. / .Politik / Interessante Artikel / Alle Staatsschulden sind Reichenbedienung (2007) Stand: 21.01.2013 ↵
Hier habe ich einen Artikel gefunden, der etwas einseitig und polemisch zu sein scheint; andererseits zeigt er durch kontrastive Zuspitzung eine diskutable Problemlage auf.
Ergänzung in 2012: Die derzeitige Eurokrise ist primär eine Staatsschuldenkrise der europäischen Staaten, die in sehr unterschiedlicher Höhe (z. B. Griechenland vs. Deutschland) mit richtigen und überwiegend falschen Argumenten immer weiter ihre Schulden erhöhen. Einige von ihnen hoffen über die Eurobonds oder ein anderes „Umschuldungs-Finanzierungs-Modell” - wie immer es auch heißen mag - die ungelöste Problematik auf eine möglichst ferne Zukunft verlagern zu können. Dummerweise endet die Welt nicht mit Europa (wachsende Bedeutungslosigkeit einer allmählich aussterbenden, kapriziösen Welt), sondern andere zunehmend wichtigere Teile der Welt bringen hier ihre Interessen mit ein. Nicht zufällig gibt es keine Rating-Agentur, die den USA ihr dreifach-A in Frage stellen würden.
China z. B. macht erst gar keine Schulden, sondern sammelt im Gegenteil die Reichtümer der Welt auf, indem es gnadenlos um jeden Preis produziert und verkauft.
Und alle Schuldner sind - auf welcher Ebene auch immer - letztlich unbewusst nur damit beschäftigt, reale und irreale Vermögenswerte der Besitzenden der gesamten Welt (private und staatliche) zu vervielfachen.
Die globale Absurdität (das Verleihen von Geld zu Zinsen ist die intelligenteste Form der Enteignung) sucht ihre Grenze.
URL: http://www.humonde.de/artikel/10051
1.2.2005 | HUMONDE Forum für eine humane Welt
Geld & Wirtschaft
Alle Staatsschulden sind Reichenbedienung
Für seine Schulden muss der Staat wie jeder andere Kreditnehmer auch Zinsen zahlen. Von denen profitieren jedoch vor allem die Reichen, da sie mit ihren großen Geldvermögen auch die größten Kreditgeber des Staates sind. Die Zinsen für Staatsschulden müssen erarbeitet und in Form von Steuern an den Staat abgeführt werden. Dadurch findet eine permanente, schleichende Umverteilung der Vermögen von unten nach oben statt. Beitrag von Günther Moewes
In den USA entfallen inzwischen auf jeden Haushalt durchschnittlich 69.000 Dollar Staatsschulden und 84.000 Dollar private Schulden. Allein der so genannte „Verteidigungshaushalt“ beträgt derzeit jährlich 477 Milliarden Dollar. Das sind 1.600 Dollar pro Kopf und Jahr, 6.400 Dollar für eine vierköpfige Familie. Die Auslandsschulden betragen 3,3 Billionen Dollar. Hauptgläubiger der USA sind Japan und Europa, neuerdings sogar China. Sie sind es, die den Irak-Krieg letztendlich finanzieren.
Deutsche Verhältnisse
Dagegen wirken die deutschen Verhältnisse geradezu paradiesisch. Mit 33.400 Euro pro Haushalt liegen die Staatsschulden unter den privaten Schulden von 41.336 Euro pro Haushalt. Die Staatsschulden in den USA sind also pro Haushalt mehr als doppelt so hoch. Außerdem (sagt zum Beispiel Oskar Lafontaine) seien die deutschen Staatsschulden nicht so schlimm, weil ihnen dreimal so hohe Geldvermögen der privaten Haushalte gegenüberstehen. Es sei nur vernünftig, dass der Staat mit dem Geld seiner Bürger arbeite. Und schließlich hat ja sogar Keynes gesagt, Staatsschulden in Krisenzeiten seien legitim, um die Wirtschaft anzukurbeln. Alles also nicht so schlimm?
