise vorbereitet wird. Sie kündigt lediglich am 21.09. die neue Friedensinitiative des Präsidenten an (Ibarretxe propondrá una nueva iniciativa en favor de la libertad individual y la ética democrática, S. 5) sowie am 22.09. die Veranstaltung selbst (El Parlamento Vasco celebra hoy el pleno de Política General, S. 14).
Die Schlagzeilen der Nachberichterstattung werden mal aus baskisch-nationalistischer, mal aus spanisch-nationalistischer Perspektive formuliert.
Hochspielen und Verdrängen von Themen
In der Nachberichterstattung über die Demonstration in El Mundo und ABC dominiert ein bestimmtes Thema, und zwar der „Fall Elorza“. Der Bürgermeister von San Sebastián, Odón Elorza (PSE), war nicht auf der Demonstration erschienen, weshalb sich Berichte und Kommentare beider Zeitungen in den Folgetagen mit dessen Abwesenheit beschäftigen bzw. diese anklagen (Odón Elorza no fue a la manifestación de San Sebastián ni firmó el manifiesto de ¡Basta Ya!, El Mundo, 26.09., S. 8; Elorza y el infierno vasco, ABC, 27.09., S. 15). Die Menge der Artikel (sechs in El Mundo, drei in ABC) zeigt, dass hier ein Ereignis, welches in den anderen Zeitungen gar nicht oder aber nur am Rande behandelt wird, zunächst zum Thema gemacht und später hochgespielt wird. Dies geht so weit, dass in Kommentaren sogar die Abdankung des Bürgermeisters gefordert wird: Si Elorza no está a la altura de los donostiarras, que dimita (El Mundo, 27.09., S. 3). Der erste und einzige Bericht in Deia über dieses Thema formuliert in der Schlagzeile die Kritik Elorzas an dieser, wie er es nennt, „Hexenjagd“: Elorza denuncia la „caza de brujas“ de algunos medios por no ir a la manifestación de „Basta Ya“ (28.09., S. 27). Gara kommentiert ironisch: Ahora le toca a Odón (28.09., S. 23). El Mundo wiederum hebt in dem Bericht über die Rechtfertigungen des Bürgermeisters dessen Entschuldigung hervor: Elorza pide disculpas a los donostiarras (Schlagzeile, 28.09., S. 10). In El País wird das Thema von vornherein gar nicht erst aufgegriffen.
Ein weiteres Beispiel für die Verdrängung von Themen liefert gara. In der Zeitung findet die Ehrung der Terrorismusopfer, welche in den spanischen Zeitungen ausführlich behandelt wird - in ABC am 28.09. nimmt sie die gesamte Titelseite ein - keinerlei Erwähnung. Deia greift in dem Bericht über diesen Akt abermals eine Kritik auf, in diesem Fall die der Sozialisten an der spanischen Regierung (Críticas socialistas al protagonismo del Gobierno en el homenaje del Congreso a las víctimas, 28.09., S. 30). Unterschiedliche Akzentsetzungen schon in der Schlagzeilengestaltung sowie die Behandlung des Themas an sich beeinflussen also in nicht geringem Maße nicht nur das Verständnis, welches der Rezipient von einem Ereigniss gewinnt, sondern auch die Relevanz, die er ihm zumisst.
Themenverknüpfungen
Auffällig ist im Untersuchungszeitraum in allen spanischen Zeitungen die Verknüpfungen der verschiedenen Themen, hauptsächlich mit dem der aktuellen Diskussion „Neuwahlen“. Hier sollen nur zwei Fälle exemplarisch vorgestellt werden. Am häufigsten finden sich diese Themenverknüpfungen in Kommentaren. El Mundo kommentiert am 22.09. das letzte ETA – Attentat in Barcelona (S. 9), geht im gleichen Artikel aber auch auf die Parlamentsdebatte, die notwendigen Wahlen zur „demokratischen Normalisierung“ im Baskenland sowie die Demonstration ein, stellt also für die Leser klare Kausalzusammenhänge her. Solcherlei Bezüge finden sich jedoch auch in Berichten. El País berichtet am 21.09. über die Zusicherung der Partei PP, ein Misstrauensvotum der Sozialisten gegen Ibarretxe zu unterstützen und verbindet den Bericht mit der Kritik Redondos (PSE) an der Entscheidung der baskischen Regierung, nicht an der Demonstration teilzunehmen (S. 17). Diese Verknüpfungen sichern auf diese Weise für den Leser das Verständnis der politischen Zusammenhänge, das ihm nähergebracht werden soll.
5.6.2. Kommunikationsführung
Entscheidend bei der Kommunikationsführung einer Zeitung sind unter anderem die „funktionalen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Beiträgen“ (Bucher, 1991, 79). Im Rahmen der Kommunikationsführung soll an dieser Stelle anhand einiger Beispiele auf die Platzierung der Artikel, im besonderen auf die „Beweisführung“, welche die Zeitungen nutzen, um eine Sichtweise zu unterstützen, sowie das Merkmal Nachrecherchen eingegangen werden.
Platzierung der Artikel
Die Platzierung der Artikel ist ein wichtiges Mittel der Kommunikationsführung, da auf diese Weise den Themen unterschiedliche Bedeutung zugemessen wird. Am 21.09. setzt El Mundo - ebenso wie El Diario Vasco - die Äußerung des Präsidenten Aznar, man könne kaum tiefer sinken als die baskische Regierung, auf die Titelseite (Aznar dice que es difícil caer tan bajo como ha caído el Gobierno vasco) und übernimmt in einem Kommentar auf S. 3 dessen Meinung. El País berichtet erst auf S. 18 unter der Titelschlagzeile Aznar hace un llamamiento para que sea un “gran éxito” la manifestación en San Sebastián über diese Äußerung. In Deia steht dieser Bericht auf Seite 28, und in gara finden weder der Aufruf noch die Kritik Aznars Erwähnung. Am 24.09. berichtet El Mundo in einem kurzen Artikel über die Äußerungen Xabier Arzalluz’ in dem Kommentar Trampas saduceas vom Vortag in Deia. Unter der Schlagzeile Arzalluz ve una campaña contra el PNV (wobei das Verb ver verdeutlichen soll, es handle sich dabei um eine sehr subjektive und außerdem unangemessene Einschätzung der Lage) wird der Artikel direkt neben den Bericht über die Demonstration in Zarautz von EH und unter das Foto derselben platziert (S. 17), wodurch „Arzalluz“ auch optisch in die Nähe der radikalen Partei sowie deren Anhänger gerückt wird.
Auffällig ist in Deia die tägliche Platzierung von Ausschnitten bestimmter Kommentare vom Vortag aus anderen Zeitungen gleich auf Seite zwei. Dem Leser werden so zu Beginn der Lektüre verschiedene Meinungen präsentiert, wobei aber nebenstehende Pfeile „zustimmend“ nach oben oder „ablehnend“ nach unten direkt neben den Auszügen dem Leser von vornherein zu verstehen geben, wie er diese Meinungen zu bewerten hat.
„Beweisführung“
Um die Darstellung eines Ereignisses besonders glaubwürdig zu gestalten, bedienen Zeitungen sich eines Mittels, welches Bucher als „Kumulation gleichgerichteter Indizien“ bezeichnet (1991, 81). Eine solche Zusammenstellung gleichgerichteter Indizien nimmt Deia vor, indem solche Beiträge bevorzugt werden, welche die eingeführte Meinung bzw. die Linie der Zeitung bestätigen. So wird regelmäßig über Äußerungen berichtet, welche die Demonstration als „antinationalistisch“ einstufen, so beispielsweise die Meinung des Parlamentssprechers der PNV am 21.09.: Anasagasti cree que el lema de la manifestación de „Basta Ya“ lo ponen „para que no vaya el PNV“ (S. 29). Auch der Bericht vom 23.09. über den Aufruf der spanischen Regierung, an der Demonstration teilzunehmen, enthält nur im ersten Absatz den Bericht über den Aufruf des spanischen Regierungssprechers; die restlichen drei Absätze berichten über die Erklärung des GBB der PNV vom Vortag, die Demonstration sei antinationalistisch. Gara berichtet über diese Erklärung in einem ausführlichen Artikel: El GBB califica de „antinacionalista vasca“ a Basta Ya – Critica que se pretenda identificar la democracia con la Constitución española (23.09., S. 17).
Allgemein kann man für alle Zeitungen sagen, dass diejenigen Themen, welche sozusagen „gesponsert“ werden sollen, einen besonderen Platz in Form von Artikeln und Zeilenmengen eingeräumt bekommen. In Deia werden als solche „Indizien“ regelmäßig Berichte über Personen/Institutionen angeführt, welche beispielsweise eine dialogische Lösung des Konfliktes beinhalten (für die auch die PNV eintritt) oder die Haltung der spanischen Regierung kritisieren. So wird der Bericht über die Wiederwahl des Universitätspräsidenten von Deusto betitelt mit Abrego aboga por la vía del diálogo para solucionar el conflicto vasco (21.09., S. 16) - auch wenn die Meinung Abregos zum baskischen Konflikt nicht unbedingt im Zentrum seiner Wiederwahl stand - und das Interview mit der Witwe des ermordeten Juan Mª Jaúregui mit dem Zitat „El Gobierno del PP no hizo todo lo posible en la tregua“ (24.09., S. 23). Ausführlich berichtet die Zeitung auch am 26.09. über die Ankündigung Julio Anguitas (Coodinador general de IU), seine Partei werde die Misstrauensvoten nicht unterstützen unter der Schlagzeile: Anguita critica que con la intención de acabar con ETA se quiera eliminar al nacionalismo (S. 24). Häufig werden Äußerungen des baskischen Regierungssprechers angeführt, so beispielsweise in einem Bericht vom 26.09. auf einer ganzen Seite: El Gobierno vasco considera la moción de censura el fruto de la „política vacía“ del PP (S. 20). Eine solche Häufung gleichgerichteter Meinungsäußerungen und Perspektiven an aufeinanderfolgenden Tagen beeinflusst deutlich das Verständnis, welches der Leser von den Oppositionsparteien und dem baskischen Konflikt allgemein gewinnt.
Eine ähnliche „Beweisführung“ findet sich in den spanischen Zeitungen. Alle drei veröffentlichen am 22.09. die Übersetzung eines Berichtes der New York Times vom Vortag über den baskischen Konflikt, welcher die Politik des Präsidenten José María Aznar unterstützt. ABC bringt am 24.09. ein Interview über zwei Seiten mit Javier Arenas, dem Generalsekretär der PP, mit dem Titel La responsabilidad de los dirigentes del PNV es haber dado la razón parcial o totalmente a ETA (S. 26). Weitere Indizien sind das häufige Aufgreifen von Politikermeinungen in den Schlagzeilen, welche die eingeführten Versionen bestätigen, so beispielsweise am 25.09.: PP y PSOE afirman que el pueblo vasco se ha puesto frente a un Gobierno del PNV „agotado“ e „ineficaz“ (ABC, S. 22), oder am 27.09.: Aznar dice que ETA es la expresión viva del nazismo que sufrió Europa (ABC, S. 19). Die Wahl genau dieser Schlagzeile ist auch deshalb so auffällig, da der Artikel über ein Treffen von Aznar mit dem französischen Präsidenten Chirac berichtet, in dem es eher am Rande um die ETA ging und somit auch eine andere Schlagzeile vorstellbar gewesen wäre. In der Nachberichterstattung über das Demonstrationsereignis gibt es noch am 26. und am 27.09. Interviews, jeweils über eine ganze Seite, mit Luisa Fernanda Rudi (Presidenta de las Cortes): Se vislumbra el final del terrorismo; cuando el pueblo se empeña, consigue lo que quiere - en democracia, cuando se pierde la confianza de la Cámara, debes dimitir, ABC, 26.09., S. 24), und mit Nicole Fontaine, Mitglied des Europäischen Parlaments, unter der Schlagzeile: “Los que no estuvieron en la manifestación de San Sebastián se han desacreditado” (ABC, 27.09., S. 24). Auf diese Weise wird noch im Nachhinein über Tage das eingeführte Verständnis der Demonstration abgesichert und diejenigen diskreditiert, welche nicht teilgenommen hatten.
Die „Absicherung“ der verfolgten Sichtweise nehmen auch El País und El Mundo vor. So berichten die Zeitungen regelmäßig über Politikerkommentare, welche die von ihnen eingeführten „Versionen“ stützen: Zapatero comunica al „lehendakari“ que las elecciones son la salida idónea (El País, 21.09., S. 17); Rajoy cree que la moción de censura a Ibarretxe es una „obligación moral“ (El País, 25.09., S. 19). Häufig werden auch Interviews mit Personen durchgeführt, welche die gleiche „Linie“ vertreten, und später darüber berichtet, so beispielsweise in El Mundo mit Carlos Iturgaiz (Presidente del PP vasco): „Ibarretxe es una parte del problema vasco, no la solución“ (24.09., S. 16), oder mit Vidal de Nicolás, Präsident der Friedensgruppe „Foro de Ermua”: „Espero que el PNV pague en las urnas la traición que hizo al pueblo vasco en Estella” (25.09., S. 10).
El País berichtet nach der Demonstration in einem großen Artikel über die Reaktion der Veranstalter unter der Schlagzeile: La plataforma ¡Basta Ya! considera que el éxito de su movilización abre una etapa sin vuelta atrás (25.09., S. 20), während keine der drei baskischen Zeitungen auf diese Meinung eingeht. Auch für Leser, welche viele Artikel nur „überfliegen“ und sich hauptsächlich auf die Schlagzeilen konzentrieren, wird durch diese Akkumulation gleichgerichteter Sichtweisen und die eindeutigen Formulierungen der Schlagzeilen eine bestimmte Interpretation der Ereignisse nahegelegt.
Nachrecherchen
In der Nachberichterstattung sind vor allem zwei Strategien charakteristisch: die „Erklärung des Ereignisverlaufs“ und die „Überprüfung der Versionen durch Nachrecherchen“ (Bucher, 1991, 81). Ein typisches Beispiel für solche Nachrecherchen findet sich in gara am 25.09. über die Demonstration: La Guardia Urbana no hizo ningún cómputo de la marcha Basta Ya (S. 11). Der Artikel berichtet ausführlich über die unterschiedlichen Teilnehmerzahlen, welche am Vortag von den verschiedenen Zeitungen verbreitet wurden. Da die meisten Zeitungen als Informationsquelle die örtliche Polizei angegeben hatten, berichtet gara (nach einem Gespräch mit der Polizei) in diesem Bericht, es sei allgemein nicht üblich, bei Demonstrationen Zählungen durchzuführen; dies sei also auch am Samstag nicht der Fall gewesen. Die Zeitung geht ausführlich auf Zahlenangaben, zitierte Personen und Kilometerangaben an, um die „Falschaussagen“ zu widerlegen. Des Weiteren werden Beispiele für bereits stattgefundene Demonstrationen in San Sebastián angeführt, an denen ähnlich viele oder noch wesentlich mehr Menschen teilgenommen hätten (beispielsweise die nach der Schließung der Zeitung egin), um zu widerlegen, es habe sich um „die größte“ Demonstration der Geschichte der Stadt gehandelt, wie beispielsweise El Mundo behauptet hatte.
El Diario Vasco unternimmt Nachrecherchen nicht im Sinne einer Bestätigung, sondern vielmehr eines Nachtrages über Ereignisse unmittelbar nach der Demonstration, welche erst später bekannt wurden: Zwei Zwischenfälle im Altstadtviertel, bei denen einige Personen von radikalen Jugendlichen angegriffen worden waren (Al menos tres personas fueron agredidas en la Parte Vieja tras la manifestación de ¡Basta Ya!, 25.09., S. 5).
5.7. Zwischenergebnis
In den ersten Kapiteln wurde untersucht, inwiefern Sichtweisen und Verständnisse bezüglich eines Ereignisses eingeführt und in Berichten durch unterschiedliche Beantwortungen der verständniskonstituierenden W-Fragen erklärt werden. Die Synchronisation der Kommentare hat gezeigt, dass in ihnen diese Sichtweisen unterstützt und erläutert werden, während die Vor- und Nachberichterstattung sich nahtlos in die verschiedenen präsentierten Versionen einreihen und diese durch „unterstützende“ Beiträge abrunden. Solche „Text - Textzusammenhänge“ stellen ein wichtiges Mittel zur Beeinflussung der öffentlichen Meinungsbildung dar. Nach den bisherigen Ergebnissen lassen sich für die verschiedenen Zeitungen im Untersuchungszeitraum zusammenfassend die folgenden „Strategien“ festhalten:
(a) Meinungskampagnen durch Synchronisation und Kumulation der Textsorten über längere Zeiträume (EL PAIS, EL MUNDO, ABC, DEIA)
(b) Vor- und Nachbereitung einer Sichtweise durch spezielle Schlagzeilengestaltung und Akkumulation von Indizien (EL PAIS, EL MUNDO, ABC, DEIA)
(c) Verdrängung bestimmter, spezifisch „spanischer“ Themen und Meinungen aus der Berichterstattung zugunsten von Berichten über ausschließlich nationalistische Interessen (GARA)
(d) Grundsätzlich Meinungspluralität in den Kommentaren, „sachliche“ Ereignis-darstellung, an bestimmten Stellen jedoch deutliche Favorisierung einer „pro-spanischen“ Haltung (DIARIO VASCO)
(e) Diskreditierung des baskischen Regierungspräsidenten Ibarretxe und seiner Regierung (EL PAIS, EL MUNDO, ABC)
(f) Diskreditierung der Oppositionsparteien PP und PSOE (DEIA, GARA)
(g) Diskreditierung der spanischen Zentralregierung, des spanischen Nationalismus und der Demonstrationsteilnehmer (GARA)
(h) Diskreditierung des baskischen Nationalismus (EL MUNDO, ABC)
(i) Externe Konsonanz mit der Argumentation der Politiker (EL PAIS, EL MUNDO, ABC mit PSOE und PP/UA, DEIA mit PNV, GARA mit EH)
Untereinander „verträglich“ sind also die Darstellungen in den drei spanischen Zeitungen sowie die Darstellungen der Ereignisse in Deia und gara. El Diario Vasco ist weder ganz der einen, noch der anderen Seite zuzuordnen. In einem Koordinatensystem ließe sich die Linie der sechs Zeitungen im Vergleich etwa folgendermaßen darstellen:
SPANISCH-NATIONALISTISCH
El País El Mundo ABC
El Diario Vasco
„LINKS“ „RECHTS“
gara Deia
BASKISCH-NATIONALISTISCH
5.7.1. Binnen- und Außenpluralität
Meinungsbildung setzt immer voraus, dass auch unterschiedliche Informationen und Meinungen zugänglich sind. Dabei lassen sich zwei wesentliche Kriterien unterscheiden. Das eine ist die Binnenpluralität, welche danach fragt, ob es unterschiedliche Meinungen innerhalb eines Mediums gibt. Das andere ist das der Außenpluralität mit der Frage, ob Meinungsvielfalt durch die Breite des Informationsangebots gegeben ist (Bucher, 1991, 14). Die einzige der sechs Zeitungen, bei der eine gewisse Binnenpluralität vorliegt, ist El Diario Vasco. Die Berichterstattung siedelt sich zwischen der der spanischen und der der baskischen Zeitungen an. Dies ist sicherlich dadurch erklärbar, dass die Zeitung zu einem spanischen Medienkonzern gehört, aber für ein baskisches regionales Publikum schreibt. Da die heutige baskische Gesellschaft sehr vielfältig ist und Schätzungen zufolge ungefähr die Hälfte der Bevölkerung spanisch - nationalistisch, die andere Hälfte baskisch - nationalistisch eingestellt ist (wobei man auf baskischer Seite noch zwischen den Gemäßigten und den Radikalen unterscheiden muss), kann man diese, nennen wir es einmal „inszenierte Neutralität“ (denn wirklich neutral ist natürlich auch El Diario Vasco nicht), auch als die eigentliche Strategie der Zeitung bezeichnen, eine möglichst große Leserschaft anzusprechen. Eine Außenpluralität ist im Baskenland insofern gegeben, als zum einen die einzelnen baskischen Zeitungen zum Teil erhebliche Unterschiede aufweisen, und zum anderen auch alle drei spanischen Tageszeitungen dort in regionalen Ausgaben vertrieben werden.
