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letztes Update:
23.05.2018

. / .Geschichte / Antike / Klausur und Erwartungshorizont
Stand: 01.07.2007

Bereits als Schüler liebte ich die Antike; es ist eine Zeit, in der ich selber gerne gelebt hätte. Kürzlich war ich in der heutigen Türkei und habe dabei Ephesus besichtigt, was mich nur nochmals in meinem alten Wunsch bestärkte. Während meines Geschichtsstudiums habe ich mich mit besonderer Intensität auf alte Geschichte gestürzt - immerhin hatte ich nach der berüchtigten Zwischenprüfung in alter Geschichte in Göttingen anschließend noch fünf Hauptseminare alte Geschichte belegt. Im Nachhinein muss ich nüchtern feststellen, dass diese Bemühungen für den Schulalltag völlig unnötig gewesen waren. Dennoch ist diese Liebe geblieben und ich versuche stets, die damals erworbenen Kenntnisse weiter zu geben.
Kurzer Nachtrag: Während einer sog. Fortbildung im Fach Politik bin ich letztes Jahr (2006) darüber belehrt worden, dass für demokratietheoretische Modelle alte Geschichte völlig irrelevant sei. Für attische Demokratie habe man nun wirklich keine Zeit mehr.
Was für eine dümmliche Ignoranz!





Aufgaben:

1. Ordnen Sie die Quelle ein und erläutern Sie den historischen Kontext (außen- und
innenpolitische Situation)!

2. Präzisieren Sie die Intention der Rede und skizzieren Sie den Gedankengang des
Textes!

3. Erläutern Sie strukturelle Elemente der attischen Staatsform und problematisieren
Sie unter Bezugnahme auf den Text den Begriff „Demokratie“!


Fundstelle des Textes:
Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges, II, 59 – 65 Auszüge; Hrsg. u. übers. Von G. P. Landmann; dtv Bd. 6019.


TEXT

[59] Nach dem zweiten Einmarsch der Peloponnesier, da das Land kahl dalag zum zweitenmal und Krankheit zugleich und Krieg ihnen zusetzten, da waren die Athener andern Sinnes geworden; sie erhoben Vorwürfe gegen Perikles, daß er sie zu dem Krieg überredet habe und seinetwegen all das Unglück über sie gekommen sei, und waren bereit, sich mit Sparta zu einigen. (...) Als er sah, wie sie sich gegen ihr Schicksal empörten und genau so taten, wie er erwartet hatte, versammelte er sie (er war noch Feldherr), (...) und sprach:

[6o] Nicht unerwartet kam mir dieser euer Zorn gegen mich (denn ich sehe seine Gründe), und deswegen habe ich die Volksversammlung berufen, um euch zu gemahnen und um es euch vorzurücken, wenn ihr nicht ganz mit Recht mir grollt oder euch dem Unglück beugt. (...)
Und doch, wem zürnt ihr? Einem Manne, glaube ich, der keinem andern nachsteht in der Erkenntnis des Nötigen und der Fähigkeit, es auszudrücken, der sein Vaterland liebt und über Geld erhaben ist. (...) Wenn ihr mir also nur einigermaßen dies vor andern zusprächet, als ihr euch zum Krieg bestimmen ließet, so gebührte mir auch jetzt kein Vorwurf, als hätte ich ein Unrecht begangen. (...)
Ich nun bin immer noch der gleiche und stehe, wo ich stand, ihr seid verändert; denn so ist es ge-kommen: da ihr heil wart, gefiel euch mein Rat, nun ihr geplagt seid, überfiel euch die Reue, und mein Gedanke muß eurer menschlichen Schwäche als unrichtig erscheinen, weil eben das Schmerzhafte heute schon jedem spürbar ist, aber der Vorteil erst später allen offenbar wird; und bei dem großen Umschwung, der, und dazu noch so jäh, hereinbrach, ist euer Geist nicht groß genug, auf dem einmal Beschlossenen zu beharren. (...) Trotzdem, wenn man Bürger einer großen Stadt ist und in einer ihr gemäßen Gesinnung groß geworden, muß man auch das ärgste Unglück bereit sein zu ertragen und darf die Würde nicht verlieren; (...)
[63] Und wenn unsere Stadt in Ehren steht wegen ihrer Herrschaft und ihr doch auch alle darauf stolz seid, so gebührt es sich jetzt, ihr zu Hilfe zu eilen (...) Und glaubt nicht, es ginge in diesem Kampf nur um das eine, nicht Knechte zu werden statt frei, sondern euch drohen auch der Verlust eures Reiches und die Gefahren des Hasses, der euch aus der Herrschaft erwuchs. Aus der zurückzutreten steht euch auch nicht mehr frei, falls einer in der Angst dieser Stunde sogar so tugendhaft und friedfertig werden wollte; denn die Herrschaft, die ihr übt, ist jetzt schon Tyrannis; sie aufzurichten mag ungerecht sein, sie aufzugeben ist gefährlich. Wie rasch würden solche Menschen, wenn sie noch andere überreden, eine Stadt zugrunde richten, (...)
[64] Ihr aber, laßt euch nicht verführen von solchen Bürgern und habt nicht auf mich einen Zorn, nachdem ihr den Krieg doch auch mit beschlossen habt, mögen jetzt auch die Feinde eingebrochen sein und getan haben, was vorauszusehen war, da ihr ihnen nicht gehorchen mochtet, und mag so völlig unverhofft diese Krankheit dazugekommen sein- (...)
Sendet nicht zu den Spartanern und laßt nicht merken, daß die jetzige Not auf euch lastet; denn wer sich Unglück am wenigsten zu Herzen gehen läßt und ihm nach außen am stärksten widersteht, der, unter Staaten wie im einzelnen Leben, der überwindet.

