Hier ein Beispiel für eine Hausaufgabe aus einer achten Klasse: Wir hatten einen Text mit dem Titel „Schlaraffenland”und ein Bild von Breugel analysiert, die zeitbedingt ausschließlich mit -um es vorsichtig auszudrücken-Nahrungsaufnahme beschäftigt waren. Es war im Fach Politik und ging thematisch um Grund- und Luxusbedürfnisse.
Mein eigenes Schlaraffenland
Um in das Schlaraffenland zu gelangen, muss man einen der vielen geheimen Eingänge finden, die überall auf der Welt für alle Kinder und Erwachsene, die noch Fantasie haben, verteilt sind. Durch diesen Eingang kommt man dann durch einen langen Tunnel zu so etwas wie einem veralteten Aufzug. Für Menschen mit Fantasie ist der Weg sehr kurz und gar nicht schwer, für Menschen ohne diese Fähigkeit ist er das genaue Gegenteil. Mit dem Aufzug fährt man dann sieben Stockwerke tief unter die Erde bis zu einer
riesigen, wunderschön beleuchteten Höhle. Hier setzt man sich dann im Schneidersitz hin und stellt sich eine bekannte Tür vor. Das kann die Haustür sein, die Zimmertür, aber auch das Schultor. Diese Tür erscheint dann sofort und man kann hindurchgehen, hinein in ein gleißendes, gold-gelb strahlendes Licht. Und schon ist man da, im Schlaraffenland.
Es sieht aus wie auf einer Postkarte, nur viel schöner: bunte Blumenwiesen, im Hintergrund große Berge mit strahlend blauen Seen in deren Tälern und Flüsse und ein Meer mit einem großen Sandstrand und Palmen, mit derselben Schönheit wie die Seen. Rechts, hinter einer leuchtend roten Mohnwiese, liegt eine kleine Ansammlung putziger Hütten, deren Türen einladend offen stehen.
Doch wenn man näher hinsah, bemerkte man, dass das Gras aus Marzipan war, die Wege mit Bonbons bestreut, die Berge aus tonnenweise Schokolade bestanden und das Wasser in den vielen Gewässern den Geschmack jedes Getränkes annahm, den man sich wünschte.
Auch man selber war verändert. Man fühlte sich frei von allen Sorgen und Lasten, die man auf der Erde mit sich herumtrug, man war so frei, dass man schweben konnte. Das Beste aber war, dass man alles manifestieren konnte, was man wollte. Von der Kleidung und dem Schmuck, den man trug, bis hin zu verschiedenen Städten wie zum Beispiel New York, Venedig oder Paris. Aber als bester Wohnort waren immer noch die kleinen Hütten geeignet. Das heißt, von außen sahen sie klein aus, aber von innen hatten sie das Ausmaß riesiger Villen. Außerdem waren alle Hütten gleich aufgebaut, doch hatte jede ihren eigenen Stil. Da war zum Beispiel eine Hütte ganz in Pink und Rosa, oder eine andere, die nur mit ,,Werder-Bremen-Möbeln“ ausgestattet war.
Als ich zum ersten Mal in das Schlaraffenland kam, manifestierte ich mir ein Kleid, besser gesagt einen Traum aus Spitzen und Rüsche mit einem weiten Rock, der mitflog, wenn man sich drehte wie aus dem Film „Marie Antoinette“, trank aus einer Quelle, deren Wasser ich nach Cola schmecken ließ und aß Nutella-Toastbrote, die anstatt von Blättern an den Bäumen wuchsen. Ich wanderte durch die unendlichen, wunderbar duftenden Blumenwiesen zu den kleinen Hütten. In der kleinen Siedlung traf ich viele andere Kinder, aber auch ein paar Erwachsene. So traf ich zum Beispiel auch Katharina, Dina, Catalina, Charlotte und viele andere, die ich kannte. Ich war froh, dass ich nicht ganz allein im Schlaraffenland war und wir spielten viel oder saßen manchmal auch einfach nur beisammen, um uns zu unterhalten. Bei meinem ersten Besuch blieb ich ganze fünf Tage und ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, dass meine Familie sich Sorgen macht, doch da fand ich eines Tages ein laufendes „iPad“ , was mir das Schlaraffenland noch mal erklärte: Zuallererst kamen Menschen ohne Fantasie gar nicht erst hinein. Der zweite Punkt besagte, dass, solange man sich im Schlaraffenland aufhielt, auf der Erde keine Zeit verging, was mir schon mal das schlechte Gewissen nahm. Ein bisschen weiter unten stand da noch, dass man, egal wie viel man im Schlaraffenland aß, kein Gramm zunahm. Ehrlich gesagt, das war eine der Regelungen, die mir am besten gefiel.
Kurz bevor ich mit meinen Freunden das Schlaraffenland verließ, machten wir am Abend noch ein schönes Lagerfeuer mit leckerem Stockbrot und ich schlief in der pink-rosa Hütte ein.
Am nächsten Morgen brachen wir auf zum Aufzug, durch den Tunnel und hinaus wieder auf die Erde. Wir hatten zwar wieder unsere normale Kleidung an und alles, was wir aus dem Schlaraffenland mitgenommen hatten; ich hatte das „iPad“ eingesteckt, war verschwunden, aber wir fühlten uns immer noch genauso frei wie zu dem Zeitpunkt, als wir im Schlaraffenland angekommen waren.