Zum Untersuchungszeitpunkt kann man bei den drei spanischen Presseorganen weder von einer Binnen- noch von einer wirklichen Außenpluralität sprechen. Das heißt nicht, dass dies immer so war und auch in Zukunft so bleiben muss. In dem Kommentar in Deia vom 23.09.2000 von Xabier Arzalluz heisst es: „Ni un día sin ataque, ni un día sin manipulación o sin mentira, y ello masivamente. En telediarios, tertulias, titulares o comentarios. Sin grupo PRISA que nos defienda” (S. 17). Dies deutet darauf hin, dass es in den Zeitungen vor der rein nationalistischen baskischen Regierung eine Außenpluralität gegeben haben muss. Außerdem gilt es zu bedenken, dass es in Spanien eine Reihe weiterer Tageszeitungen gibt, die nicht in die Untersuchung einbezogen wurden.
6. Syntax, Lexik und Stilistik
Da die Texte im ersten Teil bereits in ihren pragmatischen Bezugsrahmen eingeordnet wurden, können nun syntaktische und lexikalische Besonderheiten herausgearbeitet werden. Die in Kapitel 5.7. erarbeiteten „Strategien“ sind als Thesen aufzufassen, die im Folgenden mithilfe linguistischer Untersuchungen zu Syntax und Lexik zu belegen sind. In allen Kapiteln ist die zugrundeliegende Fragestellung stets die nach den ideologischen Implikationen. Um die verschiedenen Kapitel nicht doppelt aufzuführen, habe ich hier nicht mehr nach Themen oder Textsorten getrennt.
6.1. Syntax
6.1.1. Schlagzeilenanalyse
Schlagzeilen enthalten meist eine komprimierte Zusammenfassung des Artikels bzw. eine erste Hinführung zum Thema für den Leser (Lüger, 1995, 28/29). Die Schlagzeile fungiert somit als erster Leseanreiz, nicht selten gibt sie dem Rezipienten allein durch die Syntax aber auch zu verstehen, wie er ein bestimmtes Ereignis einzuordnen oder zu bewerten hat. Dies wurde in Kapitel 5.6.2. bereits gezeigt. Die folgenden Schlagzeilen gehören in den Zeitungen jeweils zum Eröffnungsbericht der Parlamentsdebatte und sollen genauer daraufhin untersucht werden, welches Bild dem Leser schon durch diese ersten Sätze vermittelt wird.
El País (23.09., S. 17):
PP y PSOE niegan cualquier crédito a Ibarretxe y le responden con sendas mociones de censura
El Mundo (23.09., S. 8):
PP y PSOE no creen en el discurso de Ibarretxe y le presentan sendas mociones de censura
ABC (23.09., S. 17):
PP y PSOE presentan dos mociones de censura a Ibarretxe ante su negativa a convocar elecciones
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es sich bei allen Schlagzeilen (auch der der baskischen Zeitungen) um vollständige Sätze handelt, nicht etwa um Ellipsen, und auf diese Weise klare und eindeutige Aussagen formuliert werden.
Alle drei spanischen Zeitungen weisen verblüffende Ähnlichkeiten in der Syntax der Schlagzeile und damit auch der Interpretation des Ereignisses auf. Alle beginnen den Ereignisbericht über die Debatte in gleicher Weise: Das handelnde Subjekt wird an den Satzanfang gestellt, in diesem Fall die Parteien PP und PSOE. Damit sind sie die eigentlichen Akteure, ihnen wird der aktive Part zugesprochen. Ibarretxe ist das Dativobjekt, mit dem sozusagen „etwas gemacht wird“; er hat den passiven Part inne. Ihm werden die Misstrauensvoten präsentiert; deutlich wird dies auch am Pronomen des indirekten Objektes le. Das folgende Verb drückt in El Mundo und El País eine deutliche Abwehrhaltung gegenüber Ibarretxe aus: Sie „verweigern“ ihm jegliches „Vertrauen“ und sie „glauben nicht“ an seine Worte. Beide Zeitungen leiten den zweiten Teil des Satzes durch die Konjunktion y ein. Dieser wird so zwar syntaktisch gleichgestellt, gibt aber gleichzeitig im direkten Objekt die Konsequenz dieses Vertrauensentzuges an, ebensogut könnte man also einfügen: y por eso le presentan sendas mociones de censura.
ABC stellt das direkte Objekt (dos mociones de censura) hinter das Verb und drückt durch die Präposition ante den diesem Verständnis zugrundeliegenden Kausalzusammenhang aus: Da Ibarretxe keine (notwendigen) Wahlen einberufen hat, wurden ihm die Misstrauensvoten präsentiert; er ist also gewissermaßen „selbst schuld“.
El Diario Vasco (23.09., S. 2):
Ibarretxe adelantaría las elecciones si no logra a corto plazo una mayoría estable
Deia (23.09., S. 22):
Ibarretxe emplaza a PP y PSE a que contesten en el Parlamento al debate que ayer rehuyeron
Gara (23.09., S. 14):
Ibarretxe adelantará los comicios tras constatar la falta de apoyo a su nueva iniciativa para la paz
Der wesentliche Unterschied in der Formulierungen der Schlagzeilen in den baskischen und spanischen Zeitungen liegt in der Perspektive, aus der sie dem Leser die Wirklichkeit übermitteln. In allen drei baskischen Zeitungen steht als handelndes Subjekt der baskische Regierungspräsident „Ibarretxe“ am Satzanfang. Während in El Diario Vasco und gara die spanischen Parteien gar nicht erwähnt werden, sind diese in Deia Objekt und werden zu etwas aufgefordert, ja fast „gezwungen“, was durch das Verb emplazar zum Ausdruck kommt. Die Präsensform drückt dabei einen noch andauernden Zustand aus, da das einberufene Plenum noch nicht stattgefunden hat. Das Verb des Satzes rehuir, welches sich auf PP y PSE bezieht, impliziert eine Feigheit dieser Parteien: Sie hätten sich der Debatte nicht stellen wollen.
Die Verbformen selbst stehen in allen drei Schlagzeilen in einem anderen Tempus. El Diario Vasco verwendet das Konditional I (adelantaría) in einem Bedingungssatz. Syntaktisch wird also eine mögliche Handlung des Subjektes Ibarretxe von der Bedingung abhängig gemacht, keine stabile Mehrheit hinter sich zu haben. Zum einen verdeutlicht dies die Abhängigkeit Ibarretxes von den Oppositionsparteien, zum anderen lässt das Konditional einen möglichen anderen Ausgang des Ereignisses offen. Der Satz ist in gewisser Weise ein Beispiel für die „diplomatische Neutralität“ der Zeitung.
Gara lässt durch die Form des Futur I (adelantará) keinen Zweifel an der Einberufung vorgezogener Wahlen. Die Präposition tras deutet den Kausalzusammenhang an: Nachdem Ibarretxe fehlende Unterstützung feststellen musste, wird er Wahlen einberufen (müssen). „Schuld“ an diesem Zustand sind also indirekt die Oppositionsparteien, während in den spanischen Zeitungen diese „Schuld“ Ibarretxe zugesprochen wurde.
6.1.2. Anführungszeichen
Indem man bestimmte Begriffe in Anführungszeichen setzt, kann man den eigenen Sprachgebrauch von einer fremden Ideologie distanzieren. Im Grunde zieht man damit die Angemessenheit des anderen Begriffes im Vergleich zu der eigenen Auslegung der Wirklichkeit in Frage. Demselben Zweck dienen Begriffe wie „sogenannt“, „wie sie es nennen“ u.ä. (Good, 1985, 29).
Der feststehende Ausdruck, welcher sich auf ein mögliches Referendum bezieht, wird in El Diario Vasco entweder ohne Anführungszeichen angeführt (el ámbito vasco de decisión, Bericht, 23.09., S. 2) und seine Angemessenheit damit nicht in Frage gestellt, oder relativ sachlich mit el denominado ambito vasco de decisión (DV, Kritik, 23.09., S. 3, Z. 80/81) bezeichnet, was seitens des Verfassers aber immerhin auf eine gewisse kritische Distanz zu diesem Begriff schließen lässt. ABC setzt den Ausdruck zur deutlichen Abgrenzung in Anführungszeichen („el ámbito vasco de decisión”, 24.09., S. 16, Z. 48) und El País setzt ihn entweder auch in Anführungszeichen (23.09., S. 19, Z. 14/15) oder spricht ironisch von el famoso ambito vasco de decisión (Leitartikel, El País, 23.09., S. 14, Z. 66/67).
Das Wort Lehendakari wird in El Mundo normalerweise kursiv gedruckt, um das baskische Wort vom eigenen spanischen Wortschatz zu trennen. In der Kritik La soledad del „lehendakari“ sowie im Leitartikel La desesperada maniobra de un „lehendakari“ increíble wird es jedoch in Anführungszeichen gesetzt, um die Position selbst in Frage zu stellen. Mit anderen Worten wird hier dem Amtsinhaber, in diesem Fall Ibarretxe, die Kompetenz aberkannt, dieses Amt auszufüllen. Es wird suggeriert, er sei dieser Bezeichnung gewissermaßen nicht mehr würdig. Ähnliches geschieht in Deia, wenn die Zeitung bzw. der betreffende Journalist das Wort „populares“ (für die Partei Partido Popular) in Anführungszeichen setzt (z.B. 23.09., S. 22, Z. 67 und Z. 96). Der Begriff ist abgeleitet von el pueblo, das Volk: Die Partido Popular ist also die Volkspartei und populares demnach diejenigen, die das Volk vertreten. Das Wort popular hat außerdem die Bedeutung „beliebt“. In den spanischen Zeitungen ist die Bezeichnung populares für die Partei PP sehr geläufig (vgl. z.B. El País, 23.09., S. 17, Z. 23). Wenn Deia den Begriff also in Anführungszeichen setzt, so wird auch hier angedeutet, dass man daran zweifle, dass diese Partei tatsächlich die Interessen des Volkes vertrete – was auch nicht auf sonderliche Beliebtheit schließen lässt. El Diario Vasco zeichnet sich grundsätzlich dadurch aus, dass die Zeitung sowohl die „spanischen“ als auch die baskisch-nationalistischen Termini übernimmt und sozusagen parallel verwendet. In den Berichten über die Debatte vom 23.09. wird weder das baskische Wort lehendakari (S. 2, Lead, Z. 1) noch der Ausdruck für das Referendem el ámbito vasco de decisión (S. 2, Lead, Z. 15) noch die Bezeichnung populares (S. 4, Untertitel) in Anführungszeichen gesetzt.
Für gewöhnlich wird die Wiedergabe wörtlicher Zitate in Anführungszeichen gesetzt. Damit kann man zunächst die indirekte Rede umgehen, in einigen Fällen aber auch Verwirrung stiften, da der Rezipient nicht mehr zwischen der Kennzeichnung eines wörtlichen Zitats und der Abgrenzung des Journalisten von einer bestimmten Ideologie unterscheiden kann. In Extremfällen wird dadurch der Unterschied zwischen Kommentar und Nachricht verwischt (Good, 1985, 58). Durch den Einbau von Zitaten in einen laufenden Text können außerdem Sinnzusammenhänge konstituiert werden, die nicht existieren. Der Untertitel des zweiten Berichtes über die Demonstration in ABC lautet beispielsweise: Solo los nacionalistas faltaron en la manifestación “contra el fascismo totalitario de ETA” (24.09., S. 20). Dass es sich bei der Aussage in Klammern um das Zitat eines prominenten Teilnehmers handelt, wird erst deutlich, wenn man den Bericht selbst liest. Das Wesentliche an dieser syntaktischen Stellung des Zitates ist jedoch, dass ein Zusammenhang suggeriert wird zwischen der Abwesenheit der Nationalisten und der Wertung des ETA-Terrors als „totalitärer Faschismus“. Auf diese Weise wirkt es, als seien die Nationalisten der Veranstaltung ferngeblieben, weil sie genau diesen „Faschismus“ nicht verurteilen. Ähnliches trifft zu auf Sätze, welche in eingeschobenen Nebensätzen über die Abwesenheit der PNV berichten: Intelectuales, artistas y políticos de todos los signos, salvo del PNV y EA, y de todas las instituciones, exceptuando el Gobierno y el Parlamento vascos, quisieron acompañar a las víctimas del terrorismo, de la extorsión, de la “kale borroka” y del miedo (ABC, Bericht, 24.09., S. 19, Lead). Der Positivaussage des einen Hauptsatzes werden die zwei Nebensätze, welche die Abwesenheit der baskischen Regierung erwähnen, derart untergeordnet, dass der Eindruck entsteht, diese wolle – gewissermaßen aus Desinteresse - den Terrorismusopfern nicht beistehen.
6.1.3. Aktiv-/Passivkonstruktionen
Durch Passivkonstruktionen bzw. passive Verbformen besteht die Möglichkeit, das Agens aus dem Geschehen auszublenden, was auf ein bestimmtes ideologisches Verständnis eines Ereignisses hindeuten kann (Beutin, in: Good, 1985, 25). Diese Ausblendung des Agens macht gara sich in der Demonstrationsberichterstattung durch Passivformulierungen zunutze. Diese unterstützen zum einen die bereits angesprochene Darstellung einer passiven Menge ohne Eigeninitiative und vernachlässigen zum anderen die Personen selbst, indem sie ihr Tun als im Grunde nicht relevant und noch weniger als anerkennungswürdig charakterisieren:
El lema [...] reunió a 23.000 personas...(Lead). La manifestación [...] recibió el respaldo de 23.000 manifestantes...(Z. 1-4). ...el PNV, cuya ausencia fue duramente criticada, [...] Ibarretxe, cuya dimisión fue exigida insistentemente. En el transcurso de la marcha fue repartido el manifiesto...(Z. 87-93). Un grupo de ertzainas encapuchados abrió la marcha, y su paso fue recibido con aplausos desde las aceras [...] (Z. 113-116, gara, Bericht, 24.09., S. 3).
Die Personifizierungen El lema reunió und la manifestación recibió el respaldo blenden sowohl die Organisatoren als auch die Teilnehmer aus und legen den Akzent auf die Unterstützung des Mottos der Demonstration. Der Text erweckt dadurch außerdem den Eindruck einer beabsichtigten Sachlichkeit, die nicht zuletzt eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber dem Ereignis hervorrufen soll und die ganz im Gegensatz zu der sehr emotionalen Teilnehmerdarstellung in den spanischen Zeitungen steht. Diese Emotionalität in der Berichterstattung dieser Zeitungen ist unter anderem eine Folge der durchgängig aktiven Verbformen. Auf diese Formen wird im Kapitel 6.2.1. eingegangen werden.
6.1.4. Verbindung Adjektiv und Nomen
Steht ein Adjektiv in beschreibender Funktion zusammen mit einem Nomen, so bekommt es zunächst einmal eine wertende Funktion. Ähnlich wie bei der Passivierung wird das Agens insofern ausgeblendet, als das Urteil wie eine „indirekte Stellungnahme“ gewertet werden kann (Pelster, in: Good, 1985, 27). In dieser Struktur wird das urteilende Agens syntaktisch untergeordnet, während die „modale“ Funktion in der Tatsache zu sehen ist, daß häufig in der abgeleiteten Struktur ein subjektives Urteil als „integraler Bestandteil objektiven Inhalts“ erscheint (ebenda, 27). Von einer solchen Funktion dieser syntaktischen Stellung kann man vor allem in El Diario Vasco sprechen: „... la errática actitud del lehendakari y [...] las delicadas consecuencias de su apuesta política, han acabado por diluir las escasas alternativas en las que Ibarretxe había despositado su esperanza de superar la actual situación (23.09., S. 32, “Las cartas boca arriba, Z. 56-61). Auf diese Weise besteht die Möglichkeit, eine Kritik, die in dieser Stelle mit der der spanischen Zeitungen identisch ist, etwas subtiler auszudrücken. In allen anderen Zeitungen dienen die sehr häufig als Adjektivattribute verwendeten Formulierungen eher der Unterstützung und Untermauerung von Meinungen und Feststellungen, welche die bereits eingeführten Sichtweisen bestätigen, betonen und vor allem veranschaulichen. Auf diese Weise wird eine deutliche, häufig auch sehr emotional besetzte Wertung vorgegeben:
(a) ... la sinrazón agobiante de los nacionalistas (ABC, 24.09., S. 16, “¡Lata de menisco!”, Z. 53/54).
(b) ... unas muy necesarias elecciones (ABC, 24.09., S. 21, “Donostia, Al Vent”, Z. 47).
(c) ... un plural y sentido homenaje en Legorreta (Deia, 24.09., S. 1, Aufmacher, Z. 22/23).
(d) ... la insidiosa corrosion abertzale de nuestras instituciones (El País, 22.09., S. 26, Z. 59/60).
(e) ... una impresionante multitud, (El Mundo, 24.09., S. 5, Z. 4).
(f) ... la potente maquinaria mediática (gara, Leitartikel, 24.09., S. 19, Z. 7).
(g) ... la insaciable voracidad del unionismo (gara, Leitartikel, 23.09., S. 25, Z. 44/45).
6.1.5. Kohärenz
Die bereits angesprochene Verbindung der verschiedenen Themen mit dem dominierenden Thema „Neuwahlen“ findet ihren Ausdruck auch beispielsweise in inkohärenten Schlagzeilen oder Leadsätzen. ABC berichtet am Tag der Debatte, einem Samstag, auch über die am folgenden Mittwoch stattfindende Feier zur Ehrung der Opfer des Terrorismus. Die Schlagzeile bezieht sich auf genau dieses Ereignis („El Gobierno y las Cámaras homenajean el miércoles a las víctimas del terrorismo“), der darauffolgende Untertitel jedoch bezieht sich auf die Äußerung des spanischen Regierungssprechers Pío Cabanillas mit der Forderung nach Neuwahlen („Cabanillas contesta a Ibarretxe que es la lógica democrática la que pide elecciones“, S. 26). Zunächst einmal haben beide Vorkommnisse nichts miteinander zu tun, weshalb man von einer Inkohärenz der Schlagzeile und dem Untertitel sprechen kann. Auf diese Weise wird das gewissermaßen „dominant gesetzte“ Thema Neuwahlen in andere Themen eingebunden und die allgemeine Kritik aufgegriffen, welche die baskische Regierung für die aktuelle Situation verantwortlich macht.
El País fasst im Lead, platziert über der eigentlichen Ereignisberichterstattung der Demo, die wichtigsten Fakten über das Demonstrationsereignis zusammen. Der letzte Satz bezieht sich dann aber übergangslos auf die Bemerkung der baskischen Regierung, die präsentierten Misstrauensvoten von PP und PSOE seien ohne alternatives, gemeinsames Regierungsprogramm ein „demokratischer Betrug“. Auf diese Weise wird auch hier durch eine Inkohärenz das Thema Demonstration mit den Konsequenzen der Debatte von Vortag verbunden und das Thema „Neuwahlen“ stets präsent gehalten.
