Start  
  .Deutsch  
  .Geschichte  
  .Informatik  
  .Politik  
  Aktuelles  
  Kuriositäten  
  Sonstiges  
  Gästebuch  


230,443 Besucher
seit April '07

letztes Update:
23.05.2018

. / .Geschichte / Neuzeit / Beispiel 3 für eine mündliche Prüfung in Geschichte
Stand: 02.03.2008

Aufgaben:

1. Zeichnen Sie den Gedankengang W. Hofers (Text) nach!

2. Benennen und erläutern Sie vom Text ausgehend das jeweilige englische und
   deutsche Kalkül dieses Vertrages!

3. Nehmen Sie Stellung zu der Behauptung, mit diesem ersten Epochenereignis der Appeasement –
    Politik habe das Versagen der europäischen Politik gegen Hitler begonnen!



  TEXT

   DIE ENTSTEHUNG DER ACHSE UND DAS SCHEITERN DER ZUSAMMENARBEIT MIT GROSSBRITANNIEN
   (1935-1937)

  Die diplomatisch-politische Isolierung Deutschlands durch die Antirevisionsfront von Stresa sollte nicht lange dauern; Schon wenige  
  Wochen nach der feierlichen Verurteilung von Hitlers Vorgehen durch die drei Mächte gelang es dem deutschen Diktator, nicht nur einen weiteren  
  Erfolg für seine Politik der zweiseitigen Abkommen zu buchen, sondern die. eben erst feierlich proklamierte Einigkeit der ehemaligen Siegermächte  
  zu zerschlagen; Ein deutsch-britisches Flottenabkommen kam am 18.6.1935 zustande. Großbritannien hatte damit die Grundlage der
  Antirevisionserklärung selbst vernichtet, anerkannte es doch durch dieses einseitige Vorgehen die Hinfälligkeit der Versailler Bestimmungen.  (…)
  In den Besprechungen mit den britischen Staatsmännern hatte Hitler bereits gefordert, die deutsche Kriegsflotte müsse 35 Prozent der britischen
  betragen. Aus der Tatsache, daß dieses Verhältnis dann auch dem Abkommen zugrunde gelegt wurde, erhellt, daß Hitler seine Forderung voll
  und ganz durchgesetzt hat. Die offizielle britische Einladung zu Flottenbesprechungen erfolgte Mitte Mai 1935, und Anfang Juni begannen die
  Verhandlungen in London.
  Politisch gesehen bewegte sich Hitler mit diesem Abkommen in der Richtung auf eine deutsch-britische Verständigung, die ihm bekanntlich
  seit »Mein Kampf« als Grundlage, ja als Eckpfeiler seiner Außenpolitik vorschwebte. Ein Bündnis zwischen Deutschland und Großbritannien,
  so argumentierte er dort, wäre die Kombination, die die Welt beherrschen könnte - ganz abgesehen davon, daß eine solche politische Zusammen-
  arbeit noch der Lehre von der Überlegenheit der germanischen Rasse entsprechen würde. In ähnlichem Sinne dozierte Hitler auch der für die
  Verhandlungen in London bestimmten deutschen Delegation. Da Hitler das Grundgesetz bisheriger britischer Außenpolitik, nämlich keine Hegemonie
  auf dem europäischen Kontinent zu dulden, genau kannte, war es für ihn selbstverständlich, daß Großbritannien seine alte Gleichgewichtspolitik
  aufgeben und die deutsche Vorherrschaft auf dem Kontinent anerkennen mußte, wenn es mit dem neuen Deutschland zusammenarbeiten wollte.

  Aus: Walter Hofer, Die Diktatur Hitlers, Handbuch der deutschen Geschichte, 2. Aufl., Konstanz 1964, S 49



Erwartungshorizont zum 1. Prüfungsteil:

Zu 1.
Basisinformationen, Texttyp, Benennung von Thema und Intention. Erwartet wird eine sprachlich von der Textvorlage losgelöste Wiedergabe in indirekter Rede, zentrale Elemente der Gedankenführung (metasprachliche Ebene) enthaltend, Kennzeichnung des Beginns und des Endes des Textauszugs sowie eine zeilenmäßige Zuordnung, insbesondere Schlüsselbegriffe betreffend.  

Zu 2.
Englisches Kalkül: frühzeitige vertragliche Bindung könne längerfristig den Status quo sichern, gewisse Revision des VV auch im englischen Interesse, Auslotung des außenpolit. Interessen der neuen Machthaber; gewisser Rückzug aus der kontinentaleuropäischen Problematik schien erreichbar; Annahme durch bilaterlale Verträge dem eigenen Sicherheitsbedürfnis besonders zu dienen (gleichsam emotionale Betrachtung der Flotte), eine erneute Flottenrüstung wie vor dem 1.WK war weder finanziell noch wirtschaftlich durchführbar; Notwendigkeit eine Art Bollwerk gegen den Bolschewismus zu haben und sowj. Kräfte zu binden im weltpolischen Gegensatz zu der UdSSR; Wertung: Täuschung, einen rationalen Politiker vor sich zu haben; Appeasement – Politik unterliegt der Annahme, Verträge besäßen Gültigkeit
Hitler’sche Kalkül: im Text bereits angesprochene Offerte einer Weltherrschaft im Gegensatz zu den sich abzeichnenden Flügelmächten USA und UdSSR; stets erneuerte und fälschlicherweise unterstellte Interessenidentität der zwei „arischen“ Rassen; Schwächung französischer Hegemonialvorstellungen; kurzfristiges Kalkül: Aufbrechen der drohenden außenpolit. Isolierung durch die Stresa-Front; Hitler ist sich der besonderen Rolle der brit. Flotte für den Inselstaat bewusst.
Wertung: Hitler hatte noch gar nichts anzubieten, denn eine nennenswerte dt. Flotte gab es gar nicht und Verträge waren für ihn nur taktisches Mittel.
Beide Seiten unterliegen einem Irrtum bezüglich der Absichten der jeweils anderen Seite.

Zu 3.
Intendiert ist eine Problematisierung der Frage nach polit. Verantwortung; welche Fehleinschätzungen führten zu falschen Maßnahmen oder Unterlassungen; letztlich eine hypothetische Aufgabenstellung: Dieses Bracher-Zitat legt eine eindeutige Schuldzuweisung an die engl. Politik nahe, die aus partikularen Interessen heraus, dem Diktator außenpolit. Erfolge ermöglichte und präventive Maßnahmen zunehmend riskanter erscheinen ließ (vgl. Münchener Abkommen). Ein aktueller Bezug zum Irak oder Iran würde sich anbieten im Sinne einer Frage nach den Lehren aus der Geschichte.


2. Prüfungsgespräch:

- Vorabend 1. Weltkrieg
- Flottenpolitik nach 1890
- Bismarck’sche Außenpolitik
- Rolle der USA im 1. WK