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. / Aktuelles / Interpretationsansatz: „Prometheus“
Stand: 09.02.2011

Interpretationsansatz: „Prometheus"

Die von Johann Wolfgang Goethe geschriebene Hymne mit dem Titel „Prometheus“  aus der Phase des Sturm-und-Drang, veröffentlicht im Jahre 1774, handelt von Prometheus‘ Empörung und Hass gegenüber Zeus und den anderen Göttern aus der griechischen Mythologie.
Ganz zu Beginn wird die Unfähigkeit Zeus‘ thematisiert (Zeilengruppe  1). Hier tritt zum ersten Mal das „lyrische Du“,  Zeus, und das lyrische Ich, Prometheus, auf, wobei  ein erster Eindruck von ihrer Beziehung erweckt wird. Das lyrische Ich stellt sich klar über Zeus, den obersten und mächtigsten olympischen Gott, indem es ihn gleich im ersten Vers einen Befehl durch die Verwendung des Imperativs „Bedecke…“ (Zeile 1) erteilt. Im Folgenden vergleicht es  ihn mit einem spielfreudigen und debilen  Knaben, der „Diesteln köpft“ (Zeile 4) und hält ihm seine Besitzgüter Erde, Hütte, Herd und Glut vor. Durch die inversiven Satzstrukturen wird dies besonders hervorgehoben.  Anaphern (vgl. Z. 8-10) und Wortwiederholungen des Possessivpronomens „mein“ stellen zusätzlich Zeus‘  Unfähigkeit dar.                                                                                                                  
In der 2. Zeilengruppe verachtet Prometheus die Götter allgemein. Dabei zweifelt er stark an ihrem Verhalten und ihren Opferritualen. In seinen Augen sind sie das Ärmste und Elendigste, was Prometheus kennt, da sie sich von „Opfersteuern“   (Z.15 ff.) und „Gebetshauch“ ernähren. Die Bedingung für das Verhalten der Götter stellt er im 2. Konjunktiv mit einer Metapher dar („…wären nicht Kinder und Bettler hoffnungslose Toren“), womit die Ausnutzung von unschuldigen und niedrig gestellten Menschen der Götter verschärft wird. Die  Sentenz „Eure Majestät“ wird hierbei geradezu ironisch und sarkastisch aufgefasst.                                                                                                                                                  
Die dritte Strophe handelt von der Vergangenheit des lyrischen Ichs als ein Kind, welches sich damals naiv durch die Sinne geleitet an die Götter gewendet habe. Deutlich wird hierbei die Enttäuschung auf die Götter, da diese nicht wie erwartet geholfen, sondern die Klage des lyrischen Ichs ignoriert haben (Z. 25 ff.). Seine sinnliche Wahrnehmungen („Auge“,Z.23,  „Ohr“ , Z.25 und „Herz“, Z.26) ließen sich von den Glauben an die Götter täuschen. Zeilengruppe 4 und 5 sind thematisch ähnlich. In beiden Zeilengruppen steigert sich die Abneigung und Enttäuschung in Wut und Hass, die vor allem durch die Fülle von rhetorischen Fragen zum Ausdruck kommen. Betont wird hierbei die Schuld der Götter, welche das lyrische Ich in Notsituationen im Stich gelassen hätten. Für das lyrische Ich sind es nicht die Götter, sondern die „allmächtige Zeit“ und „ das ewige Schicksal“ gewesen, die ihn in Not gerettet und zu einem tapferen Mann gemacht haben. Alliterationen (Z.27-30), Parallelismen (Z. 38-41) und wortspielerische Elemente („glühend“, „glühtest“, Z.33-34) spiegeln das immer wiederkehrende Verhaltensmuster der Götter wider.                                                                                                                                                                    
Auch die vorletzte Strophe besteht lediglich aus einer rhetorischen Frage, jedoch sticht sie in ihrer Kürze von 5 Zeilen auffallend heraus. Das metaphorische Bild  von der „Wüste“ und „reifende Blütenträume“  zeigt  die Hoffnungslosigkeit, die Zeus Prometheus offensichtlich angepriesen hat, auf.   In der letzten Zeilengruppe 7, wird die Bestimmung Prometheus‘ und ein Bezug zur Gegenwart dargelegt. Anders als die Götter stellt sich das lyrische Ich als einen gerechten Titanen, der Menschen nach seiner  Vorstellung formt, dar. Es bevorzugt das Geschlecht der Menschen. Sie sollen sowohl die negativen, als auch die positiven Gefühle  durchleben, was durch die Anapher mit der Präposition „zu“ veranschaulicht wird. Doch die wichtigste Eigenschaft, die Prometheus den Menschen mitgibt, ist die Verachtung und der Hass auf die Götter. Er will sie so vor seinen  Fehlern, an die Götter zu glauben und auf ihre Hilfe zu hoffen, bewahren. Der Vergleich zwischen sich und den von ihm erschaffenen Menschen wird mit einem kurzen und dem einzigen Ausruf der Hymne, der einen ganzen Vers für sich allein beansprucht, versehen: „Wie ich!“ (Zeile 57).
Insgesamt ist auffällig, dass die 7 Zeilengruppen mit ihren Versen in ihrer Länge willkürlich ausgewählt worden sind. Ohne jeglichen Rhythmus und Reime, bis auf die Ausnahme „sich-ich“ in Zeile 55 und 56, wird die ebenso regellose und unaufhaltbare Wut in der Hymne repräsentiert, was das Zusammenspiel von Form und Inhalt interessant macht. Durch Zäsuren (Z.3) und Enjambements (Z.10/11) in Kombination mit den vielen inversiven und elliptischen Satzstrukturen  wirkt der lyrische Text jedoch nicht auf dem ersten Blick zugänglich. Diese Beobachtung widerspricht in gewisser Hinsicht den angesprochenen Inhalt, aus dem sich schließen lässt, dass die Menschen sich mit  Prometheus identifizieren, zumindest verstehen sollen.                                                                                    
Zusammenfassend stellt Goethe den gegenwärtigen Hass Prometheus‘ gegenüber Zeus‘ dar, der sich über die willkürlich gewählten und gefühlsbetonten Form erstreckt. So ist die Hymne  ein Versprechen Prometheus‘ gegenüber dem Rezipienten, Menschen zu erschaffen, die Gottheiten genauso anzweifeln und hassen, und gleichzeitig ein Ruf Goethes nach Helden, die sich wie Prometheus gegen jegliche Traditionen und Autoritäten auflehnen sollen.  

Verfasserin: Karen Luc