6.2. Lexik
6.2.1. Verben
Die Darstellung des Demonstrationsereignisses in Deia ähnelt der Darstellung in gara insofern, als sie ebenfalls sehr sachlich gehalten ist. Diese Sachlichkeit wird hier jedoch weniger durch Passivformulierungen als durch die Art der Verben hervorgerufen, welche die Aktivitäten der Teilnehmer beschreiben. An einer Stelle wird die mögliche aktive Verbform in eine Nominalisierung umgewandelt („También hubo nutrida representación de políticos“, 24.09., S. 24, Z. 33-35), in allen anderen Fällen wird die jeweils neutralste und sachlichste Verbform der verschiedenen Wortfelder gewählt. „Neutral“ ist hier in dem Sinne gemeint, dass dem Leser wenig Assoziationsspielraum bezüglich des „Wie“ gelassen wird, mit anderen Worten: emotionslos. Auf diese Weise wird hier für den Leser eine Distanz zu dem Ereignis aufgebaut, die eine persönliche Identifizierung mit den Teilnehmern zumindest erschwert.
Setenta mil personas [...] se dieron cita ayer en Donostia para para (sic!) participar en la manifestación (S. 24, Bericht, Z. 4-6). ... Asimismo, también participaron... (Bericht, Z. 47)... En sus palabras valoraron la manifestación (Z. 7, “Un triunfo sobre la indiferencia y el miedo”) ... Asimismo, añadieron que...(Z. 9) ... Por último, citaron un párrafo de “El Quijote”... (Z. 12) ... la despedida tomó un aire festivo...(Z. 15/16). Durante el trayecto rompieron en aplausos y en varias ocasiones entonaron cánticos en favor de la paz y la libertad (Bericht, Z. 101-104).
Die Verbformen in der Berichterstattung der spanischen Zeitungen zeichnen sich dadurch aus, dass besonders solche gewählt wurden, welche die große Anzahl der Teilnehmer verdeutlichen oder aber deren Courage und Entschlossenheit unterstreichen. Die Verbformen sind insgesamt sehr emotional besetzt und werden teilweise metaphorisch verwendet (vgl. ABC, Z. 63/64, s.u.). So besteht für den Rezipienten durch eine anschauliche Berichterstattung die Möglichkeit, die Demonstration als wirkliches „Ereignis“ zu begreifen und sich mit den Teilnehmern zu identifizieren.
Miles de ciudadanos [...] abarrotaron los cuatro kilómetros de recorrido para reclamar (ABC, 24.09., S. 19, Z. 3-6)... los ciudadadanos que se echaron a la calle (ABC, Z. 14/15) ... víctimas de ETA, que tomaron las calles en una muestra de civismo y valentía (ABC, Z. 41-43) ... la gente invadió la manifestación (ABC, Z. 63/64)... los presentes evocaron unas palabras que Cervantes puso en boca de Quijote (El Mundo, 24.09., S. 10, Z. 67-69) ... Miles de personas se lanzaron ayer a la calle (El País, 24.09., S. 18, Z. 1/2)... una multitud que se agolpó en los jardines de Alderdi Eder (Z. 55/56).
6.2.2. Schlagworte
Als politische Schlagworte kann man solche Wörter bezeichnen, die in der öffentlichen Diskussion wiederkehrend, vermehrt oder sogar inflatorisch auftreten und mit denen die politische Einstellung, das Denken und schließlich auch das Verhalten des Empfängers beeinflusst werden soll: „Darum ist politische Auseinandersetzung nicht nur Kampf mit Wörtern, sondern auch oft Kampf um Wörter, meist um Schlagwörter“ (Klein, 1989, 11). Durch ihre komprimierte Form, in der sie ein bestimmtes Argument präsentieren, kann mitunter auch die Schwäche der Argumentation verdeckt werden, da sie so nicht explizit formuliert werden muss. Schlagworte besitzen somit ein großes suggestives und manipulatives Potential (ebenda, S. 13/14).
Im Zusammenhang mit dem Demonstrationsereignis ist zunächst das Schlagwort Freiheit anzuführen, welches die drei spanischen Zeitungen verwenden: „Cuando lo que está en juego es la libertad de los ciudadanos no caben ni la equidistancia ni la ambigüedad“ (El Mundo, 24.09., S. 5, Z. 40-43). In der Reportage „Caras al viento” (El Mundo, 24.09., S. 14) wird das Wort nicht weniger als neun Mal verwendet. Neben Freiheit ist ein weiteres Schlagwort in El País das der Angst: „Luego, la gente, mucha gente desperezando su miedo“ (El País, 24.09., S. 19, Lead) „Hoy somos más, pero también tenemos más miedo“ (El País, 24.09., S. 20, Schlagzeile). Die häufige Wiederholung beider Schlagwörter entwirft das Bild eines unfreien und unterdrückten Volkes, welches in einem völligen Ausnahmezustand, nämlich in ständiger Angst leben müsse. Wichtig ist hier, dass die Betonung auf der Allgemeinheit liegt; es handle sich also nicht nur um Politiker, Polizisten oder Journalisten, die um ihre Leben fürchten müssen, sondern um das gesamte baskische Volk. Es könne jederzeit jeden treffen. Die Angst wird somit generalisiert, was die Notwendigkeit erhöht, gegen diesen Zustand etwas zu unternehmen. Dieses Schlagwort findet sich auch übereinstimmend in den Reden der Parteisprecher von UA, PP und PSE in der Debatte.
El Mundo verwendet vorwiegend die Schlagworte „Erpressung” (chantaje) und politischer „Preis” (precio político): „...el futuro del País Vasco no puede estar sometido al chantaje ni al precio político que ETA reclama” (El Mundo, 24.09., S. 5, Z. 12-15). ETA versuche, durch Anschläge und Attentate das Volk derart einzuschüchtern und zu verängstigen, dass man sich am Schluss gezwungen sehe, den Forderungen der Organisation nachzugeben. Das sei eine Erpressung, der man nicht nachgeben dürfe, denn der Friede und die grundlegendsten Menschenrechte dürften keinen (politischen) Preis haben. Diese Wortwahl bezweckt zweierlei: Zunächst einmal dient sie als eine Art Durchhalteparole für die breite Leserschaft, denn wenn man von jemandem erpresst wird, noch dazu mit diesen Mitteln, wäre es schließlich eine Schwäche, dem nachzugeben und könnte ungeahnte Konsequenzen haben („Da könnte ja jeder kommen...!“). Zum anderen dienen diese Schlagworte als Rechtfertigung der sogenannten „polizeilichen Lösung“ des Konfliktes, für welche die Regierung eintritt. Der Staat werde sich der Erpressung der Terrororganisation nicht unterwerfen, also nicht mit ETA verhandeln. Wenn aber nicht verhandelt wird, muss das Problem folglich mit den legalen Mitteln, welche dem Staat zu Verfügung stehen, – der Polizei, harten Strafmaßnahmen – gelöst werden. Damit übernimmt El Mundo an dieser Stelle auch das Argument von Carlos Iturgaiz (PP) in der Debatte: „... porque lo cierto es que Vd. (A.W.: Ibarretxe) nos sigue proponiendo un diálogo para avanzar, como le decía anteriormente, hacia la soberanía y no un diálogo a favor de la paz, de la única paz posible que es la paz sin precio político.“
Das am häufigste verwendete Schlagwort in ABC ist das der (politischen) „Wende” bzw. semantisch verwandter Begriffe: „un cambio de rumbo político en el País Vasco“ (24.09., S. 20, Schlagzeile), „Un nuevo tiempo” (24.09., S. 3, Schlagzeile), „una etapa nueva“ (Z. 10), „este nuevo tiempo“ (Z. 11), „la alternancia de gobierno“ (Z. 14), „el espíritu de cambio“ (Z. 60), “el fin de una época” (Z. 96/97). Das Insistieren auf dem Begriff, welcher mit den geforderten Neuwahlen in Verbindung steht, soll dem Leser nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch die Dringlichkeit einer solchen Wende vor Augen führen. Weitere Schlagwörter sind neben „Freiheit” die des „Faschismus” und des „Rechtsstaates”:
... el Estado de Derecho no es sino la interpretación sólida de España. O dicho de otra manera, que en el caso de que un día se terminara con la idea de España caería necesariamente el Estado de Derecho...” (24.09., S. 17, Z. 85/91). ...la ciudad ha estado más hermosa, llena de ciudadanía en rebeldía contra el fascismo (24.09., S. 21, Z. 9).
In der Verwendung dieser Schlagworte bestehen deutliche Parallelen zwischen ABC und El Mundo: “... se han sacudido [A.W.: los manifestantes] un temor real para defender el Estado de Derecho y la fuente de la legitimidad de las instituciones democráticas vascas (El Mundo, 24.09., S. 5, Z. 36-40).
Ein solcher Sprachgebrauch führt letztendlich auch zu einer Einstellung beim Leser gegenüber dem Konflikt, welcher die Fronten weiter verschärft und auch die polizeiliche Lösung unterstützt: Es wird sprachlich eine klare Grenze gezogen zwischen den Prinzipien Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, welche ausschließlich dem spanischen Staat zugestanden werden, und auf der anderen Seite der politischen Situation im Baskenland, in dem das Chaos regiere, die bestehende Ordnung und der Rechtsstaat in Gefahr seien, ja es wird beinahe die Apokalypse prophezeit. Die Wortwahl steht nicht zuletzt im Zusammenhang mit der geforderten politischen Wende, die diesen Zustand beenden soll aufgrund der „Ohnmächtigkeit“ der aktuellen Regierung. Suggeriert wird dadurch außerdem, dass eine Lösung des Konfliktes keinesfalls in einer sozusagen „revolutionären“ Veränderung des Staates liegen könne, fast so, als gebe es nach einer eventuellen Unabhängigkeit des Baskenlandes keinen spanischen Rechtsstaat mehr.
Auffällig in Deia ist die Wiederholung des Begriffes „Einheitsdenken“. Dieses Schlagwort richtet sich in den Kommentaren gegen jede Art des Denkens, die als „aufgezwungen“ empfunden wird, und zwar sowohl von spanisch-nationalistischer als auch von baskisch-radikaler Seite:
(a) ...luego cualquier cosa es posible, porque el pensamiento único de Madrid, apoyado por ETA no admite más que una versión de las cosas y de las opiniones (Deia, 24.09., S. 17, Z. 122-25). [...]
(b) Como tales (A.W.: como enemigos) son tratados cuando en una manifestación se grita “ETA, ¡mátalos! o en otra se acusa de cómplice del crimen a quién legítimamente piensa distinto. Queda instaurada así la máxima del pensamiento único: o conmigo o contra mí (Deia, 24.09., S. 29, “El ejemplo de Legorreta”, Z. 28-35).
Beide Zitate treten auf in Kommentaren über die Demonstration. So versuchten ETA und deren Anhänger, ihr Ideal eines unabhängigen Staates allen anderen mit Gewalt aufzuzwingen, und ließen in ihrer Radikalität keine anderen Lösungen oder Meinungen gelten. Auf der anderen Seite wird aber auch den spanischen Nationalisten vorgeworfen, ihr Verständnis von Demokratie, welche sie automatisch gleichsetzten mit der spanischen Verfassung, als das einzig Richtige darzustellen und jeden zu diskreditieren, ja der Radikalisierung zu beschuldigen, dessen Auffassung nicht konform mit der „spanischen“ gehe. Es gebe durchaus einen baskischen Nationalismus, der sich zwar von Spanien abgrenze, der aber nichts mit ETA zu tun habe. Durch die Terrorakte gebe ETA wiederum indirekt der spanischen Regierung (hier „Madrid“ als pars pro toto) Argumente, um deren Verhalten rechtfertigen zu können. Mit dem „Einheitsdenken aus Madrid“ wird hier auch ein Argument von Joseba Egibar (PNV) aufgegriffen:
„... porque Ustedes [A.W.: wendet sich an die Opposition] están defendiendo de una forma tan perversa lo que es democracia que lo están asociando: Constitución y Estatuto -, democracia es Constitución y Estatuto. Y el Sr. Aznar dice más: Democracia es la interpretación que yo hago de la Constitución y el Estatuto. ¡Eso nos lleva a un escenario del pensamiento único! Y yo entiendo que para algunos un escenario de pensamiento único puede ser más sencillo porque dos pensamientos o tres les complica la vida...” (vgl. auch Debatte).
Ein Schlagwort, dass in gara und Deia gleichermaßen verwendet wird, ist das der „Kampagne“ gegen den baskischen Nationalismus: „Se ve que la prensa está con el uniforme de campaña. De campaña contra Ibarretxe a la espera de que llegue por fin la campaña electoral, y de campaña de agitación [...] (gara, 24.09., “De campaña”, Z. 1-5).
“... no ha habido medio de comunicación que no haya hecho beligerante campaña en favor de la manifestación... (Deia, 24.09., S. 17, Z. 102-105; vgl. hierzu auch Carlos Garaikoetxea von EA in der Debatte: “Yo no he visto una campaña más impúdica [A.W.: contra el nacionalismo vasco] en mi ya, por desgracia iba a decir, larga vida política”).
Der Begriff ist weit gefasst. In der Berichterstattung über die Demonstration bezieht er sich hauptsächlich auf die Kommunikationsmedien, denen vorgeworfen wird, einseitig und dementsprechend „manipulativ“ zu berichten. Der Vorwurf der Kampagne wird aber darüber hinaus auf die spanische Regierung und das ganze öffentliche und politische Leben ausgeweitet. Eine solche Darstellung appelliert an die Solidarität des Lesers. In dem Maße, in dem durch solcherlei „Bedrohung“ ein Feindbild aufgebaut wird, schafft die Wortwahl gleichzeitig ein „Wir-Gefühl“ und damit eine klare Abgrenzung zu den „Aggressoren“.
6.2.2.1. Die deontische Bedeutung
Sofern es um die Einstellungen zu einem Sachverhalt geht, die ein Wort transportiert, spricht Hermanns auch von der „deontischen Bedeutungskomponente” eines Lexems. Dies verdeutliche, so Klein, warum Wertung und Appell im politischen Sprachgebrauch untrennbar miteinander verbunden sind: „Bewertung und Appell sind Ausprägungen desselben deontischen Geltungszusammenhangs“ (1989, 13).
Ein umstrittener oder vieldiskutierter Sachverhalt kann von zwei ideologischen Gruppierungen mit zwei verschiedenen Schlagworten bezeichnet werden; sie werden somit „referenzidentisch“ gebraucht. Diese Referenzidentität ist allerdings nicht mit Synonymie zu verwechseln. In jedem Ausdruck werden andere charakteristische Merkmale desselben Sachverhalts hervorgehoben und damit eine andere Wertung bezweckt. So kommt es zu konkurrierenden deontisch positiven und deontisch negativen Bezeichnungen (Klein, 1989, 17/18). In der folgenden Tabelle sind Schlagwörter aufgeführt, die sich in den Zeitungen auf denselben Sachverhalt beziehen, von Spaniern und radikalen baskischen Nationalisten aber unterschiedlich gewertet werden. Die linke Spalte der Tabelle versucht einen relativ „wertneutralen“ Ausdruck für die verschiedenen Sachverhalte zu geben.
Sachverhalt Deontisch positive(re) Bezeichnung (El País, El Mundo, ABC) Deontisch negative(re) Bezeichnung (gara)
Die spanische Verfassung von 1978 La Constitución (El País, 24.09., S. 14, Z. 4/5), el marco democrático vigente (El País, 24.09., S. 14, Z. 68) La Constitución española (24.09., S. 1, Z. 4), el actual marco (jurídico) – político (23.09, S. 14, Z. 57/58), el marco constitucional (22.09., S. 25, Lo que les une, Z. 23)
Spanischer Teil der Iberischen Halbinsel España, el Estado de Derecho (El Mundo, 24.09., S. 5, Z. 38) El Estado español (24.09.,
S. 1, Z. 26)
Das Autonomiestatut für die autonome Region „País Vasco/Euskadi” von 1979 El Estatuto (El País, 24.09., S. 14, Z. 42) El Estatuto de Gernika (El Mundo, 24.09., S. 1, Aufmacher) Estatuto autonómico (24.09., S. 19, Z. 3) Estatuto de la CAV ( = Comunidad Autónoma Vasca, 24.09.,
S. 1, Z. 5/6)
Der spanische Präsident El Presidente del Gobierno (José María Aznar) (El Mundo, 23.09., S. 10, Z. 103) Aznar (22.09., S. 25, Z. 15), el presidente Aznar (22.09., S. 25, Z. 14), el presidente español (24.09., S. 5, Z. 83)
Die Regierung Spaniens El Gobierno (ABC, 24.09., S. 19, Z. 69, El Mundo, 23.09., S. 10, Schlagzeile) El Gobierno español (24.09., S. 3, Lead), el Gobierno del PP (24.09., S. 3, Untertitel), el Ejecutivo de Aznar (24.09., S. 1, Z. 30)
Die spanischen Medien Medios de comunicación (El Mundo, 23.09., S. 10, Z. 15) Medios de difusión (24.09., S. 5, Z. 120/121)
Die spanische autonome Region País Vasco bzw. Euskadi País Vasco (El Mundo, 24.09., S. 5, Z. 13) Euskadi (El País, 24.09., S. 14, Z. 1) La CAV (23.09., S. 15, Z. 76)
Sachverhalt Deontisch positive(re) Bedeutung (gara, Deia) Deontisch negative(re) Bedeutung (El País, El Mundo, ABC)
Das nationalistische Abkommen von 1998 Lizarra-Garazi (gara, 23.09, S. 16, Z. 17), Lizarra (Deia, 23.90., S. 22, Z. 93) el Acuerdo de Lizarra (Deia, 23.09, Rede Otegi, Z. 21) El Pacto de Lizarra (El País, 23.09., S. 18, Z. 3) el Pacto de Estella (ABC, 23.09., S. 18, Lead)
Wenn in den spanischen Zeitungen von España die Rede ist, so schließt dies keinen Teil aus, sondern wertet die Einheit Spaniens als positiv. Dies wird unterstützt durch die positiv besetzte Bezeichnung als „Rechtsstaat“. Die durchgehende Bezeichnung in gara „El Estado español“, statt beispielsweise „España“, legt einerseits die Betonung auf den spanischen Staat als Machtapparat, welcher das Potential zur Unterdrückung besitzt, andererseits wird durch die adjektivische Bestimmung eine klare Abgrenzung zu einem geographischen Gebiet vorgenommen, zu dem man sich nicht zugehörig fühlt. Die gleiche Abgrenzung gilt für Bezeichnungen wie „der spanische Präsident“, „die spanische Verfassung“ und „die spanische Regierung“. Indem die Region selbst nicht mit dem spanischen Namen País Vasco, ja noch nicht einmal mit dem baskischen Euskadi, wie beispielsweise in Deia bezeichnet wird, sondern als CAV, als autonome Region innerhalb des spanischen Staates (Comunidad Autónoma Vasca), unterstreicht dies den „inakzeptablen“ Übergangscharakter der geographisch - politischen Aufteilung.
Gara verwendet auch außergewöhnlich häufig den Ausdruck medios de difusión statt medios de comunicación wie die anderen Zeitungen. Statt auf den Aspekt der Kommunikation, wird der Akzent also auf die Aufgabe der Medien, Nachrichten zu verbreiten, gelegt. Im Zusammenhang mit der angeblichen Kampagne gegen den Nationalismus gewinnt der Verbreitungsaspekt insofern an Bedeutung, als den Medien durch diese Titulierung im Grunde aberkannt wird, tatsächlich Kommunikation zu betreiben und ihnen unterstellt wird, sich lediglich auf die Verbreitung von bestimmten Inhalten und Informationen zu beschränken – in diesem Fall gegen den baskischen Nationalismus.