Lautlose Umverteilung von unten nach oben
Alle diese Überlegungen übersehen eine entscheidende Tatsache: Staatsschulden erzeugen immer eine lautlose Umverteilung von unten nach oben. Und das kommt so: In Deutschland verfügen zehn Prozent der Bevölkerung über die Hälfte der privaten Geldvermögen, das heißt, über 2,5 von fünf Billionen Euro. Diesen 2,5 Billionen Euro stehen 1,3 Billionen Euro Staatsschulden gegenüber. Das heißt aber: alle Sollzinsen, die Bund, Länder und Gemeinden zusammen zahlen, fließen so oder so ausschließlich auf die privaten Konten der zehn Prozent Reichsten.
Andere nennenswerte Geldvermögen, auf deren Konten sie fließen könnten, gibt es nicht. Die Geldvermögen des Staates sind marginal: sie betragen gerade ein Zehntel der privaten Geldvermögen. Und im Bereich der Unternehmen sind Geldvermögen und Schulden halbwegs ausgeglichen. Die einen haben so viele Vermögen wie die anderen Schulden.
Fazit: Die 80 Milliarden Euro Zinsen, die jährlich auf den privaten Konten der zehn Prozent Reichsten landen, stammen zumeist von Bund, Ländern und Gemeinden Diese gezahlten Zinsen müssen sich die öffentlichen Haushalte über Steuern zurückholen.
Und alle diese Steuern müssen letzten Endes von der Bevölkerung aufgebracht werden. Das gilt sogar für die (immer geringer werdenden) Unternehmenssteuern. Denn die werden natürlich auch über die Preise auf die Bevölkerung abgewälzt. Grundsätzlich gilt: Alle Personen und Institutionen, die Rechnungen stellen können, wälzen alle Zinskosten so lange nach unten ab, bis sie bei denen landen, die keine Rechnungen mehr stellen können, bei den 33 Millionen abhängig Beschäftigten. Alle laut- und leistungslosen Kapitaleinkommen müssen letztlich durch deren Arbeit erwirtschaftet werden.
Staatsschulden sind Reichenbedienung
Wir sehen jetzt: Alle Staatsschulden sind immer Reichenbedienung. Das ist der wahre Grund, warum George W. Bush die 237 Milliarden Leistungsbilanzüberschüsse aus der Clinton-Ara schleunigst wieder in ein riesiges Defizit von 607 Milliarden verwandelt hat. Die Verhältnisse sind heute anders als zu Keynes Zeiten, einfach weil die Größenordnungen ganz andere sind.
Und die wiederum sind anders, weil Geldvermögen „exponentiell“ wachsen. Bei nur vier Prozent Zinsen verdoppeln sie sich nach 16 Jahren, vervierfachen sich nach 36 Jahren und so fort.
Und wir sehen auch: Solange die Zinsbedienung der Reichenkonten nicht gestoppt wird, steigen deren Geldvermögen weiter exponentiell an, geht der Marsch in die Plutokratie, in die Herrschaft der Milliardäre weiter. Und solange steigen auch die zu zahlenden Sollzinsen und damit die Schulden exponentiell an. Man kann nicht zugleich die Staatsschulden abbauen und die privaten Geldvermögen weiter exponentiell wachsen lassen. Wer dies vorgibt, wälzt die Staatsschulden in Wirklichkeit nur auf Unternehmen und Privathaushalte ab.
Der Beitrag ist eine Zusammenfassung eines Kapitels aus dem 2004 im Signum-Verlag erschienenen Buch „Geld oder Leben“
von Günther Moewes.
Günther Moewes, Jahrgang 1935, war bis zur seiner Emeritierung Professor für Industrialisierung des Bauens an der
Fachhochschule Dortmund. Er forscht seit über zwanzig Jahren über die Auswirkungen von Geldmechanismen auf das Bauwesen.