[65] Mit solchen Worten versuchte Perikles, (...)
Und wirklich ruhten sie alle zusammen in ihrer Wut auf lhn nicht eher, als bis sie ihm eine Geld-buße auferlegt hatten. Sehr bald danach freilich, wie die Menge pflegt, wählten sie ihn wieder zum Feldherrn und überließen ihm die wichtigsten Entscheidungen, da jeder in seinem häuslichen Kummer nun schon eher abgestumpft war und sie ihn für die Bedürfnisse der gesamten Stadt doch für den fähigsten Mann hielten.






Erwartungshorizont

Teil 1

Aufgabe 1
Sommer 430 (Seuche in Athen; vor Perikles‘ Entmachtung); Perikles (auffälliger Zeitpunkt, Zentralfigur des Thukydides); attische Volksversammlung (entscheidendes politisches Gremium ist die „ekklesia”; hier muß Perikles sich als Stratege verantworten); zweites Kriegsjahr: Peloponnesiches Heer unter Archidamos verwüstet Attika; Landbevölkerung innerhalb der Mauern; katastrophale Situation aufgrund der Seuche aus Ägypten; strategische Planung des Perikles widerspricht dem Tatendrang der Athener; angespannte politische Situation in Athen und kritische Lage für Perikles, der sich gegen den Wankelmut der Volksmenge stellt.

Aufgabe 2

Intention: Beschwörung, den Krieg trotz der kritischen Situation fortzuführen und Unterbindung des Friedensgesuches an Sparta; Beschwichtigung der Wut gegen seine eigene Person.
Insistieren auf eigener Integrität; Appell an den Stolz der Athener; Aufzeigen der Risiken, die mit der Aufgabe des Kampfes verbunden wären; Warnung vor einer ‚inaktiven‘ Friedensliebe; Vorwurf der Kurzsichtigkeit; Berufung auf attische Tradition und Tugend; Verweis auf Pflichten der Nachgeborenen gegenüber den ruhmreichen Vorfahren; Hervorhebung der Größe Athens; Geringschätzung des kurzzeitigen Hasses vs. Hochschätzung des zeitlosen Ruhms; Warnung vor Demagogen.

Aufgabe 3

Prinzip der Isonomie: Losverfahren und Diäten als zentrale Elemente der radikalen Form der attischen Demokratie nach den Reformen des Ephialtes und Perikles; Volksversammlung als zentrales Entscheidungsorgan; Laienrichter in den Volksgerichten; Wahlverfahren als Ausnahme für Strategen, Schatzmeister der Athene und Diplomaten zur Wahrung der Kontinuität und Professionalität.
Problematisierung des Terminus „Demokratie“: Isegoria als generelle Redefreiheit jedes attischen Bürgers gegeben, de facto aber Manipulationsmöglichkeit jedes Demagogen: Perikles „beherrscht“ die Volksversammlung durch Autorität und besondere Redegabe; selbst in dieser direktesten Form einer Demokratie ist die „Herrschaft des Volkes“ auch nur Utopie.