Das Abkommen zwischen den Parteien PNV, EA, EH, IU und weiteren nationalistischen Gruppierungen trägt offiziell den Namen Declaración de Lizarra. Die positivere deontische Bedeutung kommt hier in den baskisch - nationalistischen Zeitungen dadurch zum Ausdruck, dass die Erklärung – gewissermaßen als vertrautes Dokument - mit dem Namen selbst, Lizarra, oder aber als Abkommen, als Übereinkunft (el Acuerdo de Lizarra) bezeichnet wird. Eine solche Übereinkunft bedeutet, dass es zwischen mehreren gleichberechtigten Partnern einen Dialog gab, der zu einer Vereinbarung geführt hat. Die Bezeichnung Pakt jedoch (Pacto de Lizarra) besitzt eindeutig ein deontisch negatives Potential. Einen Pakt schließt man mit dem Teufel; diesen repräsentiert in diesem Fall die Partei EH als politischer Arm der ETA. Auffällig ist hierbei ebenfalls, dass ABC durchgängig die spanische Bezeichnung „Pacto de Estella“ statt des baskischen Namens „Lizarra“ verwendet.
6.2.2.2. Ideologische Polysemien
Es existieren mehrere Schlagwörter, die in den verschiedenen Zeitungen einheitlich verwendet werden. Es handelt sich dabei um Lexeme, welche von vornherein deontisch so positiv oder auch negativ besetzt sind, dass sie nicht verändert werden. Einheitlich sind jedoch nur die Lexeme an sich, nicht aber die implizierten Bedeutungen. Klein spricht in diesem Zusammenhang auch von sogenannten „ideologischen Polysemien“ (1989, 23). Die Lexeme, um die es sich im vorliegenden Fall handelt, sind die positiv besetzten Hochwertwörter „Freiheit, Menschenrechte, Demokratie und Gerechtigkeit“ und das negativ besetzte Schlagwort „Unterdrückung“. In den im Anhang dokumentierten Texten finden sich auch häufig Paraphrasierungen, welche auf diese Schlagworte anspielen oder sie ersetzen. Im Folgenden wird anhand einiger Textauszüge aus den verschiedenen Artikeln zu klären sein, welches Verständnis dem jeweiligen Sachverhalt zugrunde liegt. Der erste Textauszug beinhaltet das Ende des Leitartikels über die Demonstration in gara:
De ahí que el futuro que deseemos para Euskal Herria sea aquel en el que desaparezca la imposición de cualquier proyecto político por la fuerza y toda conculcación de los derechos humanos. En el que nadie sufra ningún tipo de temor, ninguno, por defender sus ideas políticas y en el que las diferentes visiones de cómo debe ser la organización política del país no tengan freno ni cortapisa alguna para poder plasmarse en la realidad si así lo decide la ciudadanía de forma mayoritaria y democrática.
Ese es el futuro que , desgraciadamente, hoy por hoy nos niega a los vascos la Constitución española. Por eso, lo que deseamos es que el proyecto político de los abertzales pueda confrontarse libremente con el que ayer otros conciudadanos – sean muchos o pocos – defendieron en las calles de Donostia, y que dicha confrontación pueda realizarse en igualdad de condiciones (gara, Leitartikel, 24.09., S. 19, Z. 34-50).
Die ersten hier angesprochenen Schlagworte sind Unterdrückung („la imposición de cualquier proyecto político por la fuerza”) und Menschenrechte („toda conculcación de los derechos humanos”). Wenn in gara von diesen Begriffen die Rede ist, so ist dies stets aus baskisch - radikalem Blickwinkel zu sehen. Die Unterdrückung bezieht sich in diesem Fall auf den spanischen Staat als Machtorgan, der einer Minderheit – in diesem Fall dem baskischen Volk – ein Staatsform aufzwingt, welche von dieser nicht erwünscht ist, ja niemals war. Da die spanische Verfassung von 1978 im Baskenland insgesamt abgelehnt wurde, kann sie dieser Logik zufolge nicht als die gültige Legitimationsgrundlage anerkannt werden. Trotz dieser Ablehnung wurde das Baskenland jedoch in Autonomien aufgeteilt und dem spanischen Staat unterstellt. Die Verfassung, auf die sich die Staatsform gründet, untersagt den einzelnen Regionen die Möglichkeit der Unabhängigkeit. Insofern ist hier Unterdrückung ein Zustand, in dem der spanische Staat den aktiven Part als Unterdrücker übernimmt, während das baskische Volk den passiven Part als „Unterdrückter“ innehat.
Wenn auf die Menschenrechte angespielt wird oder vielmehr die Verletzungen derselben, so ist damit zum einen die Politik der gezielten Verteilung der politischen Gefangenen über ganz Spanien gemeint, ebenso wie die Situation deren Angehörigen (hier werden häufig deren Unfälle auf dem langen Weg in die Gefängnisse angeführt), und zum anderen die Misshandlungen auf Polizeirevieren oder in den Gefängnissen.
Demokratie und Freiheit hängen eng zusammen, dergestalt, dass nach diesem Verständnis wahre Demokratie diejenige sein sollte, welche dem Volk die wirkliche Wahl der Alternative lässt, in diesem Fall also auch die eigene Entscheidung über die Zukunft des baskischen Volkes. Diese Entscheidung finde ihren Ausdruck in einem Referendum („el ámbito vasco de decisión“), welches der spanische Staat jedoch verwehre. Mangelnde Gerechtigkeit herrsche deswegen, da ein Ungleichgewicht im Kräfteverhältnis („ ... y que dicha confrontación se pueda realizar en igualdad de condiciones“) bestehe durch die mannigfaltigen Möglichkeiten der Unterdrückung, welche dem spanischen Staat zur Verfügung stehen sowie das zahlenmäßige Ungleichgewicht zwischen „Basken“ und „Spaniern“.
(a) ... mientras la multitud defendía con entusiasmo la libertad y la legalidad democrática como tutela de sus derechos (El Mundo, Leitartikel, 24.09., S. 5).
(b) ... esta situación en la que una minoría violenta está haciendo callar a una mayoría (ABC, Imagenes, 24.09., S 6).
(c) El sentido esencial de la movilización de ayer subraya la decidida voluntad de los asistentes de salvaguardar una convivencia social pacífica en plena libertad y sin que el hecho de defender unas determinadas ideas o proyecto político pueda comportar el riesgo de ver en peligro la propia vida (DV, Leitartikel, 24.09., S. 30).
Wenn demgegenüber in den spanischen Zeitungen und auch in El Diario Vasco die Rede von Unterdrückung ist, so ist damit die ETA als Terrororganisation gemeint; eine Minderheit, welche die Mehrheit des spanischen und auch des baskischen Volkes durch Attentate und Morde, klare Verletzungen der elementarsten Menschenrechte, einschüchtert und erpresst, um ein Ziel zu erreichen, welches der Mehrheit auf diese Weise aufgezwungen werden soll. Zu dieser Politik der Einschüchterung und Erpressung gehören ebenfalls der Angst verbreitende Straßenkampf der radikalen Jugendlichen, die Revolutionssteuer und die Bedrohung von Personen des öffentlichen Lebens, also im Wesentlichen traditionelles Instrumentarium des Terrors von Minderheiten. Freiheit ist in dieser Bedeutung des Wortes die Freiheit von der Angst um das eigene Leben, die physische Integrität und die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung. Diese Freiheit garantiere die spanische Verfassung als mehrheitlich angenommene Grundlage und demokratische Legitimation der Staatsform. Die spanische Verfassung steht also gleichsam als Sinnbild für die Demokratie und Spanien als Rechtsstaat (el Estado de Derecho) symbolisiert den Garanten für Freiheit und Gerechtigkeit.
6.2.3. Semantische Felder
Im mentalen Wortschatz des Menschen gibt es eine Reihe von Zusammenhängen, die man „semantische Relationen“ oder „Sinnrelationen“ nennt. So stehen die einzelnen Worte nicht isoliert, sondern in Relation zu anderen Wörtern und gliedern sich in sogenannte „semantische Felder“ (Schwarz/Chur, 1996, 53/60). Ein solches semantisches Feld umfasst Worte ähnlichen Inhaltes mit „gemeinsamem Referenzbereich“, also beispielsweise verschiedene Verben der Fortbewegung (gehen, laufen, spazieren) oder menschlicher Äußerungen (sagen, sprechen, erzählen). Diese Wortfelder bilden damit „lexikalische Paradigmen“ (ebenda, 60). Es gibt jedoch auch semantische Felder, welche nicht aus der gleichen Wortart bestehen. Experimente haben gezeigt, dass beispielsweise „Hund“ und „bellen“ oder „Auto“ und „fahren“ assoziativ eng miteinander verbunden sind. Es gibt also gewisse Wissenstrukturen über bestimmte Erfahrungen, die aus unterschiedlichen Kategorien stammen (ebenda, 62). Im Folgenden soll der Begriff des semantischen Feldes in diesem weiteren Sinne als assoziatives Feld verstanden werden.
El Mundo verwendet das semantische Feld „Tod“, um auf metaphorischer Ebene den politischen „Tod“ Ibarretxes zu verdeutlichen, mit anderen Worten, das erwartete Ende seiner Position als Regierungspräsident sowie das Ende der Legislaturperiode seiner Regierungskoalition. Das assoziative Feld durchzieht nicht nur die Kritik „Con la muerte en los talones“ (23.09., S. 9), sondern findet sich ebenfalls in der Kritik unter dem Ereignisbericht (La soledad del „lehendakari“) sowie im Leitartikel:
... atrapar hasta el último aliento que le permita prolongar un poco más su permanencia política ... le espera la muerte política (El Mundo, Kritik, S. 8, Z. 4/5 und 39/40)
Cuando subió al estrado de oradores, ya llevaba Ibarretxe la muerte en los talones. El cadáver de Ruiz Casado [...] era la penúltima manifestación del cadáver de Lizarra ...(Z. 1-6)... estaba condenado a leer su testamento. Con una media de un asesinato por semana... (Z. 12-14) [...] Entró agonizante y salió muerto. Sólo falta la publicación oficial de la esquela de su fallecimiento ...(Z. 20-23)... las exequias de su gobierno (Z. 26/27) [...] Después de haber dinamitado el pacto de Lizarra, y volado la cabeza política de Ibarretxe,...(Z. 72-74, El Mundo, Kritik, S. 9).... una mano envenenada ... (El Mundo, Leitartikel, S. 3, Z. 57-60).
Zunächst einmal handelt es sich natürlich um eine klare Akkumulation von Metaphern. Auffällig waren jedoch die Wiederholungen von Begriffen aus dem assoziativen Bereich Tod bzw. Ende des Lebens: u.a. „letzter Atemzug“, „Kadaver“, „Begräbnisfeierlichkeiten“, „Testament“, „vergiftet“, „Todesanzeige“, „Mord“. Die verfassenden Journalisten spielen bewusst mit sehr negativen und emotionalen Assoziationen, die nicht nur metaphorisch das Ende der aktuellen baskischen Regierung verdeutlichen sollen, sondern auch einen assoziativen Zusammenhang zwischen deren Politik und den letzten ETA-Attentaten herstellen. Es wird damit suggeriert, Ibarretxe und seine Regierung seien persönlich verantwortlich für die letzten Morde und Attentate (Con una media de un asesinato por semana..., Z. 14/15), was wiederum die Forderung nach deren Abdankung „erklärt“ und bekräftigt. Das semantische Feld kann vor allem durch die Wiederholungen von Begriffen aus diesem Bereich beim Leser eine Mischung der Emotionen Abscheu, Ekel, Wut und Hass hervorrufen, wodurch eine deutlich ablehnende Haltung gegenüber der baskischen Regierung sowie ihren Anhängern resultieren kann, was nicht ganz unbeabsichtigt erscheint.
6.2.4. Klassifizierungen
Unter „Klassifizierungen” versteht man Einordnungen von Begriffen in bestimmte Kategorien, welche die Wirklichkeit deuten und werten (Good, 1985, 28). Durch diese Einordnung wird gewissermaßen Wirklichkeit konstituiert: „Klassifizierung ist ein erster Schritt der sprachlichen Strukturierung der außersprachlichen Wirklichkeit. Sie ist somit ein überaus ideologischer Akt, denn die begriffliche Struktur, die durch diesen Akt entsteht, bildet eben d i e (!) Wirklichkeit, in der der Mensch lebt. In Texten entstehen gleichsam sekundäre Welten, in denen neue begriffliche Strukturen entstehen oder alte bestätigt werden“ (ebenda, 59). Diese Klassifizierung der Begriffe ist in einigen Fällen eng verbunden mit der bereits angesprochenen deontischen Bedeutung. Eine Unterteilung nehme ich hier insofern vor, als unter dem Kapitel der deontischen Bedeutung ausschließlich Schlagworte aufgeführt wurden, in diesem Kapitel aber auch Begriffe untersucht werden, welche in den untersuchten Texten nicht unbedingt dieser Kategorie angehören. Hinzu kommt, dass es bei den Klassifizierungen nicht immer implizierte Bedeutungen sind, welche angesprochen werden, sondern häufig ganz explizit ausgedrückte Wertungen.
ETA und der baskische Konflikt
Alle Zeitungen (außer gara) bedienen sich bei der Benennung der Untergrundorganisation ETA einer großen Auswahl semantisch negativ besetzter Begriffe: „los terroristas“ (El País, 24.09., S. 20), „los pistoleros“ (El Mundo, 23.09., S. 9, „Con la muerte...”, Z. 54/55), „la banda terrorista“ (El País, 24.09., S. 18, Lead), „los asesinos“ (ABC, 24.09., S. 4, Z. 26), “el grupo terrorista” (Diario Vasco, 24.09., S. 6., Z. 53), „la barbarie de ETA“ (Deia, 24.09., S. 17, Z. 61/62). Dieser Bewertung der Untergrundorganisation entzieht sich gara dadurch, dass die einzige Bezeichnung für die Organisation ETA lautet. Gegen die äußerst emotional besetzte Wortwahl aller anderen Zeitungen wirkt diese schlichte Benennung fast schon wie ein Euphemismus.
Der baskische Konflikt selbst ist in den spanischen Zeitungen identisch mit dem ETA-Terror. ETA ist somit die eigentliche Ursache, ETA ist der baskische Konflikt: Eine mordende Terrororganisation, der man noch nicht Herr geworden ist. El Mundo und ABC zeichnen sich außerdem dadurch aus, dass in einigen Kommentaren in den baskischen Konflikt der baskische Nationalismus selbst miteinbezogen wird, gewissermaßen als Teil des Problems, da er solcherlei „Gedankengut“ verbreite und damit als „Nährboden“ für die Radikalen diene. So wird er beispielsweise in ABC auch als „el totalitarismo nacionalista“ bezeichnet (ABC, 24.09., S. 17, Z. 7/8), und in einem Kommentar in El Mundo als „integrismo nazi“ (23.09., S. 10, Z. 40). Gara übernimmt in der Berichterstattung die Klassifizierung, welche auch ETA und EH verwenden, nämlich die des „politischen Konfliktes“, für den ETA lediglich ein Ausdruck, ja gleichsam die logische Konsequenz sei („el conflicto político que vive Euskal Herria“, 23.09., S. 15, In: „Nuevo debate, viejos argumentos“). Diese Wortwahl soll verdeutlichen, dass konkrete politische Motive hinter den terroristischen Akten stehen, diese also – und mit ihnen der Friedensprozess - nicht isoliert zu betrachten seien, sondern in unmittelbarem Zusammenhang mit der politischen Situation stehen (vgl. hierzu auch Arnaldo Otegi in der Debatte: „Porque cuando se habla de paz nosotros ya lo planteamos muy claramente, y hoy hemos escuchado aquí cosas que son del todo sorprendentes, ¿a alguien le parece bien decir como conclusión que en un proceso de pacificación de nivel nacional, con los datos que se han extrapolado aquí, ‚la paz es paz y no tiene nada que ver con un problema político’? Si a alguien le parece eso bien, que salga aquí con una pizarra y nos aclare dónde ha sido posible eso”).
Was die in der Debatte geäußerten Meinungen der Politiker bezüglich des Konfliktes betrifft, so werden diese in den verschiedenen Berichten häufig klassifiziert, indem sie Äußerungen gewissermaßen „abqualifizieren”:
(a) Insistió (A.W.: Arnaldo Otegi) en su teoría según la cuál el problema radica en que no se quiere aceptar “que Euskal Herria existe, ni se quiere dar a la sociedad vasca la posibilidad de decidir libremente su futuro” (El Mundo, 23.09., Bericht, S. 8, Z. 122-127).
(b) Y también arremetió (A.W.: Pío Cabanillas) contra una de las tesis preferidas de los peneuvistas: “No es cierto, como dice Ibarretxe, que la violencia sea consecuencia de un debate político”
(El Mundo, 23.09., S. 10, Z. 33-38).
(c) La intervención del portavoz de EH [...] encadenó toda una serie de alusiones y declaraciones
(El País, 23.09., S. 18, Z. 54-58).
Indem El Mundo die Ansichten Arnaldo Otegis als „Theorie“ bezeichnet, wird dem Leser damit suggeriert, dass man diese Meinung nicht ernst zu nehmen habe, da es sich nicht um eine ernsthafte Stellungnahme handle, sondern lediglich um realitätsfremde Vorstellungen. Da eine Theorie eine Behauptung oder eine Vorstellung eines Sachverhaltes ist, die noch nicht bewiesen wurde, wird dem Leser auf diese Weise vermittelt, die Auffassungen bzw. Anschuldigungen Otegis seien völlig unbegründet. Denselben Zweck verfolgt die Wortwahl der „These“ im Zusammenhang einer Äußerung Ibarretxes. Dem Leser soll dadurch nahegelegt werden, es handle sich um (eine von vielen) ungerechtfertigte Mutmaßungen und Unterstellungen. El País kennzeichnet die Rede des Sprechers von EH indirekt als unklar und zweideutig, da er sich in „Anspielungen“ (alusiones) ergangen habe, was impliziert, man wisse nicht genau, was er wolle, geschweige denn, man könne ihm vertrauen.
Institutionsvokabular
In den Bezeichnungen für politischen Institutionen und politische Amtsinhaber wird häufig implizit eine Wertung vorgegeben. Die baskische Regierung wird offiziell stets als Gobierno Vasco bezeichnet, wie auch in Deia. In Kommentaren spanischer Zeitungen kommen jedoch klare Wertungen zum Ausdruck, wenn von el Ejecutivo de Lizarra oder el Gobierno del frente de Estella die Rede ist, da diese Bezeichnungen deutliche Kritik üben an denjenigen Politikern, welche diesen „Pakt“ abgeschlossen und somit eine „Front“ gegenüber der Opposition errichtet hätten. Die einmalige Handlung wird so gleichsam zu einem beständigen „Merkmal“ der Regierung. Die Bezeichnung el Gobierno de Ibarretxe personalisiert gewissermaßen die Verantwortlichkeit und überträgt auf eine Person der Exekutive, hier auf den Präsidenten, die Verantwortung für Erfolge sowie Misserfolge „seiner“ Regierung. Im Untersuchungszeitraum wird dabei stets auf die Misserfolge angespielt; ABC spricht im Leitartikel über die Demonstration auch von el desgobierno de la Comunidad, wobei das pejorative Affix deutlich machen soll, dass man diese Regierung aufgrund ihrer „Unfähigkeit” eigentlich gar nicht als solche bezeichnen könne.
Neben der allgemein gebräuchlichen Bezeichnung „EH“ für das Bündnis Euskal Herritarrok kommen in den spanischen Zeitungen deutlich negative Wertungen zum Ausdruck, indem die Listenverbindung als „radikal“ klassifiziert wird (la izquierda radical) oder auch sprachlich eine klare Verbindung zu ETA hergestellt wird (los que arropan a ETA).
Gara verwendet vermehrt baskische Bezeichnungen wie abertzale (dt.: „patriotisch, vaterländisch“) und jeltzale (dt.: Anhänger der PNV) als Institutionsvokabular und unterstützt somit durch die baskische Sprache einen deutlichen „Wir-Stil“ in Abgrenzung zu „den Anderen“, also den „Spaniern“: El portavoz abertzale (gara, 23.09., S. 15, Z. 61), el jeltzale Joseba Egibar (gara, 23.09. S. 15), el jefe del Ejecutivo de Lakua (gara, 23.09, S. 14, Z. 48), un nuevo acuerdo abertzale (gara, 23.09., S. 16, Schlagzeile).
Abgesehen von den gebräuchlichen Bezeichnungen PP und PSE bzw. „populares“ und „socialistas“ für die spanischen Parteien, verwenden Deia und gara häufig adjektivische Bestimmungen, welche die Parteien als Verfechter des spanischen Staates oder der Verfassung charakterisieren (partidos estatales, fuerzas constitucionalistas) und machen durch diese Wortwahl stets deutlich, wofür die Parteien eintreten und grenzen sich dadurch von ihnen ab. Ist in den spanischen Zeitungen von PNV und EA die Rede, wird häufig der Ausdruck nacionalistas verwendet, während PP und PSE als no nacionalistas bezeichnet werden, um so ebenfalls eine Abgrenzung zu den baskischen Parteien vorzunehmen. In diesem Zusammenhang fällt ebenfalls auf, dass Deia und gara häufig abfällig von los españolistas (Deia, 24.09., S. 29, Z. 37) und auch von el nacionalismo español (gara, 24.09., S. 19, Z. 8) sprechen, um deutlich zu machen, dass es ebenfalls einen starken spanischen Nationalismus neben dem baskischen gebe. Die Oppositionsparteien werden in gara im Bericht über die Debatte auch verächtlich mit los grupos de la oposición oder abwertend mit dem Demonstrativpronomen estos grupos tituliert, ohne die eigentlichen Namen der Parteien zu nennen.
Das Baskenland wird in gara stets als Euskal Herria (23.09., S. 14, Z. 85) bezeichnet, was alle sieben historischen Provinzen einschließt. Bezieht sich die Zeitung auf die autonome Region der drei Provinzen Vizcaya, Guipúzcoa und Álava, heißt diese stets CAV (Comunidad Autónoma Vasca; siehe auch Kapitel 6.2.2.1.). Deia bezieht sich auf die autonome Region meist mit der baskischen Bezeichnung Euskadi, El Diario Vasco und El País wechseln sich in der Benennung mit dem baskischen und dem spanischen Namen ab, während in El Mundo und ABC die spanische Bezeichnung País Vasco vorherrscht. In El Diario Vasco ist ganz grundsätzlich eine Variation der Termini zu beobachten (vgl. auch beispielsweise spanisch „San Sebastián“ statt baskisch „Donostia“, aber baskisch „Euskadi“ statt spanisch „País Vasco“; „En defensa de la vida y la libertad“, 24.09., S. 30, Z. 2 und 15).
Sachverhalt In den spanischen Zeitungen In gara und Deia
Die Partei PNV El PNV, los nacionalistas (El País, 23.09., S. 14, Z. 32) los peneuvistas (El Mundo, 23.09., S. 10, Z. 35) el partido de Xabier Arzalluz (ABC, 23.09., S. 19, Lead, Z. 3) PNV, el partido jeltzale (gara, 23.09., S. 16, Z. 18/19)
Die Partei „Partido Popular“ El PP, los populares (El País, 23.09., S. 17. Z. 23) El grupo conservador (gara, 23.09., S. 15, Z. 43) “los populares” (Deia, 23.09., S. 22, Z. 96)
Die Parteien PP und PSE
in der Opposition PSE, los populares, los socialistas (El País, 23.09., S. 17, Z. 92/93)
Los no nacionalistas (El País, 24.09., S. 1, Lead) los socialistas vascos (El País, 23.09., S. 17, Z. 4/5) PP y PSOE (ABC, 23.09., S. 17, Schlagzeile) los partidos constitucionalistas (ABC, 23.09., S. 17, Z. 16/17) Las fuerzas españolistas (gara, 23.09., S. 15, Z. 68), los principales partidos estatales, los grupos de la oposición (gara, 23.09., S. 14, Z. 11), estos grupos (gara, 23.09., S. 14, Z. 20) las fuerzas constitucio-nalistas españolas (gara, 23.09., S. 15, Egibar, Z. 8) las fuerzas estatales (Deia, 24.09., S. 24, Z. 37)
PP y PSE-EE (Deia, 23.09., S. 22, Z. 17/18) no nacionalistas (Deia, 23.09., S. 22, Z. 23)
Das Parteienbündnis Euskal Herritarrok Los que arropan a ETA (ABC, 24.09., S. 17, Z. 33/34), la izquierda radical (ABC, 23.09., S. 18, linke Spalte, Z. 28) EH, la versión institucional de HB (El País, 23.09., S. 18, Z.54/55) la formación abertzale (gara, 23.09., S. 16, Z. 62)
la izquierda abertzale (Deia, 23.09., S. 22, Z. 47) Euskal Herritarrok (gara, 23.09., S. 15, Z. 52)
Die baskische Regierung El Gobierno de PNV y EA
(El País, 23.09., S. 14, Z. 13),
el gobierno de Ibarretxe (ABC, 24.09., S. 13, Z. 30/31), el desgobierno de la Comunidad (ABC, 24.09., S. 13, Z. 84/85) la hegemonía nacionalista (ABC, 24.09., S. 13, Z. 40/41)
el Ejecutivo de Lizarra (El Mundo, 23.09., S. 9, “Con la muerte...”, Z. 32/33) el Ejecutivo de Ibarretxe (El Mundo, 24.09., S. 5, Z. 49/50) el Gobierno del frente de Estella (El País, 22.09., S. 26, Z. 50/51) el Gobierno en minoría de Ibarretxe (ABC, 23.09., S. 18, “EA ratifica...”, Z. 20/21)
El Gobierno Vasco (Deia, 24.09., S. 24, Z. 57)
El Ejecutivo vasco (Deia, 23.09., S. 1, Z. 5)
El Ejecutivo de Lakua (gara, 23.09., S. 14., Z. 48)
Anredeformen
Die Anredeform einer Person ist von besonderer Bedeutung, da in ihr der Respekt oder aber auch die Missachtung für diese Person ausgedrückt wird. So kann man den vollen Titel eines Politikers sowie seinen Vor- und Nachnamen angeben, aber auch nur seinen Vor- oder Nachnamen. Die Wirkung auf den Rezipienten ist in jedem Fall eine unterschiedliche. Die Verachtung ausdrückende Kurzform - allein der Angabe des Nachnamens - ist eine in allen Zeitungen (außer in El Diario Vasco) gebräuchliche Form der Titulierung. Zwar werden diese Nachnamen auch häufig einfach als Kurzformen verwendet, doch aus den einzelnen Kontexten wird deutlich, wann diese herabsetzend gebraucht werden. Neben der Disqualifizierung der Person wird dem Leser durch eine solche Wortwahl auch angedeutet, dass man die Äußerungen dieser Personen nicht ernst zu nehmen habe (Good, 1985, 38):
“... y ya se sabe lo que opinan Egibar y Arzalluz” (ABC, 23.09., S. 11, Z. 79/80).
“Según el editorialista, Aznar canta siempre las verdades del barquero...” (gara, 22.09., “Lo que les une”, S. 25, Z. 14-16).
“Iturgaiz y Redondo se lo ganaron también a su manera...” (Deia, 23.09., S. 30, “Credibilidad”,
Z. 16/17).
“Significativamente, el único partido [...] que le tendió una mano envenenada fue EH, a través de Otegi” (Leitartikel, El Mundo, 23.09., S. 3, Z. 57-60).
Die Demonstration und ihre Teilnehmer
Den Klassifizierungen der Demonstration sowie ihrer Teilnehmer kann deutlich entnommen werden, wie die jeweils verfassenden Journalisten das Ereignis einordnen und bewerten. Die spanischen Zeitungen und auch El Diario Vasco lassen keinen Zweifel daran, dass es sich bei der Demonstration um ein herausragendes Ereignis sowie einen deutlichen Beweis für Zivilcourage gehandelt habe. So wird die Demonstration mithilfe von Substantiven klassifiziert als „Protestakt“, „Protestaktion“ oder „Mobilisierung“, durch Adjektive als „historisch“, „antiterroristisch“, „bürgerlich/patriotisch“ oder „massiv“. Die einzelnen Teilnehmer selbst gehen auch sprachlich praktisch „in der Menge unter“; teilgenommen hätten „eine (Menschen-) Masse“, ein „Schwall“ von Menschen oder einfach „die Menge“; vereinzelt ist die Rede von „dem Volk“, „Bürgern“, „Teilnehmern“ oder „Personen“. Die Substantive werden häufig aufgewertet durch Adjektive wie „immens“ und „beeindruckend“. Alle verwendeten Begriffe sind im Kontext ausschließlich positiv konnotiert, selbst das Lexem „Marsch“, hier auch als Ausdruck für die Entschlossenheit der Bürger und Politiker.
Deia und gara hingegen klassifizieren die Demonstration entweder als „Aufruf von ¡Basta Ya!“ (La convocatoria), als „Protestmarsch“ (Deia) oder einfach als „Marsch“ bzw. als „spanischer Marsch“ (gara). Auf das Verb „marschieren“ wird in Kapitel 6.3.3. noch näher eingegangen. Sehr neutral und distanziert werden die Teilnehmer in Deia einfach als „Personen“ oder „Demonstranten“ bezeichnet.
Am abwertendsten klassifiziert gara, sowohl in Bezug auf die Demonstration als auch in Bezug auf deren Teilnehmer. Die Schlagzeile des Ereignisberichtes charakterisiert die Protestkundgebung als desfile constitucionalista. Das Lexem desfile wird in unterschiedlichen Kontexten verwendet , beinhaltet aber im vorliegenden Fall deutlich militärische Konnotationen. Es wird durch diese Klassifizierung suggeriert, es habe sich um einen feindlichen „Aufmarsch“, um eine „Parade“ gehandelt, wobei das Adjektiv constitucionalista den Grund für diese Handlung angibt: Zweck der „Übung“ sei einzig und allein die Verteidigung der spanischen Verfassung gewesen und sei damit eine feindselige Handlung denjenigen gegenüber, welche diese Ideologie nicht unterstützen. Konform mit dieser Darstellung geht die Bezeichnung der Teilnehmer als „Verteidiger der Verfassung und des Statuts“ (defensores del actual marco político) oder despektierlich als „alle möglichen Leute“ (gentes de todo tipo) oder die „spanischen Fans“ (la hinchada españolista). Der friedliche Charakter der Demonstration wird damit nicht nur in Frage gestellt, sondern ins Gegenteil umgekehrt (quienes se empeñaban en presentarse como pacifistas). Die Demonstration sei gewissermaßen ein aggressiver Akt gewesen, welcher einen Teil der „Strategie der Unterdrückung“ der spanischen Regierung darstelle.
Zeitung
(Datum: 24.09.) Klassifizierung „Demonstration“ Klassifizierung „Demonstrationsteilnehmer“
El País
El Mundo
ABC Manifestación antiterrorista (S. 1, Z. 1/2), el acto de protesta (S. 1, Z. 23/24) manifestación/movilización histórica (S. 18, Lead), la masiva manifestación (S. 14, Z. 2/3, El País)
La marcha (S. 10, Titelzeile), la mayor manifestación en la historia de San Sebastián (S. 10, Schlagzeile), la acción de protesta (S. 11, Z. 75), la movilización de los ciudadanos vascos (S. 5, Z. 4/5, El Mundo)
La manifestación más numerosa que se recuerda en la ciudad (S. 19, Z. 1-3), la marcha (S. 19, Z. 31) la convocato-ria de ¡Basta Ya! (S. 19, Z. 11/12) una manifestación antifascista (S. 21, Donostia, Al Vent, Z. 26/27)
la marcha cívica (S. 19, Z. 17, ABC) La inmensa riada humana (S. 1, Z. 20/21), una multitud (S. 18, Z. 55), manifestantes, ciudadanos (El País)
Miles de personas (S. 10, Z. 9), miles de ciudadanos (S. 10, Z. 28/29), los manifestantes (S. 1, Aufmacher, Z. 10), una muchedumbre (S. 14, Z. 5/6), la riada de gente (S. 10, Z. 11/12), una impresionante multitud (S. 5, Z. 3/4; El Mundo) Decenas de miles de personas (S. 19, Lead), El pueblo (S. 19, Z. 60/61), miles de ciudadanos (S. 19, Z. 4), una verdadera marea humana (S. 19, Z. 71, ABC)
El Diario Vasco La movilización (S. 3, Z. 92), una multitudinaria manifestación (S. 1, Aufmacher, Z. 3) un homenaje ciuda-dano a las víctmas (S. 2, Z. 15-17) Los ciudadanos (S. 2, Z. 7/8), Decenas de miles de personas (S. 2, Untertitel), la masa de gente (S. 6, Z. 47)
Deia La convocatoria de ¡Basta Ya! (S. 24, Schlagzeile), la marcha de protesta (S. 24, Z. 88), la marcha (S. 24, Z. 22), la manifestación (S. 24, Z. 6) Personas (S. 24, Z. 1), manifestantes (S. 24, Z. 97)
Gara Desfile constitucionalista (S. 3, Schlagzeile), esa marcha (22. 09., S. 25, Z. 12), marcha española, la manifa de Savater (22.09., S. 25, Z. 50/51) La convocatoria (S. 19, Leitartikel, Z. 14), una manifestación unionista (S. 19, Leitartikel, Z. 20), “gran concentración de adhesión al régimen de José María Aznar” (S. 19, “De campaña”, Z. 6-8) Defensores del actual marco político (S. 3, Z. 7/8), personas (S. 3, Lead), gentes de todo tipo (S. 5, Z. 35), la hinchada españolista (S. 5, Z. 117), “quienes se empeñaban en presentarse como pacifistas” (S. 5, Z. 112)
6.3. Stilistik
6.3.1. Stilebene/Sprachniveau
Eine einheitliche Analyse der Stilebene der Zeitungen allgemein erscheint aus dem Grunde problematisch, da man nicht von der Pressesprache sprechen kann. So variiert die Stilebene nicht nur zwischen den einzelnen Zeitungen, sondern auch innerhalb einer Ausgabe jeder Tageszeitung durch die verschiedenen Textsorten, welche sprachlich schon aus publizistischen Gründen unterschiedlich gestaltet sind. Außerdem kommt hinzu, dass jede Ausgabe das Werk mehrerer Journalisten ist, welche sich durch verschiedene Schreibstile auszeichnen. Daher sollen hier lediglich einige Auffälligkeiten in Bezug auf die untersuchten Artikel vorgestellt werden.
Gara und Deia
Ein häufig verwendetes Mittel in gara stellt die Ironisierung eines Sachverhalts oder einer Person bis hin zum Sarkasmus dar. In einigen Kommentaren und Kolumnen findet sich umgangssprachliches, nicht selten auch vulgäres Vokabular (“... todos los insultos contra el nacionalismo vasco que vomitaron las rotativas. Eso sí que es pornografía y no las muchas tetas y pocas pollas de los escaparates de los quioscos”, 24.09, S. 19, “De campaña”, Z. 16-18). Es erscheint allerdings zu einfach, aus dieser Tatsache allein auf das (Sprach-) Niveau des Leserkreises schließen zu wollen, zumal dies nicht auf alle Kommentare und vor allem nicht auf die Leitartikel zutrifft. Es gibt durchaus viele Beiträge auf sehr hohem sprachlichem Niveau. Good spricht in dem Zusammenhang auch von einer „gefährlichen Trivialisierung“ (1985, 43), die man mit solchen Schlussfolgerungen beginge. Er stellt vielmehr die Frage nach dem durch eine solche Wortwahl „vermittelten Wirklichkeitsbild“ (ebenda, 43). So scheint eine solche Wortwahl eher von der eigentlichen Komplexität des Konfliktes abzulenken und eine einseitige Sichtweise zu begünstigen, welche schlicht und einfach – hier im wahrsten Sinne des Wortes - „die Richtige“ sei. Natürlich wird dadurch das bestehende Feindbild weiter unterstützt und genährt.
Deia zeichnet sich neben einem guten sprachlichem Niveau vor allem durch eine sehr klare und eindeutige Sprache, unmissverständliche Darstellung der Sachverhalte und eindeutig moderat nationalistische Stellungnahmen aus. Gerade auch in Leitartikeln dominieren eher parataktische Satzkonstruktionen, welche diesen klaren Stil unterstützen.
El Diario Vasco
Die Beiträge in El Diario Vasco sind allgemein gekennzeichnet durch ein sehr hohes sprachliches Niveau. Hierfür spricht das Vokabular einer höheren Stilebene verbunden mit häufig hypotaktischen Satzkonstruktionen. Auffällig sind differenzierte Ausdrucksweisen und eher rationale Wertungen. In Kommentaren und Kritiken dominieren die sehr vorsichtigen und distanzierten Formulierungen, welche vom Verfasser abstrahierend und sehr generell gehalten sind. Man hat manchmal das Gefühl, die Journalisten wollten sich nicht „festlegen“ lassen. Auch wenn Einschätzungen geäußert werden, so geschieht dies häufig durch unpersönliche Formen in der 3. Person Singular oder schwierig fassbare Subjekte („die demokratische Gesellschaft darf nicht“, „diese Überlegung verlangt nach einer Erklärung...“), wie im Leitartikel zur Demonstration. Solch unpersönliche Formen sind aber nicht unbedingt als Unparteilichkeit zu werten; sie können nämlich, gerade in Leitartikeln, auf etwas subtilere Art und Weise Kritik üben.
Esta síntesis es la que permite deducir (23.09., „Las cartas boca arriba”, S. 32, Z. 43/44), ... Resulta incoherente pretender (Z. 45/46)... La sociedad democrática no puede acomplejarse (Z. 48/49) ... la sociedad democrática necesita dar siempre una respuesta (Z. 52/53) ... esta consideración exige también una respuesta (Z. 70, „En defensa de la vida y la libertad”, 24.09., S. 30).
In der Kritik „Un problema de tiempos“ werden die verschiedenen Meinungen und Standpunkte jeweils durch die sie vertretenden Subjekte eingeführt („die Opposition denkt“, „PSE glaubt“ u.ä.). Der Journalist entzieht sich dadurch einer konkreten Stellungnahme. Auffällig sind weiterhin Formen im Konditional oder Erwartungsäußerungen bzw. Annahmen („es ist wahrscheinlich, dass...), nach denen im Spanischen die Form des Subjuntivo steht:
la oposición considera que (Z. 22/23)…es muy probable que el lehendakari hubiera querido adelantar el mensaje (Z. 35-37)…un factor que puede condicionar la estrategia del PNV (Z. 62/63)…el PSE cree que (Z. 59)…el lehendakari quiere que (Z. 75/76) .. un pulso descomunal que (…) podría marcar las pautas de un futuro terreno de juego…(Z. 92-97, 23.09., S. 3).
Die spanischen Zeitungen
In den spanischen Zeitungen überwiegen - wie in gara und Deia - in den Kommentaren klare Aussagesätze, welche dem Leser deutlich zu verstehen geben, wie er ein bestimmtes Ereignis einzuschätzen hat. Diese Aussagesätze werden manchmal noch unterstützt durch Modaladverbien wie sicherlich, ohne Zweifel u.ä. Solche Modaladverbien können eine Aussage dadurch unterstützen, dass sie ihr gewissermaßen „absolute Gültigkeit” verleihen und außerdem die urteilende Person in den Hintergrund treten lassen (Good, 1985, 39).
(a) ...proponiendo nuevos debates que, con seguridad, sólo le van a deparar seguras derrotas parlamentarias (ABC, 23.09., S. 20, ...y cayó el telón, Z. 69-72).
(b) Constituye, sin duda, un hito esperanzador (A.W.: über die Demonstration. 24.09., El Mundo, S. 5, Z. 16/17).
(c) La ausencia de los dirigentes nacionalistas [...] es un símbolo de impotencia (El Mundo, 24.09., S. 5, Z. 43-47).
(d) Destacados nacionalistas [...] expresaron su adhesión pública a la convocatoria, y sin duda muchos votantes del PNV y EA participaron en la manifestación (El País, 24.09., S. 14, Z. 35-38).
(e) Incluso para hacer posible la recomposición un día de la hoy rota unidad democrática, parece lógico empezar por afirmar la presencia de esos ciudadanos, seguramente la mayoría, que identifican su libertad con la defensa del marco democrático vigente (El País, 24.09., S. 14, Z. 64-68).
Als die drei größten allgemein informierenden Tageszeitungen besitzen alle drei spanischen Zeitungen hohes sprachliches Niveau. Auffällig ist in allen dreien die sehr emotionale und einseitige Darstellung des Konfliktes. Deren Perspektive ist stets die spanische, und besonders in Kommentaren und Kritiken kommt diese rhetorisch und stilistisch sehr stark zum Ausdruck. Auf der einen Seite sind solche Haßgefühle aufgrund des ETA-Terrors durchaus verständlich, doch wenn diese auf den gesamten baskischen Nationalismus ausgeweitet werden und das Feindbild sozusagen immer weiter ausgeweitet wird (sicherlich auch schon im Hinblick auf den erwarteten Wahlkampf), so besteht die Gefahr, die Fronten noch weiter zu verhärten, als sie bereits schon sind.
Ein Beispiel für die angesprochene Rhetorik stellen Suggestivaussagen dar, die auch in Berichten vor allem in ABC und El Mundo die einmal eingeführte Sichtweise unterstützen. So heißt es beispielsweise in dem Bericht über die Debatte in ABC: „No obstante, el que el lehendakari mantenga roto el diálogo institucional con EH no impidió que la izquierda radical conociera de antemano la intención de Ibarretxe de convocar elecciones si su programa no tiene suficiente respaldo en el Parlamento vasco” (ABC, Bericht, 23.09., S. 18). Es wird mit dieser Aussage suggeriert, dass trotz des offensichtlichen Bruches in der Regierungskoalition zwischen PNV und EH noch immer Verbindungen bestünden und die offen beteuerte Distanzierung der PNV von der radikalen Partei somit nicht der Wahrheit entpreche.
Darüber hinaus finden sich Aussagen in ABC, die man schlicht als Falschinformationen bezeichnen könnte. Wenn im Leitartikel über die Debatte behauptet wird, Ibarretxe habe seine Partei und seine Regierung von aller Schuld freisprechen wollen („Ibarretxe hizo un discurso a la defensiva, impregnado por la cobardía del fracasado y liberando a su gobierno y a su partido de toda responsabilidad por la crisis institucional y política del País Vasco”, 23.09., S. 11, Z. 5-9), dann deckt sich diese Aussage mit keiner anderen Zeitung (vgl. beispielsweise die Berichterstattung zur Rede Ibarretxes in El País: „Aunque aseguró aceptar la „parte de responsabilidad“ que le pueda corresponder en lo que definió como “fracaso colectivo”..., 23.09., S. 19, Z. 70-74), übrigens noch nicht einmal mit dem eigenen Bericht in ABC (vgl. auch 23.09., S. 18, “Ibarretxe propone...”, Z. 46-52).
Im Leitartikel über die Demonstration schreibt El Mundo: „Sabemos lo que apoyan y lo que harían los líderes de EH si pudieran lograr sus objetivos” (24.09., S. 5, Z. 30-32). Was genau die Führer von EH nun aber tatsächlich beabsichtigen, wird nicht weiter erläutert. Der Satz spielt zunächst einmal auf ein angeblich existierendes Wissen zwischen Verfasser und Rezipient an, was eine gewisse Vertrautheit suggeriert. Was passieren könnte, wenn die Verbindung EH ihre Ziele erreicht, wird aber lediglich angedeutet und nicht weiter ausgeführt. Hier wird ganz bewusst mit der Angst der Leser vor dem Unbekannten gespielt und gewissermaßen ein „Chaoszustand“ heraufbeschwört, den es mit allen Mitteln zu verhindern gilt.
Beleidigungen und persönliche Angriffe sind ein nicht seltenes Merkmal der Kommentare in gara, El Mundo und ABC, weniger in Deia und El País. Häufige Angriffe der spanischen Zeitungen richten sich gegen die PNV sowie den Parteivorsitzenden Xabier Arzalluz, die in gara gegen alles „Spanische“ im Allgemeinen:
(a) Y, en plena desesperación, Arzalluz cita a un ministro de Franco para calificar la marcha de „trampa saducea“. Ni el mal humor le hace parecer inteligente” (El Mundo, Leitartikel, 24.09., S. 5, Z. 56-60).
(b) ... el prudente lehendakari y sus primitivos oponentes centralistas (Deia, 23.09., S. 30, “La incoherencia reveladora”, Z. 35-37).
(c) Juaristi, la verdad, no sorprende pero da pena contemplar el nivel cultural que hay en España para que a éste le dejen guardar los libros (gara, “El bibliotecario”, 23.09., Z. 50-52).
(d) Me he sumado a la convocatoria de la manifestación del sábado 23 y acudiré a ella porque no quiero ver cómo mi País Vasco se pudre ante la estupidez y la cobardía de un Gobierno nacionalista de cretinos y de indeseables (El País, 22.09., S. 26, Z. 40-45).
6.3.2. Thematische Gegensätze
Dieses Kapitel bezieht sich auf die zwei Reportagen vom 24.09 in El País über die am Vortag stattgefundene Demonstration. Das Auffällige und Wesentliche dieser Reportagen ist die inhaltliche bzw. thematische Gestaltung, welche Gegensätze im Sinne einer inhaltlichen Antithetik verwendet und beide Texte durchzieht. Einerseits ist dies das Thema „Frieden/Freiheit“, dem das Thema „Unterdrückung“ gegenübergestellt wird. Diese Unterdrückung wird thematisiert anhand von Beispielen für den ETA-Terror: der Schmerz der Opfer, Flucht aus dem Baskenland, Anschläge auf Geschäfte, Drohungen, Morde – Beispiele aus der Vergangenheit, die auf erzählerische Weise in den Text eingeflochten werden, indem Verbindungen zu den Teilnehmern und ihren persönlichen Schicksalen hergestellt werden. Demgegenüber steht das Thema „Frieden“ und „Freiheit“, ein Ziel, für das die Teilnehmer eingetreten seien und welches sie gleichsam symbolisch durch ihre Anwesenheit und ihre Gesten repräsentieren. Das Oxymoron Un ejército pacífico de gente corriente (S. 19, Z. 8) reiht sich in diese Gegensätzlichkeit ein, erscheint aber etwas unglücklich gewählt, wenn damit die Friedfertigkeit der Demonstranten ausgedrückt werden soll.
In engem Zusammenhang mit dieser Thematik stehen die Gegensätze „Mut“ und „Angst/Feigheit“. Aufgrund der Bedrohung, welche anhand der Beispiele anschaulich geschildert wurde, wird für den Leser deutlich, dass es tatsächlich ein Akt der Zivilcourage dieser Bürger gewesen sein muss, sich angesichts dieser Lage der Angst zu stellen. Das Attribut „feige“ wird indirekt durch Teilnehmerzitate und Erzählungen dem baskischen Volk zugeordnet, welches in der Vergangenheit nicht gewagt habe, sich der Angst zu stellen. Durch solcherlei Gegenüberstellung wirkt die Demonstration wie ein Aufbruch, eine Veränderung der bisherigen Situation und wie ein Zeichen der Hoffnung für die Zukunft. Was diese Erzählungen aus der Vergangenheit betrifft, so könnte man hier auch in Anlehnung an Kepplinger von einer „textinternen“ instrumentellen Aktualisierung sprechen, welche sich in Deia und gara erwartungsgemäß nicht findet. Eine ähnliche Darstellung thematischer Gegensätze nimmt El Mundo vor in der Reportage „Caras al viento“ (S. 14). Hier geht es ebenfalls um die Gegensätze „Freiheit“ vs. „Unterdrückung“; das dominante Thema ist hier allerdings der Mut der Teilnehmer ohne die Thematisierung „Feigheit“.
Thema „Frieden/Freiheit“ Thema „Unterdrückung“
La calle [...] fue ayer en San Sebastián de la gente pacífica (S. 19, Z. 20-22) El dolor de las víctimas y la rabia de los ciudadanos (S. 19, Untertitel)
... gente corriente, feliz de estar junta y en la calle, diciendo sus verdades a cara descubierta (S. 19, Z. 9-11) ... un periodista vasco que tuvo que irse a Madrid para poder vivir en paz (S. 19, Z. 25-28)
Cada día [...] un grupo de ciudadanos se concentra pacíficamente en la plaza de Guipúzcoa, en el centro de San Sebastián
(S. 20, Z. 196-201) ... después de haber perdido a un pariente querido todavía seguían el hostigamiento
(S. 19, Z. 62-65)
“Lo importante es que haya libertad en este país y que podamos decir todos lo que queramos sin que pase nada” (S. 19, Z. 84-87) Una víctima del acoso etarra,...Su farmacia de San Sebastián ha sido destrozada en distintas ocasiones (S. 19, Z. 65-70)
Los manifestantes pisaron ayer un camino asfaltado durante 10 años por pacifistas anónimos (S. 20, Untertitel) ...por culpa de pensar distinto vive ahora rodeado de guardaespaldas
(S. 20, Z. 183-185)
Thema “Mut”
Thema “Angst und Feigheit”
... mucha gente desperezando su miedo
(S. 19, Lead) ... gente del pueblo que salía a pedir la paz arropada tan sólo por una pancarta y su silencio (S. 20, Untertitel) ...miles y miles de ciudadanos que poco a poco han ido saliendo del armario del miedo y de la prudencia. Del “no te signifiques” [...], un consejo, que sólo sigue vigente aquí (S. 20, Z. 47-55)
La gente [...] bajó ayer a la calle a hacer algo tan sencillo en el resto del mundo y tan difícil aquí como pasear a cuerpo y decir lo que piensa (S. 19, Lead) “Éste ha sido [...] un pueblo cobarde, sentado en su casa mientras en la esquina se desangraba la última víctima de ETA”
(S. 20, Z. 78-84) ... Aquí se suele evitar el cuerpo a cuerpo (S. 20, Z. 118/119)
6.3.3. Akkumulation rhetorischer Fragen
Die Akkumulation rhetorischer Fragen birgt in den aufgeführten Fällen die Möglichkeit, eine normalerweise sehr komplexe Argumentation und sehr komplexe Sachverhalte auf engstem Raum darzustellen. Dem Leser wird keine vollständige Argumentation vorgelegt, sondern die Fragen laden den Rezipienten vielmehr zu einer eigenständigen Reflexion ein, wobei sie derart gestellt sind, dass der Leser notwendigerweise zur „richtigen“ Schlussfolgerung kommen muss. Ein Beispiel für eine solche Anhäufung rhetorischer Fragen ist die Kritik La soledad del „lehendakari“ in El Mundo:
¿Con qué programa se presentaría ahora el PNV ante sus electores? ¿Con el proyecto soberanista que ha enarbolado hasta ayer y cuyos mentores principales son nada menos que el presidente y su segundo en el partido, o con el programa de respeto al marco jurídico existente, es decir, al Estatuto y a la Constitución, que defendió ayer con estrenado ahínco el lehendakari? Y, en segundo termino, ¿quién defendería cada uno de esos programas y con cuánto apoyo en el seno del partido? (El Mundo, 23.09., S. 8, Z. 42-54).
Auf diese Weise soll dem Leser die angebliche Widersprüchlichkeit und der Mangel an Alternativen des baskischen Präsidenten und seiner Koalition vor Augen geführt werden. In der Minderheit und mit dem deutlichen Vertrauensentzug der Opposition stehe seine Regierung auf keiner stabilen Basis mehr. Kritisiert wird auch die in spanischen Kommentaren häufig angeführte „Zweideutigkeit“ seiner Person und die seiner Partei im Allgemeinen („El lehendakari hizo el mismo discurso de siempre [...] No supero los límites de su metódica ambigüedad“, ABC, 23.09., S. 11, Z. 58-62). Diese Zweideutigkeit habe sich einmal mehr gezeigt: Auf der einen Seite sei er einen Pakt mit den Radikalen eingegangen, auf der anderen Seite aber habe er in seiner Rede das Autonomiestatut verteidigt. Nach dem Bruch der Koalition stehe er in der Minderheit, ohne jegliches Programm und durch solcherlei Widersprüche vor allem unglaubwürdig vor den Wählern und den anderen Parteien dar, weshalb Neuwahlen der einzige Ausweg seien.
Deia nimmt im Leitartikel vom 24.09. die bereits angesprochene Distanzierung sowohl von der „spanischen“ Ideologie und damit auch der der Bürgerinitiative ¡Basta Ya! als auch die Distanzierung von der Ideologie der Radikalen vor. Die rhetorischen Fragen sind in diesem Sinne für den Leser als Anschuldigungen an beide Gruppierungen zu verstehen, die neben ihrem Gedankengut kein anderes gelten lassen. Gleichzeitig wirkt so die „dritte Alternative“, nämlich die eines moderaten Nationalismus, wie ein natürlicher Ausweg aus diesem Dilemma:
¿Quiere decir la plataforma „Basta Ya“ y los partidos y medios de comunicación que la apoyan que fuera de la Constitución española no hay democracia posible? O peor aún, ¿insinúan que quienes no comparten su limitado concepto de la democracia están avalando los asesinatos de ETA? Y en el otro extremo, ¿se cree EH que su modelo de „construcción nacional” es el único genuinamente democrático y que, por ello, ETA puede eliminar a quienes no están dispuestos a seguir su dictado? (Leitartikel, 24.09., S. 16, Z. 13-23).
Der folgende Auszug aus gara bezieht sich auf eine Bemerkung des Philosophen Fernando Savater, der im Zusammenhang mit der Demonstration in San Sebastián geäußert hatte, er sei kein Pazifist, gegen „einen Hitler“ oder „eine ETA“ müsse man Gewalt anwenden.
¿Y contra el Estado ocupante de Israel? ¿Y contra el británico de Irlanda? ¿Quién decide contra quién sí y contra quién no? Para que no le confunda, dice el filósofo que la fuerza a emplear el la del Estado. ¿La del Estado alemán contra Hitler? (gara, Kolumne, 24.09., S. 19, Z. 48-52).
Die Akkumulation rhetorischer Fragen dient in diesem Fall dazu, dem Leser die angebliche Unlogik der Argumentation Savaters vor Augen zu führen. Die „innere Argumentation“ ist zweigeteilt. Zunächst geht es um die Auffassung, ein Problem sei mit Gewalt zu lösen. Die Journalistin führt an, es sei sehr schwer zu entscheiden, wer denn nun eigentlich das Recht habe, gegen wen Gewalt anzuwenden und wer solche Handlungen legitimiere. Denn wenn es wirklich darum ginge, konsequent Gewalthandlungen zu rechtfertigen, dann gäbe es noch wesentlich mehr Fälle, in denen es berechtigt wäre, diese anzuwenden, beispielsweise gegen Großbritannien oder den Staat Israel - was jedoch nicht geschehe. Es gebe auf dieser Welt also keine „gerechte Gewalt“, sondern meistens ein Ungleichgewicht im Kräfteverhältnis, eine Folge von Aktion und Reaktion und demzufolge eine nicht enden wollende Spirale der Gewalt. Die Frage nach dem Wer, wer also dieses Recht besitze, Gewalt auszuüben, habe der Philosoph mit dem Hinweis auf den Staat beantwortet. Der zweite Teil der Argumentation stellt diese Ermächtigung in Frage, indem auf den deutschen Staat während des Nationalsozialismus verwiesen wird. Dieser sei schließlich auch nicht gegen Hitler vorgegangen, sondern sei vielmehr in dessen Hand gewesen: Hitler habe sich des deutschen Staates bedient, um seine Ziele durchzusetzen. Es wird hier also versucht, die hinter den Worten Savaters stehende Argumentation, welche gara gleichsetzt mit der Tautologie „Der Staat hat das Recht, weil er der Staat ist“, ad absurdum zu führen.
6.3.4. Metaphern und Personifikationen
Reger unterscheidet in seinen Untersuchungen zu Metaphern in der Pressesprache grundsätzlich vier verschiedene Kategorien: dynamisierende, konkretisierende, sensorische und personifizierende Metaphern (1980, 76). Die untersuchten Sprachbilder wurden in diese Kategorien eingeordnet, wobei in einigen Beispielen, vornehmlich wenn es sich um zusammenhängende Sinneinheiten handelt, mehrere Metaphern auftreten, welche dann meist nach dem ersten vorkommenden Sprachbild eingeordnet wurden. Die einzelnen metaphorischen Ausdrücke für das Abkommen von Lizarra habe ich der Übersichtlichkeit halber nicht in diese Kategorien unterteilt, sondern gesammelt und zusammengestellt.
Die Funktionen der Metaphorik in der Pressesprache teilt Schreckenberg in drei grundsätzliche Leistungen ein: eine heuristisch/erkenntnisfördernde, eine ideologische sowie die Unterhaltungsleistung (1998, 188), wobei im vorliegenden Fall die zweite Leistung zu untersuchen sein wird. Da es unmöglich war, alle Metaphern, welche in den Texten vorkommen, einzeln zu untersuchen, habe ich die meiner Meinung nach interessantesten und aussagekräftigsten aus den verschiedenen Zeitungen ausgewählt. Gerade diese „interessanten“ Metaphern kommen vornehmlich in Kommentaren vor und nicht in Berichten und sind daher so „aussagekräftig“, da sie ideologisch besetzt sind.
Lizarra:
Metaphorische Darstellungen des Lizarra-Abkommens verwenden ausschließlich die drei spanischen Zeitungen mit eindeutig negativer Charakterisierung. Es handelt sich hauptsächlich um konkretisierende Metaphern. So bezeichnet El Mundo die Erklärung beispielsweise als el charco de Lizarra (Leitartikel, 23.09., S. 3, Z. 7/8). Das Wort charco bedeutet in seinem normalen Gebrauch „Pfütze“, also etwas Feuchtes und Schmutziges, um das man besser einen großen Bogen machen sollte. Es gibt das Wort jedoch – und diese Bedeutung erscheint wesentlich wichtiger - auch in einer anderen Verbindung: Ein charco de sangre ist eine Blutlache. Diese Interpretation geht konform mit einer weiteren Bezeichnung des Abkommens an anderer Stelle in El Mundo. In einem Kommentar spricht der verfassende Journalist von el cadáver de Lizarra (23.09., S. 9, „Con la muerte en los talones“, Z. 6). Einerseits wird so ausgedrückt, dass dieses Abkommen nicht mehr in Funktion sei, nachdem auch die Nationalisten das Projekt als gescheitert erklärt haben. Andererseits birgt die Metapher die Auffassung, das Abkommen habe sich sozusagen der ETA-Opfer bedient und habe von ihrem Tod profitiert, da der Vertrag mit EH, dem politischen Arm der ETA, abgeschlossen wurde. Ein ähnliches Bild verwendet auch El País: Un proyecto político demolador que aún no ha renunciado a imponer su rastro de dolor y sangre. Da das Abkommen von Lizarra das gleiche Ziel verfolge, welches ETA und die sie vertretende Partei gewaltsam durchsetzen wollen, mache es die gemeinsamen Unterzeichner zu Mitverantwortlichen. Evoziert wird ein Bild der Zerstörung (un proyecto demolador), des Zwangs (imponer) und des Leidens (dolor y sangre), für das auch PNV und EA verantwortlich gemacht werden.
Eine etwas andere Idee steht hinter der Darstellung des Abkommens in ABC: el pacto „de tierra y de sangre” con los Otegi (Kommentar, 24.09., S. 17). Das „Blut- und Boden- Motiv“ erinnert einen deutschen Leser zunächst an die nationalsozialistische Ideologie von Lebensraum im Osten und der Reinheit der arischen Rasse. Da gerade in ABC und El Mundo der baskische Nationalismus häufig mit dem Nationalsozialismus bzw. dessen faschistischem System verglichen wird, liegt diese Interpretation nahe. Der Begriff kann dann aber auch wieder intern auf das Baskenland bezogen sein, wenn die Gewinnung von Boden sich auf den Wunsch nach Unabhängigkeit bezieht und das Prinzip des „reinen Blutes“ auf die Ideologie Sabino Aranas (vgl. auch Kapitel 2.2).
Die Metapher der „sauren Frucht Lizarras“ deutet auf die gespaltenen Fronten als Ergebnis des Abkommens hin (un ácido fruto de Lizarra, El Mundo, 23.09., S. 10, Contra el euskonazismo, Z. 2). Der Pakt habe sozusagen endgültig gezeigt, wer auf welcher Seite stehe und die Fronten somit noch stärker gegeneinander abgegrenzt.
Dynamisierende Metapher
Mithilfe einer dynamisierenden Metapher kann eine mögliche Bewegung „gesteigert“ oder „umgedeutet“ werden oder aber es wird einer Sache oder einem Gegenstand eine Bewegung zugesprochen, zu der das Objekt normalerweise nicht imstande wäre. Es kann sich aber auch auf menschliche Tätigkeiten - beispielsweise Handlungen oder Gedanken – beziehen, die dynamisch ausgebaut werden (Reger, 1980, 79).
(1) Las espadas han quedado en alto y el pleno de Política General celebrado ayer [...] fue un gráfico retrato de un final de ciclo, una escenificación parlamentaria en la que los guiones estaban ya marcados de antemano (DV, 23.09., S. 3, Un problema de tiempos, Z. 86-92).
El Diario Vasco entwirft an dieser Stelle in Bezug auf die Parlamentsdebatte ein Kriegsszenario, in dem die „Schwerter“ immer noch „hoch erhoben“ seien. Regierung und Koalition werden also dargestellt als zwei gegnerische Gruppen, die sich bekämpfen. Das Bild der noch erhobenen Waffen bedeutet aber auch, dass es bislang keinen „Gewinner“ gegeben habe, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass der „Kampf“ weitergeführt werde. Die Fortführung der Parlamentsdebatte war die Forderung Ibarretxes, sich zu einem Plenum zusammenzufinden, in dem jede Partei ein Programm mit alternativen Vorschlägen präsentiert und die Misstrauensvoten seitens der Koalition. Durch den Ausdruck der Inszenierung (escenificación) wird ausgedrückt, dass der Verlauf der Debatte selbst sowie ihr Ausgang von vornherein absehbar waren, vergleichbar etwa mit einem Film, den man schon einmal gesehen hat. Außerdem beinhaltet dieses Bild die Wertung, es habe sich nicht um eine wirkliche Debatte, nicht um einen wirklich fruchtbaren Ideenaustausch gehandelt, sondern lediglich um ein inszeniertes und eingeübtes Schauspiel für ein Publikum, in diesem Fall die Bürger und Wähler des Baskenlandes: Die „Drehbücher“ (los guiones) für diese „Vorführung“ waren schon vorher geschrieben. Parteiintern jedoch sei schon vorher klar gewesen, wie die Debatte verlaufen und wer welche Stellung beziehen würde.
(2) Los defensores del actual marco político marcharon por las calles de Donostia en compañía de los dirigentes políticos que abanderan la negativa a modificar el actual marco (gara, 24.09., Bericht, S. 3, Z. 7-12). [...] La marcha manchó mucha calle, ... (gara, 24.09., Reportage, S. 5, Z. 67).
Gara verwendet in dem Bericht über die Demonstration mit dem Ausdruck des „Marschierens“ eine eindeutig militärische Metaphorik. Die Demonstranten seien nicht gelaufen oder gegangen, sondern „marschiert“. Zum einen gibt das dem Ereignis sowie den Teilnehmern eine gewisse Aggressivität. Zum anderen macht es die Teilnehmer selbst sozusagen zu „Komplizen“, da sie Seite an Seite mit den Politikern, welche für die aktuelle Politik verantwortlich sind, gegangen seien. Jemand marschiert, wenn er einen Befehl dazu erhält; dieser Aufforderung seien die Teilnehmer nachgekommen. Außerdem wird auf diese Weise den Demonstranten trotz ihrer „Aktivität“ eine Passivität zugesprochen: Im Grunde genommen seien sie lediglich instrumentalisiert worden. Die Metapher drückt darüber hinaus die Organisiertheit der Veranstaltung aus, welche den Vorwurf der „Kampagne“ unterstützt.
Das Wort „abanderar“ reiht sich in diese militärische Metaphorik ein. Zunächst einmal bedeutet es einfach, sich für eine Sache einzusetzen, eine bestimmte Idee zu vertreten. Das Wort ist jedoch abgeleitet von „la bandera“, die Fahne, und ein „abanderado“ ist der Fahnenträger, also ein Vorkämpfer für eine Sache oder eine Idee. Die erschienenen Politiker werden folglich dargestellt als die Vorkämpfer in diesem „Marsch“ der Teilnehmer für die „Einheit Spaniens“. Der Ausdruck „abanderar“ hat außerdem die ursprüngliche Bedeutung, ein fremdes Schiff unter der Flagge des eigenen Landes zu registrieren: 1) matricular o registrar bajo la bandera de un Estado un buque de nacionalidad extranjera (Diccionario de la lengua española). Dies konnte früher beispielsweise geschehen, nachdem ein Schiff geentert wurde. Übertragen auf die Situation im Baskenland wird hier das Bild von Feinden aufgebaut – in diesem Fall die Spanier - die das Baskenland für Spanien „einnehmen“. Nach dem Aufbau dieses Feindbildes und im Zusammenhang der ganzen Berichterstattung kann man den Satz der Reportage „La marcha manchó mucha calle“ (24.09, S. 5, Z. 67) durchaus wörtlich verstehen: Die Teilnehmer hätten durch ihre Anwesenheit die Straßen San Sebastians richtiggehend „beschmutzt“(!).
Konkretisierende Metapher
Diese Form der Metapher stellt bestimmte Begriffe und Sachverhalte an konkreten Gegenständen dar, oder aber es werden optisch wahrnehmbare Gegenstände in andere Erscheinungen umgewandelt (Reger, 1980, 80).
(3) Euskadi nunca se reunirá en la Plaza de Oriente para oír al caudillo (Deia, 23.09., S. 30, Z. 39-41). Los muertos ya no interesan en esta Plaza de Oriente en que vuelve a pedirse Gibraltar para España... (Deia, 24.09., S. 29, Z. 45-48).
Das Bild des „Orientplatzes“ taucht wiederholt in Deia auf. Der Plaza de Oriente befindet sich in Madrid, östlich vom Herrscherpalast Palacio Real. Er trägt seinen Namen, da er sich genau vor der orientalischen Fassade des Palastes öffnet. Während der Diktatur wandte Franco sich auf diesem Platz in seinen Reden an das Volk, welches sich dort versammelt hatte. Mithilfe dieses Bildes wird eine klare Abgrenzung vorgenommen zwischen der baskischen Kultur bzw. dem baskischen Volk und dem spanischen Volk, welches hier auf die Mitläuferschaft während der Franco-Diktatur reduziert wird. Obwohl nie das ganze spanische Volk hinter Franco gestanden hat (nicht umsonst spricht man auch von den „zwei Spanien“ während des Bürgerkrieges - las dos Españas - , eine Zweiteilung der Gesellschaft, welche bis heute ihre Polarität nicht völlig verloren hat), wird der „Hang zur Mitläuferschaft“ sozusagen als dominantes Merkmal aller Spanier hervorgehoben, welches diese vom baskischen Volk unterscheide: Das Baskenland werde sich nie „fremdbestimmen“ lassen. Im Grunde wird hier auf überhebliche Art und Weise die baskische Kultur aufgewertet, indem sie die spanische abwertet. Die Metapher tritt auf im Zusammenhang mit der Parlamentsdebatte und den präsentierten Misstrauensvoten seitens der Opposition und kann daher als Ausdruck des Willens gesehen werden, sich auch in Zukunft nicht „fremdbestimmen“ lassen zu wollen, beispielsweise durch eine rein spanisch-nationalistische Regierungskoalition.
Im Zusammenhang mit der Demonstration in San Sebastián ist die Aussage zu werten, hier werde wieder „Gibraltar für Spanien“ gefordert. Gibraltar wurde während des Spanischen Erbfolgekrieges von den Engländern besetzt und 1713 im Frieden von Utrecht an diese abgetreten. Seit den 50er Jahren versuchte das Regime Francos jedoch, Gibraltar wieder zurückzugewinnen. Nach erfolglosen wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen wurde 1966 die Landesgrenze geschlossen und Gibraltar vom spanischen Hinterland isoliert. Die Bewohner Gibraltars gaben 1967 in einem Volksentscheid mit deutlicher Mehrheit zu verstehen, dass sie weiterhin zu Großbritannien gehören wollten. Die Grenze wurde erst im Jahre 1985 nach der Demokratisierung wieder ganz geöffnet und die Verhandlungen mit London wieder aufgenommen. 1987 wurde mit den Engländern ein Abkommen über den Flugverkehr geschlossen, in dem Spanien in die Flughafenverwaltung einbezogen und spanischen Fluggästen die Passkontrolle erleichtert wurde (Bernecker, 1990, 222/23).
Dieses Bild von Gibraltar drückt die Auffassung aus, bei der Demonstration in San Sebastián sei es im Grunde gar nicht darum gegangen, den ETA-Terror zu verurteilen, sondern es habe ausschließlich das politische Motiv im Vordergrund gestanden, die Zugehörigkeit des Baskenlandes zu Spanien zu bekräftigen. Der Plaza de Oriente steht hier stellvertretend für den spanischen Nationalismus und Francos Bild von Spanien als großem Einheitsstaat, für den die Losung una, grande y libre lautete.
(4) Sobreviven en el País Vasco [...] miles y miles de ciudadanos que poco a poco han ido saliendo del armario del miedo y de la prudencia (El País, Reportage, 24.09., S. 20, Z. 45-50).
... la manifestación en sí se convirtió en una metáfora de la vida en el País Vasco (El País, 24.09., S. 19, Lead).
Die Metapher zeichnet das Bild ängstlicher Bürger, welche jahrelang in ihrer eigenen Angst gefangen waren und im Grunde kaum richtig gelebt hätten. Erst langsam seien sie sozusagen aus ihrem „Versteck“ hervorgekommen und hätten ihre Furcht und ihre Vorsicht überwunden. Das Bild steht in enger Verbindung mit dem Schlagwort der Freiheit, da die baskischen Bürger dieser Auffassung nach keine freien Bürger seien, sondern in ständiger Angst vor neuen Anschlägen und Drohungen lebten. Eine weitere Quelle der Unfreiheit sei auch die Unmöglichkeit, eine gegenteilige Meinung zu vertreten aus Angst vor Racheakten. Die Demonstration sei somit ein weiterer Schritt gewesen, um die Bürger aus diesem Zustand der Unfreiheit herauszuführen und Beweis für die Courage der Menschen, trotz der vorhandenen Gefährdung ihre Meinung kundzutun. Die zweite Behauptung könnte man gewissermaßen als „Meta-Metapher“ bezeichnen: Die Demonstration sei selbst zu einer „Metapher“ des Lebens geworden, ein Einsatz für die Menschenrechte und das Leben selbst.
Sensorische Metapher
Die sensorischen Metaphern übertragen Sinneswahrnehmungen auf Gegenstände, gedankliche Konzepte oder sprachliche Begriffe. Solche Sinneswahrnehmungen können beispielsweise die des Tastsinnes sein (wie Schmerz) oder Wahrnehmungen von Geschmack, Farben, Temperatur etc. (Reger, 1980, 92). Eine solche sensorische Übertragung findet sich in ABC in Bezug auf die Reden der Oppositionsparteien, welche in der Debatte auf die allgegenwärtige Angst und den Zustand der Bedrohung hinwiesen, in dem sich deren Politiker tagtäglich befinden:
(5) En los no nacionalistas hubo palabras dolientes propias de quienes sienten en su nuca el aliento de los que matan... (ABC, 23.09., “...y cayó el telón”; S. 20, Z. 119-123).
Das sehr emotionale Bild soll diese Angst vermitteln und die Gewissheit, es könne jedem jederzeit etwas passieren. Die Wahrnehmung des Tastsinnes „Schmerz“ wird auf verbale Äußerungen bezogen und die Äußerungen durch diese Synestäsie als sehr anschaulich charakterisiert. Die Metapher zeichnet gewissermaßen als Bild nach, was die Redner von PP und PSOE in der Debatte angesprochen haben: das des Mörders, dessen Atem man bereits im Nacken spürt. Bezweckt wird eine starke emotionale Reaktion, dem Leser soll der Ausnahmezustand vor Augen geführt werden, in dem diese Politiker im Baskenland leben. Gleichzeitig birgt diese Darstellung den Appell an die Solidarität und das Mitgefühl der Leser und soll den Wunsch wecken, etwas gegen diesen Zustand zu unternehmen. Bezieht man den Appell auf die in ABC schon öfter angekündigte Wende, so bestünde dieser Logik zufolge eine „Hilfe“ darin, diese Parteien durch Wählerstimmen zu unterstützen. Nicht zuletzt sagen solche Bilder auch immer viel über denjenigen aus, der sie entwirft; so kommen durch diese Metaphern auch die Emotionen des verfassenden Journalisten zum Ausdruck, eine Mischung aus Wut, Angst, Abscheu und Zorn einer Situation gegenüber, der der Einzelne völlig ausgeliefert ist und zunächst einmal wenig Möglichkeiten hat, etwas zu ändern.
Personifizierende Metapher
Die personifizierende Metapher gibt Dingen, Gegenständen oder Begriffen menschliche Eigenschaften oder aber wandelt Personen selbst in andere um (Reger, 1980, 89). Eine Metapher dieser Art verwendet gara in einer Personifizierung der Kommunikationsmedien:
(6) Los medios de comunicación que comulgan con devoción en el templo de la Constitución española (gara, 22.09., “Lo que les une”, S. 25, Z. 6-9).
Die Metapher tritt im Zusammenhang mit der Demonstration in einer Kolumne auf und bezieht sich auf den Vorwurf der Kampagne gegen den Nationalismus, hier bezüglich der Massenmedien, welche in allen Artikeln ausschließlich Partei für die Demonstration und für die spanische Verfassung ergreifen. Diese wird gleichgesetzt mit einem „Tempel“, in dem die Medien in „Ergebenheit“ bzw. „Verehrung“ zur „heiligen Kommunion“ gehen. Mit dem Bild des Tempels wird der Status der Verfassung als unantastbar und heilig ausgedrückt. Es handele sich bei diesem Dokument um etwas Unangreifbares und Unabänderliches für die spanischen Medien. Die religiöse Metaphorik steht aber auch für Ergebenheit und Widerspruchslosigkeit. Glauben bedeutet eben gerade, an etwas bedingungslos zu glauben, obwohl man es nicht sehen oder beweisen kann. Mit anderen Worten wird hier das blinde Vertrauen der Medien bzw. deren Journalisten in die Verfassung betont sowie die Kritiklosigkeit, mit der man mit ihr umgehe. Für die Spanier sei die Verfassung also wie eine göttliche Weissagung, die gewissermaßen „vom Himmel gefallen“ sei und der man sich fügen müsse. Die Metapher steht für die Kritik in gara, die darauf aufmerksam machen will, dass die spanische Verfassung lediglich ein von Menschen entworfenes Dokument sei, eine Vereinbarung, die wie alles Menschliche Vergänglichkeitscharakter habe. Da sie also von Menschen entworfen wurde (die unzulänglich sind und Fehler machen können), sollte durchaus auch die Möglichkeit bestehen, sie abzuändern.
(7) El horror estalla con la bomba o la bala, pero vive en el corazón de miles de vascos (Z. 8-10). [...] Pero la misma oprobiosa teoría (quien no es nacionalista no es vasco) cuenta con el apoyo táctico [...] de un sector duro del PNV, que es el que lidera Arzalluz, caudillo y sacerdote del vasquismo (Z. 28-33). [...] Y desdichadamente, el nacionalismo vasco [...] se va convirtiendo en un integrismo nazi, donde sólo cabe la ortodoxia o la muerte. Hitler se frota las manos en su particular infierno (Z. 38-42, El Mundo, 23.09., “Contra el euskonazismo”, S. 10).
In diesen Metaphern eines Kommentars in El Mundo wird der baskische Nationalismus selbst verurteilt und für die Situation, in der das baskische Volk lebe, verantwortlich gemacht. Es handelt sich fraglos um eine sehr starke Emotionalisierung der Thematik. Der ETA-Terror werde äußerlich sichtbar, wenn Autobomben explodieren oder jemand umgebracht wird. Das sei die eine, die für alle offensichtliche Art der Unterdrückung. Es existiere jedoch eine andere, wesentlich subtilere, welche sich in dem Zustand der Angst vor diesem Terror manifestiere, in dem die Mehrheit der Basken lebe. Der baskische Nationalismus wandele sich mehr und mehr in eine Bewegung, die mit dem Nationalsozialismus vergleichbar sei, also in ein faschistisches System, das lediglich zwei Alternativen biete: Man passe sich an (im Sinne der „Gleichschaltung“) und stimme mit dieser Ideologie überein oder aber man werde umgebracht. Als Führer dieser faschistischen Bewegung - und damit auch als Hauptverantwortlicher – wird der Parteivorsitzende der PNV Xabier Arzalluz genannt. Diesem werden die Eigenschaften eines faschistischen Führers zugesprochen, indem er als Caudillo bezeichnet wird (hier in Anspielung auf Franco und Hitler). Indem Arzalluz eine solche Funktion zugesprochen wird, charakterisiert der Verfasser gleichzeitig alle anderen Parteimitglieder als willenlose Mitläufer. Der Nationalsozialismus, den man bereits besiegt glaubte, sei sozusagen wieder „auferstanden“ und habe gewonnen, weswegen Hitler (noch „aus seiner persönlichen Hölle heraus“) triumphiere.
Das Feindbild, welches hier aufgebaut wird, spielt nicht nur mit äußerst negativ besetzten Begriffen, sondern suggeriert ebenfalls eine Bedrohung für das gesamte Volk, die außer von ETA und EH auch von den baskischen nationalistischen Parteien ausgehe. Der Neologismus in der Schlagzeile, euskonazismo, der die baskische Silbe eusko mit dem spanischen Wort nazismo verbindet, drückt genau diese angesprochene Verbindung zwischen baskischem Nationalismus und dem Nationalsozialismus aus. Damit rechtfertigt der Artikel gleichzeitig die Weigerung der Partei PP, mit den nationalistischen Parteien in einen Dialog zu treten, denn dies hieße ja, dem „Faschismus“ nachzugeben. Das Bild von Arzalluz als Priester der „baskischen Bewegung“ deutet auf eine zusätzliche abwertende Interpretation des baskischen Nationalismus hin, die der religiösen „Sekte“. Insgesamt wird hier eine wichtige Funktion der Metapher in der politischen Berichterstattung deutlich, nämlich die, nicht so sehr das Denken, sondern vielmehr verstärkt die Emotionen des Lesers anzusprechen: „Einerseits gelingt es dem Sprecher, durch geeignete Bilder komplexe oder abstrakte Wirklichkeit zu verdeutlichen; andererseits aber schafft er es, ebenfalls mittels Metaphern, das Denken zu übergehen und Gefühle zu erzeugen“ (Gil, 1998, 88).
7. Nachwort und Ausblick
Die zu Beginn dieser Arbeit formulierten Fragen waren die nach der Beeinflussung der öffentlichen Meinungsbildung sowie den textinternen ideologischen Implikationen. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass die Zeitungen verschiedene Strategien in Form von Synchronisation und Kumulation der Artikel sowie dem Einführen und Bestätigen einer Sichtweise verwenden, um ihren Lesern ganz bestimmte Standpunkte und Interpretationen der relevanten Ereignisse nahezulegen. Textintern kommen dabei sowohl durch die Syntax als auch in besonderem Maße durch die Lexik die unterschiedlichen Ideologien zum Ausdruck, welche mithilfe der Stilistik unterstützt werden. Auf einige übereinstimmende Argumente mit den Politikern in der Debatte ist an den entsprechenden Stellen hingewiesen worden.
Die sechs untersuchten Zeitungen lassen sich grundsätzlich in zwei entgegengesetzt nationalistische Gruppen einordnen: die spanisch-nationalistische, zu der El País, El Mundo und ABC gehören, und die baskische-nationalistische, der Deia und gara zuzuordnen sind. Eine grundsätzliche „Kompatibilität der Sichtweisen“ ist also innerhalb der Gruppen unter den dazugehörigen Zeitungen vorhanden, während zwischen den beiden Seiten eine deutliche Polarisierung bezüglich der vertretenen Meinungen ersichtlich ist. In allen diesen fünf Zeitungen sind die vertretenen Standpunkte eindeutig einer pro-spanischen oder pro-baskischen Haltung zuzuordnen, was sowohl semantisch als auch lexikalisch und stilistisch zum Ausdruck kommt.
Die Zeitung El Diario Vasco nimmt mit ihrer scheinbaren Neutralität eine Mittelposition zwischen diesen beiden Gruppen ein. Es ist anzunehmen, dass diese „inszenierte Neutralität“ einen zwingenden Teil der wirtschaftlichen Realität darstellt, zu einem spanischen Medienkonzern zu gehören, aber für ein regionales baskisches Publikum zu schreiben. Die Zeitung zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass im Bereich der Lexik sowohl spanisch - nationalistische als auch baskisch – nationalistische Termini parallel verwendet werden. In der Vorberichterstattung zu der Demonstration kommt jedoch nicht zuletzt durch die Menge der sie unterstützenden Artikel die grundsätzlich pro-spanische Haltung zu Ausdruck. Diese zeigt sich ebenfalls an verschiedenen Stellen in Kommentaren und Leitartikeln auf semantischer Ebene, wird aber wiederum durch bewusst distanzierte und unpersönliche Formulierungen gewissermaßen „verdeckt“. Weiterhin fällt auf, dass entscheidende Konfliktpunkte manchmal gar nicht erst thematisiert werden, wodurch sich eine explizite Stellungnahme erübrigt (vgl. hierzu auch den Leitartikel „En defensa de la vida y la libertad“, 24.09., S. 30, in dem die Abwesenheit der baskischen Regierung bei der Demonstration in San Sebastián gar nicht erst erwähnt wird).
Es sollte in der vorangegangenen Analyse deutlich geworden sein, dass sich die soziale Realität im Baskenland als äußerst komplex erweist und diese Komplexität keinesfalls durch eine einseitige Lektüre nur spanischer oder nur baskischer Zeitungen zu erfassen ist. Die verschiedenen Ansichten und Standpunkte, die es ermöglichen, sich eine differenzierte Meinung zu bilden, werden nur durch eine vergleichende Lektüre ersichtlich. Im Grunde wird in den verschiedenen Zeitungen über die politische Diskussion nicht berichtet, sondern sie wird in den Medien weitergeführt. Dabei spiegelt die Berichterstattung gleichzeitig sowohl die wirtschaftlichen als auch die politische Interessen und Ideologien wider, die hinter den Zeitungen bzw. deren Mediengruppen stehen. Das erklärt auch, dass der kompetitive Charakter der spanischen Zeitungen zum Zeitpunkt der Untersuchung keine kompetitiven Strategien zur Folge hat. Die Inhalte sind alle ähnlich, nur mehr oder weniger scharf in ihrer Kritik.
Die Untersuchungen haben nicht zuletzt die starke Polarität der Meinungen bezüglich des Konfliktes gezeigt. Es gibt in Spanien wohl kaum ein Thema, welches mit einer größeren Emotionalität diskutiert wird. Wie sich auch in Gesprächen immer wieder bestätigt hat, scheint es sowohl Spaniern als auch Basken schwerzufallen, hier eine auch nur ansatzweise neutrale Position einzunehmen.
Es ist anzumerken, dass in Spanien generell eher wenig Zeitung gelesen wird. Die Leserzahlen liegen deutlich unter dem europäischen Durchschnitt (Otero, 1999, 121). Insgesamt gibt es ein eindeutiges Nord-Süd-Gefälle, was die Zeitungsleserzahlen betrifft: Die geringsten Leserzahlen weist Andalusien auf, die Region mit den höchsten Zeitungsleserzahlen ist Navarra. Besonders in Südspanien stellt das Fernsehen das wichtigste Medium dar. Daher wäre es sicherlich interessant, Fernsehnachrichten zur baskischen Problematik zu untersuchen. Bei den audiovisuellen Medien käme neben der sprachlichen auch die Komponente der bewegten Bilder zum Tragen und die Frage, wie durch diese bildlichen Darstellungen die Verständnisse des jeweiligen Ereignisses beim Rezipienten beeinflusst werden. Im Zusammenhang mit der Analyse von Zeitungen könnte man eine ähnliche Frage bezüglich der Fotos in der Presse stellen, die sicherlich auch ein wesentliches Beeinflussungspotential durch die Auswahl, die Menge, die Kameraperspektiven u.ä. darstellen, worauf im Rahmen dieser Arbeit aber nicht eingegangen werden sollte und konnte.
Am Ende der Untersuchungen stellt sich die Frage nach der tatsächlichen Auswirkung der Berichterstattung in der Tagespresse auf die öffentliche Meinung. Bucher stellt in seinen Anforderungskriterien an eine sprachwissenschaftliche Pressekritik auch die Frage nach den „kommunikativen Folgen von Pressebeiträgen“ (1986, 4). Die Verteilung bzw. Auflagenstärke der drei großen spanischen Zeitungen ist im vorliegenden Fall in Relation zu setzen zu der verhältnismäßig kleinen Auflage und dem begrenztem Absatzgebiet der drei baskischen Zeitungen. Aufschlussreich wäre an dieser Stelle sicherlich eine Umfrage in Spanien über die Stellung zum baskischen Problem in Zusammenhang mit der Medienwahl.
Die von der Opposition geforderten vorgezogenen Neuwahlen fanden am 13. Mai 2001 statt. Trotz einer breit angelegten Kampagne der Parteien PP und PSE, die für die „Wende“ und eine rein spanisch-nationalistische Regierungskoalition eintraten, ging die Parteienkoalition PNV/EA bei einer Wahlbeteiligung von 80% als klarer Sieger hervor. Das Parteienbündnis der amtierenden baskischen Regierung gewann 33 der 75 Parlamentssitze, sechs mehr als bei den Wahlen im Jahre 1998. Die Partei PP gewann zusammen mit UA einen Sitz hinzu, während die Sozialisten einen einbüßen mussten. IU verbesserte sich von 2 auf 3 Sitze. Klarer Verlierer der Wahlen war Euskal Herritarrok; die Listenverbindung verlor 7 ihrer zuvor 14 Parlamentssitze (El Diario Vasco, 14.05.01). In den kommenden Wochen soll eine neue Regierungskoalition gebildet werden. Vieles spricht für eine Verbindung der Parteien PNV/EA mit IU, oder aber für eine rein baskisch-nationalistische Regierung PNV/EA, allerdings ohne EH.
Das Entscheidende dieses Ergebnisses ist, dass die Mehrheit der Basken eindeutig nationalistisch gewählt, zugleich aber die radikale Partei deutlich an Unterstützung verloren hat. Dennoch ist weder zu erwarten, dass die terroristischen Aktivitäten in gleichem Maße abnehmen werden noch dass die Zentralregierung ihre bisherige Politik ändern wird. Auch die in der Untersuchung aufgezeigte Polarisierung der Standpunkte und damit die allgemeine Verhärtung der Fronten schon allein in einem begrenzten Untersuchungszeitraum und anhand eines überschaubaren Untersuchungsgegenstandes legen insgesamt die Vermutung nahe, dass kurzfristig, aber auch mittelfristig mit einer Lösung des baskischen Konfliktes nicht zu rechnen sein wird.
8. Literaturverzeichnis
Arregi, Joseba. La Nación vasca posible. El nacionalismo democrático en la sociedad vasca. Barcelona: Editorial Crítica, 2000.
Bernecker, Walther L. Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg. 3., neubearb. und erw. Aufl.. München: Beck, 1997.
Bernecker, Walter L./ Fuchs, Hans-Jürgen/ Hofmann, Bert/ Schmidt, Bernhard/ Scotti-Rosin, Michael/ De la Vega, Rafael u.a. (eds.). Spanien-Lexikon. Wirtschaft, Politik, Kultur, Gesellschaft. München: Beck, 1990.
Brink, Renate. Regionalistische Bewegungen zwischen internationaler Integration und regionaler Eigenständigkeit: Baskenland und Katalonien. Europa 2000: Studien zur interdisziplinären Deutschland- und Europaforschung, Bd. 12. Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 1995.
Bucher, Hans-Jürgen. Pressekommunikation. Grundstrukturen einer öffentlichen Form der Kommunikation aus linguistischer Sicht. Diss., Tübingen: Niemeyer, 1986.
Bucher, Hans-Jürgen. Pressekritik und Informationspolitik. Zur Theorie und Praxis einer linguistischen Medienkritik. In: Bucher, Hans-Jürgen/ Straßner, Erich (eds.). Mediensprache, Medienkommunikation, Medienkritik. Tübingen: Narr, 1991, S. 1-109.
Bucher, Hans-Jürgen. Informationspolitik in der Presseberichterstattung: Kommunikationsstrategien bei der Darstellung gesellschaftlicher Konflikte. In: Hess-Lüttich, Ernest W.B. (ed.). Medienkultur – Kulturkonflikt. Massenmedien in der interkulturellen und internationalen Kommunikation. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1992, S. 259-289.
Bucher, Hans-Jürgen. Sprachwissenschaftliche Methoden der Medienforschung. In: Leonhard, Joachim-Felix/ Ludwig, Hans-Werner/ Schwarze, Dietrich/ Straßner, Erich (eds.). Medienwissenschaft. Ein Handbuch zur Entwicklung der Medien und Kommunikationsformen, 1.Teilband. Berlin, New York: De Gruyter, 1999a, S. 213-231.
Bucher, Hans-Jürgen. Medien-Nachbarwissenschaften III: Linguistik. In: Leonhard, Joachim-Felix/ Ludwig, Hans-Werner/ Schwarze, Dietrich/ Straßner, Erich (eds.). Medienwissenschaft. Ein Handbuch zur Entwicklung der Medien und Kommunikationsformen, 1.Teilband. Berlin, New York: De Gruyter, 1999b, S. 287-306.
Burger, Harald. Sprache der Massenmedien. 2., durchges. u. erw. Aufl.. Berlin/New York: de Gruyter, 1990.
Castellani, Jean-Pierre. Die Tagespresse im Medienwettbewerb – (teilweise) eine Erfolgsgeschichte. In: Bernecker, Walther L./ Dirschel, Klaus (eds.). Spanien heute. Politik, Wirtschaft, Kultur. Frankfurt a.M.: Vervuert, 1998, S. 565-580.
Coca, César/Martínez, Florencio (eds.). Los medios de comunicación en el País Vasco. Servicio Editorial, Universidad del País Vasco, 1992.
De Esteban, Jorge. Las Constituciones de España. Textos auxiliares. Taurus ediciones, S.A., 1981.
De Santiago, Pablo/ De la Granja, José Luis/ Mees, Ludger (eds.). Documentos para la historia del nacionalismo vasco. De los Fueros a nuestros días. Editorial Ariel, S.A. Barcelona, 1998.
Diccionario de la lengua española. 21. Edición, Madrid: Editorial Espasa Calpe, 1997.
Dietrich, Wolf/ Geckeler, Horst. Einführung in die spanische Sprachwissenschaft.
3., durchges. und akt. Aufl.. Berlin: Erich Schmidt, 2000.
Gil, Alberto. Zur Metaphorik der Presseberichterstattung beim spanischen, italienischen und rumänischen Wahlkampf von 1996. In: Gil, Alberto/ Schmitt, Christian (eds.). Kognitive und kommunikative Dimensionen der Metaphorik in den romanischen Sprachen: Akten der gleichnamigen Sektion des XXV. Deutschen Romanistentages, Jena (28.9. – 2.10. 1997). Bonn: Romanistischer Verlag, 1998, S. 86-112.
Good, Colin H.. Presse und soziale Wirklichkeit. Ein Beitrag zur „kritischen Sprachwissenschaft“. 1. Aufl.. Düsseldorf: Schwann, 1985 (Sprache der Gegenwart; Bd. 65).
Guillén, Abraham. Técnica de la desinformación (al servicio de las clases dominantes). La manipulación de los pueblos por los medios de comunicación de masas. Madrid: Lorenzo, 1991.
Haubrich, Walter. Die politische Kultur. In: Bernecker, Walther L./ Dirschel, Klaus (eds.). Spanien heute. Politik, Wirtschaft, Kultur. Frankfurt a.M.: Vervuert, 1998, S. 141-158.
Helfrich, Uta. Mediensprache: Annäherung an ein linguistisches Konzept und Tendenzen der romanischen Forschung. In: Helfrich, Uta/ Klöden, Hildegard (eds.). Mediensprache in der Romania. Wilhelmsfeld: Egert, 1998, S. 1-10.
Herrero, Carmen. Periodismo político y persuasión. Madrid: Editorial Actas, 1996.
Hildenbrand, Andreas. Regionalismus und Autonomiestaat (1977-1997). In: Bernecker, Walther L./ Dirschel, Klaus (eds.). Spanien heute. Politik, Wirtschaft, Kultur. Frankfurt a.M.: Vervuert, 1998, S. 101-139.
Kasper, Michael. Baskische Geschichte in Grundzügen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1997.
Klein, Josef. Wortschatz, Wortkampf, Wortfelder in der Politik. In: Klein, Josef (ed.). Politische Semantik. Bedeutungsanalytische und sprachkritische Beiträge zur politischen Sprachverwendung. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1989, S. 3-48.
Lang, Josef. Das baskische Labyrinth. Unterdrückung und Widerstand in Euskadi. 2., akt. u. erw. Aufl., Frankfurt a.M.: isp-Verlag, 1988.
Lebsanft, Franz. Textsorten in der spanischen Tagespresse. In: Gather, Andreas/Werner, Heinz (eds.). Semiotische Prozesse und natürliche Sprache. Festschrift für Udo L. Figge zum 60. Geburtstag; Stuttgart: Steiner, 1997, S. 366-81.
Lüger, Heinz-Helmut. Pressesprache. 2., neu bearb. Aufl.. Tübingen: Niemeyer, 1995.
Morán, Gregorio. Testamento vasco. Un ensayo de interpretación. Madrid: Espasa-Calpe, 1988, S. 113ff. In: Francisco Fuentes, Juan/ Fernández Sebastián, Javier. Historia del periodismo español. Prensa, Política y opinión pública en la España contemporánea. Madrid: Editorial Síntesis, 1998, S. 339.
Otero, Conchita. Aproximación al mundo hispánico. Einführung in die Landeskunde Spaniens und Lateinamerikas. Wilhelmsfeld: Egert, 1999.
Reger, Harald. Metaphern und Idiome in szenischen Texten, in der Werbe- und Pressesprache. Hamburg: Buske, 1980.
Reig, Ramón. Medios de comunicación y poder en España. Prensa, radio, televisión y mundo editorial. Barcelona: Editorial Paidós, 1998.
Schreckenberg, Stefan. Metaphern und ihre Leistung in politischer Berichterstattung und Kommentar. Analyse von Texten aus El País und ABC. In: Gil, Alberto/ Schmitt, Christian (eds.). Kognitive und kommunikative Dimensionen der Metaphorik in den romanischen Sprachen: Akten der gleichnamigen Sektion des XXV. Deutschen Romanistentages, Jena (28.9. – 2.10. 1997). Bonn: Romanistischer Verlag, 1998, S. 86-112.
Schröder, Thomas. Spanien. 2. erw. u. akt. Aufl.. Erlangen: Michael Müller, 1997.
Scotti-Rosin, Michael. Die spanische Medienlandschaft in den 90er Jahren. Teil I (Die Printmedien). In: Hispanorama 79 (1998), S. 49-55.
Spangenberg, Peter M.. Die Liberalisierung des Fernsehens. Iberische Variationen über kulturelle, politische und wirtschaftliche Interessenlagen. In: Bernecker, Walther L./ Dirschel, Klaus (eds.). Spanien heute. Politik, Wirtschaft, Kultur. Frankfurt a.M.: Vervuert, 1998, S. 609-640.
Von Baratta, Mario, Dr. (ed.). Der Fischer Weltalmanach. Zahlen – Daten - Fakten 2000. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag, 1999.
Angeführte, aber nicht zitierte Werke
Abad Nebot, Francisco. Spanisch: Sprache und Massenmedien / Lengua y medios de comunicación de masa. In: Holtus, Günter/ Metzeltin, Michael/ Schmitt, Christian (eds.). Lexikon der Romanistischen Linguistik (LRL). Bd./Volume VI, 1. Tübingen: Niemeyer, 1992, S. 253-260.
Arnaldos, Martínez. Sprache und Massenmedien. Lengua y medios de comunicación de masa. In: Holtus, Günter/Metzeltin, Michael/Schmitt, Christian (eds.). Lexikon der Romanistischen Linguistik (LRL), Vol. I, Tübingen: (Niemeyer), im Druck.
Bucher, Hans-Jürgen. Dialoganalyse und Medienkommunikation. In: Fritz, Gerd/Hundsnurscher, Franz. Handbuch der Dialoganalyse. Tübingen: Niemeyer, 1994, S. 471-491.
Burger, Harald. Das Gespräch in den Massenmedien. Berlin: de Gruyter, 1991.
Gillich, Hannelore. Presse und Sprachpflege in Spanien. In: Helfrich, Uta/Klöden, Hildegard (eds.). Mediensprache in der Romania. Wilhelmsfeld: Egert, 1998, S. 149-164.
Lebsanft, Franz. Sprache und Massenkommunikation. In: Holtus, Günter/Metzeltin, Michael/Schmitt, Christian (eds.). Lexikon der Romanistischen Linguistik (LRL), Vol. I, Tübingen: (Niemeyer), im Druck.
Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig angefertigt und mich keiner anderen als der angeführten Hilfsmittel bedient habe. Alle wörtlich oder sinngemäß den Schriften anderer entnommenen Stellen habe ich unter Angabe der Quellen kenntlich gemacht. Dies gilt ebenfalls für Tabellen und Graphiken.
Göttingen, den 06. Juni 2001
..............................................
Die Darstellung des baskischen Konfliktes
in der spanischen und baskischen Tagespresse:
Eine vergleichende Analyse
Hausarbeit zur Erlangung des Magistergrades (M.A.)
im Fachbereich Historisch-Philologische Wissenschaften
der Georg-August-Universität Göttingen
vorgelegt von
Andrea Wilczek
Abgabetermin: 08. Juni 2001
Gutachter: Prof. Dr. phil. Günter Holtus